Wie die Burger Gaststätte „Glück Auf“ zu ihrem Namen kam -dabei hätte „Schüsselkneipe“ gereicht

Glück Auf, Burg

Die Burger Gaststätte entstand aus dem ehemaligen Wohnhaus Kastner. Es wurde 1913 vom Werbener Martin Quetk umgebaut und von seinem Sohn verwaltet. Dieser ging bald Pleite, die Gaststätte wurde verpachtet. 1928 kaufte sein Bruder Hermann Quetk die Gaststätte zurück.

Fotoalbum

Margarethe Britzmann, eine junge lebenslustige Berlinerin, machte Anfang 1930 Urlaub im Spreewald – und lernte den Burger Gastwirt Hermann Quetk (geb. 1894) kennen und lieben. Die Hochzeit folgte 1931, die Geburt der Tochter Margarethe 1932. Regina, das zweite und letzte Kind kam am 3. Oktober 1936 auf die Welt. Sie hatte nicht das Glück, ihre Mutter wirklich kennenzulernen: Margarethe Quetk verstarb 1940 an einer Blinddarmentzündung. Der Vater blieb danach Zeit seines Lebens allein, versorgte anfangs die Töchter und kümmerte sich um Gaststätte, Landwirtschaft und den Gemüsegroßhandel – bis zu seinem Tod 1985. Von einer Gaststätte allein konnte damals niemand leben. Regina Quetk erinnert sich an eine Kindheit voller Arbeit. Neben der Schule musste sie in der Landwirtschaft helfen, den Haushalt bewältigen und sich mit um das Vieh kümmern. „Das erste Bier habe ich schon mit fünf Jahren ausgeschenkt“, denkt sie an ihre regelmäßige Mithilfe in der Gaststätte zurück. Manchmal gab es sehr viel zu tun, nämlich dann, wenn „Kraft-durch-Freude-Fahrten“ anstanden. Die „Deutsche Eiche“ war ein regelmäßiges Ziel bei den damaligen KdF-Spreewaldtouren. Kurz vor Kriegsende war die Gaststätte Aufnahmeort für Flüchtlinge jenseits von Oder und Neiße. Hermann Quetk wurde gezwungen, alle Räume, einschließlich des Kellers, zur Verfügung zu stellen. Die Gemeindeschwester, die die Aufnahme der Flüchtlinge in Burg organisierte, drohte ihm im Verweigerungsfall eine Anzeige an! Es war ebenfalls schwer für die Neunjährige mit anzusehen, wie später die sowjetischen Besatzer in der Gaststätte 1945 mit dem Mobiliar umgingen und ständig Alkohol forderten, der ohnehin längst aufgebraucht war. Ein Offizier verlangte vom Vater, das Schild „Deutsche Eiche“ über der Gaststätte sofort abzuschrauben, es war ihm zu „Deutsch“. Danach blieb die Gaststätte einige Jahre offiziell namenlos, bei der wenigen Stammkundschaft hatte sich im allgemeinen Sprachgebrauch dagegen ohnehin nichts geändert. Der Gaststättenbetrieb war fast zum Erliegen gekommen, die Zeiten waren nicht nach Feiern und Geselligkeit. Besonders die Winter waren hart, denn Kohlen gab es nicht. Um 1950 kam ein Gewerkschafter mitten im Winter auf der Suche nach einem Ferienheim und Ferienlager auch in diese Spreewaldgaststätte und trug sein Anliegen vor. „Nur gegen Kohle!“, entgegnete frierend der Wirt, der sich gleichzeitig der Aussichtslosigkeit seiner Forderung angesichts der schwierigen Wirtschaftslage bewusst war. „Die können Sie haben, ich komme nämlich von der Brikettfabrik Alfred Scholz, Welzow!“, entgegnete ebenso schlagfertig der Gewerkschafter. Ein Handschlag reichte fürs Erste, Hermann Quetk nannte die Gaststätte nun voller Dankbarkeit in „Glück Auf“ um. Bald zogen FDGB-Urlauber von Mai bis Oktober in die Gaststätte ein, in den Sommermonaten tummelten sich die Kinder der Welzower im Ferienlager. Für die noch jugendliche Regina waren es wieder Monate voller Arbeit, meist in der Küche: „Es war eine schöne Zeit, voller Aufbruchstimmung. Die Menschen waren zufrieden und saßen oft lange zusammen, wenn auch das Geld für nur ein oder zwei Bier reichte.“ Um 1960 setzte die Kollektivierung der Landwirtschaft ein, Hermann Quetk musste seine Flächen abgeben und noch draufzahlen. Nun verblieb nur noch der Gaststättenbetrieb, in der Saison gesichert durch den Vertrag mit der Gewerkschaft zur Urlauberbetreuung. Regina musste täglich für 100 bis 300 Gäste kochen, morgens, mittags und abends. In den Jahren nach der Schule hatte sie in Werben schon 1953 einen Abschluss für landwirtschaftliche Berufe erlangt, 1965 in Cottbus den Facharbeiterbrief als Köchin – sie war inzwischen fast 30 Jahre alt- nachgeholt. Zeit für eine eigene Familie? Fehlanzeige, der Vater brauchte rund um die Uhr ihre Unterstützung. Dennoch schien auch für sie eine bessere Zeit anzubrechen, als Regina Quetk Heinz Volkmann heiratete. Der brachte zwei Kinder in die Ehe mit, gemeinsame Kinder stellten sich nicht ein. Nach nur vier Jahren kam allerdings das Ehe Aus. Nun legte sie wieder ihre ganze Kraft in die Arbeit, der Vater war älter geworden und brauchte überall Hilfe. Ihr Domizil war dennoch meist die Küche. Nahezu legendär sind ihre Schüsselgerichte: Alles kam in Schüsseln auf den Tisch, jeder nahm sich, was er brauchte auf den Teller. Zeit für Hobbys? Ebenfalls Fehlanzeige! Reisen konnte sie auch nicht, dafür war keine Zeit. „Wozu auch? Zu mir kamen Gäste aus aller Welt, lange blieb ich mit manchen in Briefkontakt. So habe ich sehr viel von der Welt erfahren“, blickt Regina Volkmann zurück. Positiv und im krassen Gegensatz zu dem 1945 erlebten, sind ihre späteren Erfahrungen mit der Sowjetarmee. „Nach 1985 hatten wir regelmäßig Familien- und andere Feiern für die Offiziere ausgerichtet. Sie machten durch ihr Benehmen das gut, was ihre Vorgänger angerichtet haben. Das waren unsere angenehmsten Gäste“, erinnert sie sich an die bis zur Wende andauernden regelmäßigen Feiern.

