Spreetaufen – ein Jahr nach dem „Wassersprung“ zu Lübbenau

Vor einem Jahr eröffneten Pfarrerinnen und Pfarrer das Jahr der Taufe 2023 mit einem Sprung in die Spree in Lübbenau. Die Aktion des Kirchenkreises Niederlausitz stand unter dem Motto „Tauch ein und lebe“. Superintendent Thomas Köhler aus Lübben, sein Stellvertreter Pfarrer Markus Herrbruck aus Finsterwalde, Pfarrerin Kerstin Höpner-Miech aus Massen, Pfarrerin Ulrike Garve aus Lübbenau, Pfarrer Stefan Branig aus Tröbitz und Pfarrer Martin A. Liedtke aus Lübben sprangen in Dienstkleidung ins sieben Grad kalte Wasser.

Taufen im Spreewald einst:

Februar 2023: Evangelische Pfarrer und Pfarrerinnen eröffnen mit einem symbolischen Sprung in die Lübbenauer Spree das Jahr der Taufe. (© Peter Becker)

Wie aus Kirchenkreisen zu erfahren war, half die so erzielte Aufmerksamkeit, das Thema Taufe in den Familien aufzurufen. Schließlich geht es nicht nur um die Taufe Neugeborener, sondern auch um das Nachholen von Taufen in jeder Altersgruppe. In Zeiten von nachlassender Kirchenzugewandtheit, auch verursacht nach Kirchenkritiken, ist es für den Klerus wichtig, einen Neuanfang zu wagen und die Menschen für den Glauben an Gott zu gewinnen beziehungsweise zurückzugewinnen. Dies mag im vornehmlich atheistisch geprägten Osten des Landes eine größere Aufgabe sein als in anderen Landesteilen. Eine Taufe in Flüssen war aber gerade im Osten und den osteuropäischen Ländern vor Jahrhunderten üblich, erst später wurden dafür „gottgeweihte“ Häuser genutzt.

Die Taufe eines Neugeborenen war und ist für Familien christlicher Prägung ein üblicher und nicht wegzudenkender Vorgang. Im Spreewald war es bis vor etwa 100 Jahren noch üblich, dass die Hebamme persönlich den Täufling dem Pfarrer übergab. Als Beispiel soll hier die Byhleguhrer Marie Noack genannt werden. Die als „Muhme Kuschy“ bekannt gewordene verhalf über 1300 Kindern auf die Welt zu kommen – und übergab ebenso viele zur Taufe in die „Arme Gottes“, wie es damals hieß.

„Kuschys Muhme“ trägt einen Säugling zur Taufe (Lübbener Heimatkalender 1928)

Es gab „Nottaufen“, wenn ein Säugling krank zur Welt kam. Ein ungetauftes Kind durfte im Todesfall nicht auf einem geweihten Friedhof beigesetzt werden, sondern vor den Friedhofsmauern, manchmal in der Nähe der Traufe des Leichenhauses, damit der Leichnam durch vom Dach abtropfendes Regenwasser „wenigstes etwas von Gottes Segen“ abbekam.

Dem ehemaligen Zerkwitzer Pfarrer Michael Oelmann ist es zu verdanken, die ursprüngliche Form der Taufe auch im Spreewald (wieder)belebt zu haben. Die Kirchenobrigkeit sah es anfangs nicht so gern, wenn dieser Akt des Eintritts in ein kirchliches Leben außerhalb der geweihten Häuser stattfinden soll. Der evangelische Pfarrer hatte es nicht leicht, seiner Kirchenleitung zu erklären, dass er diesen jahrhundertealten Brauch der Taufe als missionarische Chance aufnehmen wollte. „Neue Wege gehen …“ – etwas, was sich leicht predigen, aber nicht immer leicht umsetzen lässt, wie er selbst erfahren musste. Die konservativ eingestellten Kollegen galt es ebenso zu überzeugen, wie die Kirchenleitung: Eine Taufe außerhalb der Kirche – das überstieg und strapazierte deren Vorstellungsvermögen. Michael Oelmann in seinen Erinnerungen: „Ab 2005 trugen Spreewälder Familien immer öfter ihre Wünsche vor, Kinder in der Spree taufen zu lassen. Ich hatte mich damals entschlossen, im Wasser statt des weiten Talars ein weißes Hemd mit weißen Hosen und Sandalen an den Füßen zu tragen. Über die Schultern legte ich eine passende Stola. Von den Bauern ließ ich mich beraten, welche Stellen in den Spreefließen geeignet für Taufen sind.“ Zu den ersten Täuflingen gehörten die Kinder von Sebastian und Anja Kilka aus Lehde. Inzwischen hat Pfarrer Oelmann alle vier Kinder der Familie mit Spreewasser getauft.

Pfarrer Michael Oelmann tauft 2014 in der Spree bei Lehde Greta Kilka, die von ihrem Vater Sebastian Kilka gehalten wird. (© Peter Becker)

Taufen unter freiem Himmel haben sich als gleichberechtigt etabliert. Was vor 20 Jahren noch eine Besonderheit war, ist inzwischen eine Normalität. Wie vom Kirchenkreis Niederlausitz in Erfahrung gebracht werden konnte, waren der Einladung zu Taufen an unter freiem Himmel an Gewässern in allen Regionen des Kirchenkreises rund um den Johannestag am 24. Juni viele Menschen gefolgt. 19 Pfarrerinnen und Pfarrer tauften 161 Personen zwischen 4 Monaten und 58 Jahren.  Franziska Dorn vom evangelischen Kirchenkreis der Niederlausitz: „Die Zahl 161 bezieht sich nur auf die sechs Tauffeste in den sechs Regionen. In der Spree wurde in Lübbenau und in Lübben wurde ebenfalls getauft. In Lübben fand am 25. Juni 2023 an der Naturbadestelle die sogenannte Spreetaufe statt. Es wurden dort 12 Menschen getauft – Babys, Kinder und auch 3 Erwachsene. In Lübbenau sind am 2. September 6 Kinder in der Spree getauft worden. Generell hat sich die Zahl der Täuflinge im Jahr der Taufe erhöht. Da wir vorher Corona-Jahre hatten, ist ein Vergleich schwer.“

Die Lübbenauer Pfarrerin Ulrike Grave tauft Charlotte Neumann in der Spree bei Lehde (© Franziska Dorn)

Die Lübbenauer Pfarrerin Ulrike Garve bei der Taufe einer Jugendlichen im Juni 2023 im Hindenberger See (© Sigrid Arndt)

Peter Becker, 10.03.24

Historische Fotos entstammen meinem Archiv

s.a. https://kirchenkreis-niederlausitz.de/index.php?id=30564

Über Peter Becker 368 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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