Zwei Weihnachtsmärkte und eine Kahnfahrt

An einem Weihnachtsmarkt in den Kahn einsteigen und beim nächsten Weihnachtsmarkt wieder aussteigen – so etwas geht nur im Spreewald.

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Das Spreewaldmuseum und die Kahnfährleute des Großen Spreewaldhafens haben sich erneut in bewährter Weise zusammengetan, um eine ganz besondere Spreewaldweihnacht zu zelebrieren. Während der Lübbenauer Weihnachtsmarkt das übliche Geschehen aufweist, wirkt der Markt im Freilandmuseum „wie aus der Zeit“ gefallen. Nach einer knapp einstündigen Kahnfahrt durch die Winterlandschaft taucht der Besucher in eine Welt ein, wie sie vor über 100 Jahren im Spreewald vorzufinden war.

Unterwegs mit Marko Schröter, vorbei an „Kaupen 6“

Fährmann Marko Schröter, sein Heimathafen ist ansonsten der Kleine Hafen am Spreeschlösschen, hilft an diesem Tag aus, um die zahlreichen Besucherinnen und Besucher nach Lehde zu staken. Mit ihm sind weitere etwa 50 Kolleginnen und Kollegen unterwegs, die am Ende des Tages geschätzte 3 500 Gäste gefahren haben werden. „Ich denke, ich werde, wie die anderen auch, fünf Mal hin und ebenso oft zurückfahren müssen. Anfangs geht es mit vollem Kahn hin und später wird es umgekehrt sein, dann müssen wir die Besucher der Lehder Freilandmuseums wieder abholen“, erklärt er seinen ersten Gästen. Kraftvoll schiebt Marko Schröter seinen vollbesetzten Kahn durch das stellenweise dünne Eis. Mit sinkenden Temperaturen am Abend hatten die Fährleute zunehmend mit der Eisbildung am Rudel zu tun, eine neue Erfahrung für manche Fährleute. Bei der Ausfahrt winkt ihnen Hafenkapitän „Hermann Petersen“ (Matthias Ullrich) nach. Er kommt aus dem sächsischen elbnahen Niedervogelgesang, „was mich allein schon deshalb zum Spree-Kapitän erhebt“, wie er Neugierigen auf deren Nachfrage erklärt.

Kerstin Rohrbeck war mit ihrem Mann aus Magdeburg angereist und ist von der Winterlandschaft fasziniert: „Wir sind mit dem Wohnmobil auf dem Lübbenauer Campingplatz, wo wir schon im Sommer eine Woche zugebracht haben. Der Winter und zudem noch die Vorweihnachtszeit, vermitteln einen ganz anderen Eindruck vom Spreewald – schön, dass es solch eine Möglichkeit gibt, ihn mal ganz anders kennenzulernen!“

Am Eingang zum Freilandmuseum hackt Oliver Wegendorf Erlenholz und erklärt den Städtern, dass dies früher eine der selbstverständlichsten Arbeiten auf dem Land war, wenn man es warm haben wollte. Der gesamte begehbare Museumsbereich war mit Stroh und Holzschnitzel abgedeckt, um die Rutschgefahr auf dem hier und da vorhandenen Eis zu minimieren. Eine Besucherin war jedoch der Meinung, dass „man die Holzstufen an den Brücken hätte abföhnen müssen“, was bei ihrer Begleitung und den Umstehenden doch ein wenig Kopfschütteln auslöste.

In den Häusern und auf dem Gelände ging es traditionell weihnachtlich zu, zahlreiche Stände boten an, was sich als Geschenk eignete oder Hunger und Durst stillen konnte. Enrico Jank bot Hochprozentiges an und war anfangs ein wenig skeptisch: „Die Leute haben schon viel Geld bezahlt, um überhaupt auf den Markt zu gelangen – ob sie dann noch gewillt sind, für meine Produkte Geld auszugeben …? Doch ich wurde vom Gegenteil überzeugt“, erzählt er, während er einer Oberlausitzer Besuchergruppe Spreewaldlikör zum Probieren anbot. Mario Krause aus „Äberschbach“ lobte diesen über alle Maßen in seinem mit vielen „R’s“ gespickten Dialekt.