Der immer noch gültige FDGB-Vertrag schützte sie vor der Verstaatlichungswelle Mitte der 70iger Jahre. Die Gaststätte sollte allerdings Teilbetrieb eines großen FDGB-Heimes im Spreewald werden – etwas, was der Vater gar nicht wollte. Deshalb wurde der Vertrag gekündigt, was glücklicherweise ohne Folgen blieb – eine befürchtete Enteignung fand nicht statt. In den Jahren nach der politischen Wende setzte ein allgemeiner Aufschwung ein, der die Sanierung der Gaststätte, der Ferienzimmer und der Sanitäranlagen nach sich zog. Nur eins blieb und machte die Besonderheit der Gaststätte aus: die traditionellen Schüsselgerichte. Essen wie früher – das hatte bei vielen Gästen Erinnerungen geweckt, bei jedem Spreewaldurlaub kamen sie wieder und genossen die Hausmannskost wie ihre Eltern und Großeltern.

Inzwischen war es auch für Regina Volkmann etwas zu schwer geworden, die Gaststätte am Laufen zu halten. „Es gibt wenig gutes Personal –und allein schaffe ich das nicht mehr“, muss sie sich Ende 2013 eingestehen. Das „Glück Auf“ ist jetzt verpachtet, aber ganz loslassen konnte sie danach noch nicht und hat ihre Hilfe angeboten. Vieles ist anders beim neuen Pächter, ungewohnt. Damit kann sie sich nur schwer abfinden und hat sich nun ganz zurückgezogen. „Ostern 2014 habe ich die letzten vier Eimer Suppe gekocht, definitiv!“

 

Peter Becker, überarbeitet Januar 2017

Regina Volkmann verstarb 2017.

s.a. Becker/Franke: Spreewald kulinarisch, Limosa 2015

Über Peter Becker 396 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

2 Kommentare

  1. Lieber Herr Becker,
    danke, dass Sie hier Ginas Tod ergänzt haben.
    Regina Volkmann verstarb am 4.1.2017, in dem Zimmer , wo auch ihr Vater verstarb und so kommt es, dass Gina geboren und gestorben ist, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hat. Sie hat mich einmal in Berlin und einmal in Kaulsdorf besucht, dass sind wohl neben einem Kurzbesuch in Oberhausen und ihrem Studium in Leipzig die einzigen Reisen die sie je gemacht hat.
    Die Gaststätte bleibt weiter verpachtet und ich werde versuchen alles zu erhalten. Die Pächter behalten „Ginas Hühnersuppe“ auf der Speisekarte und so bleibt auch den Besuchern die Erinnerung.
    Viele Grüße
    Ute-Regina Quetk , Tochter von Margarete Quetk

    • Lieben Dank Frau Quetk! Leider habe ich Ihren Kommentar damals wohl übersehen… das tut mir leid (in der Fülle der Post….). Ich habe mir erlaubt, Ihre Zeilen noch an den Beitrag anzufügen. Liebe Grüße aus dem Spreewald! Peter Becker

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