Zwischen den Besuchern waren der Spreewälder Nikolaus, auch Rumpodich genannt, unterwegs und verteilte aus dem großen Sack Geschenke an die „lieben“ Kinder. Das Jänschwalder Bescherkind ging mit der Begleitfrau Grit Stahlberg umher, um schweigend und die Rute auf die Schulter auflegend, Glück- und Segenswünsche zu verteilen. Das Schweigen ist dem Umstand geschuldet, dass in der Zeit der Wintersonnenwende die bösen Geister ihr Unwesen treiben und diese Wünsche nicht hören dürfen – so die Überlieferung.

Die Geschwister Daniela und Thomas Schwalbe vom Dresdener Wandertheater hatten es nicht einfach, ihren Leiterwagen durch die vielen Menschen zu ziehen. Stammbesucher der Veranstaltungen im Lehder Freilandmuseum kennen die beiden und ihren Unterhaltungswert. Wenn sie nicht gerade „Frau Holle“ geben, sind sie als „Geschwister Reibach“ unterwegs und preisen lautstark an: „Hier bei uns bekommen sie alles, was sie Weihnachten nicht brauchen, höchstens danach!“ Ihr Verkaufsschlager wäre angeblich eine Diätpfanne mit lediglich fünf Zentimeter Durchmesser.

Das Lübbenauer Wohnungsunternehmen WiS hat einen Fotopunkt eingerichtet: Wer will, kann zu der anderen „Frau Holle“ (Anne-Sophie Herzberg) ins Bett steigen und sich fotografieren lassen, wovon der Fitnessclub Niesky reihenweise Gebrauch machte.

Langsam war die Zeit zur Heimfahrt gekommen. Viele nutzen den Kahn-Shuttle, um noch einmal die Winterlandschaft genießen zu können, andere wählen den Fußweg nach Lübbenau oder den „Spreewaldmolly“: Betreiber Christoph Domke pendelt im Stundenrhythmus zwischen der Bahnhofstraße und der Lehder Wendeschleife. Dankbar nehmen die Fahrgäste die beheizte Fahrgelegenheit an, denn so mancher war inzwischen doch recht durchgefroren.

Die „Spreewaldmolly“ kommt von Lehde zurück

Viele nutzten an diesem ersten Tag den Weihnachtsmarkt am Großen Hafen für einen abschließenden Besuch, für Glühwein und ein wärmendes Feuer. Um dieses hatte sich eine Familie aus Taiwan gruppiert, die es „very cold in germany“ fand. Die Kinder gruppierten sich um das Marionettentheater Tobias Klug, welches sich den Auftritt mit der Musikschule Fröhlich teilte.

Die Händler schienen eine etwas vorsichtige Bilanz zu ziehen, denn man hatte eigentlich noch mehr Besucher erwartet, wie herauszuhören war. „Vielleicht liegt es an der Kälte oder an sonstigen samstäglichen Einkäufen?“, ließ eine Standbetreiberin wissen. Die Preise waren im durchschnittlichen Bereich, der Glühwein kostete zwischen drei und vier Euro. Dennoch scheint sich etwas im Kaufverhalten verändert zu haben, wie der Werbener Koch Jörg Thiele beschreibt: „Wie gewohnt, sind die Besucher von der festlichen Atmosphäre der Spreewaldweihnacht verzaubert, denn die traditionelle Freundlichkeit, Neugierde und Kommunikationsfreude der Gäste sind auch in diesem Jahr da. Doch eine bemerkenswerte Veränderung im Kaufverhalten zeichnet sich ab, denn es werden nun Spezialitäten bevorzugt, die nicht nur lange haltbar, sondern auch preisgünstig sind. Unter den diesjährigen Verkaufsschlagern ragt der schwarze bzw. fermentierte Knoblauch heraus – eine geschmackliche Sensation, die das kreative Herz der Hobbyköche höher schlagen lässt heraus. Die erlesenen Auswahl an Gewürzen verkauft sich in kleinen Gläsern genauso gut, wie unsere schwarzen Walnüsse, auch liebevoll als „Spreewaldtrüffel“ bezeichnet. Große Gläser mit Gewürzen, bleiben durch denn höheren Preis eher stehen. Das veränderte Kaufverhalten zeigt uns, dass es wichtig ist sich den aktuellen Markttrends anzupassen, ohne dabei die Einzigartigkeit und die Tradition zu vernachlässigen.“

Jörg Thiele an seinem „Spreewaldgarden“-Stand

Zwei Märkte- eine Kahnfahrt findet auch noch am 2. Adventswochenende statt, mehr Informationen unter spreewaldweihnacht.de

Peter Becker, 03.12.23

Über Peter Becker 368 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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