Erstmalig zu bestaunen war das neue Gefährt zum Lehder Kahnkorso „Einmal anders“: Diesmal fuhren die Besucherkähne an den Schaubildern vorbei, eines war der Fischerei früher gewidmet. Der Lehder Günter Brandt stand im Slawengewand im noch ganz neu aussehenden Einbaum. So oder so ähnlich dürften die im 7. Jahrhundert in den Spreewald eingewanderten Slawen Fischerei und Landwirtschaft betrieben haben. Der Einbaum (wendisch: pławnik) aus Eiche oder der einfacher zu fertigende, aber nicht so haltbare aus Pappel, dürften über Jahrhunderte als Wasserfahrzeuge dem westslawischen Stamm der Lusici, den Vorfahren der heutigen Sorben/Wenden, gedient haben.Erst mit dem Einzug der Sägetechnik, besonders in den Schneid- und Sägemühlen, war der Mensch in der Lage, aus Langbrettern Kähne in der heute bekannten Form zu fertigen.
Die Lehd’schen um Günter Brandt, Wolfgang Gahl und Andre Schneider hatten bereits 2001 einen Einbaum aus einer Pappel gefertigt. Diese stammte vom Spreeufer, hatte einen Meter Durchmesser und war nach Zuschnitt sechs Meter lang – letztlich die Endmaße für den Einbaum. Trotz moderner Technik dauerte es etwa 100 Arbeitsstunden, bevor der Einbaum ins Wasser gelassen werden konnte. Wolfgang Gahl erinnert sich: „Wir haben den Stamm vor der Bearbeitung erst noch einmal genau geprüft, wo der Schwerpunkt lag. Dies geht am besten, wenn er frei im Wasser schwimmt, wir brauchten uns nur noch markieren was oben und unten ist“.
Der alte Pawnik hat immerhin 20 Jahre gehalten, musste aber zwischendurch immer mal repariert und ausgebessert werden. Noch 2019 diente er dem traditionellen Einbaum-Wettfahren beim Lehdefest, doch inzwischen ist der Reparaturaufwand nicht mehr vertretbar. Günter Brandt: „Vielleicht kann er noch eine Zeit als Blumenkübel an Land dienen; es war ein schönes Stück Arbeit, es sollte nicht einfach irgendwo im Schlamm verrotten“. Er spielt damit auf die Funde an, die im benachbarten Museum zu sehen sind, darunter ein um 1816 gefertigter Einbaum. In einem Dürrejahr wurde er im Schlamm eines fast ausgetrockneten Fließes gefunden – eine ideale Vorlage für die heutigen Einbaumbauer.
Günter Brandt über den zweiten Einbaum, Baujahr 2021: „Die alten Techniken wie Steinaxt und glühende Steine waren uns dann doch zu aufwändig, hier halfen uns wieder moderne Geräte wenigstens bei den gröberen Arbeiten“. Die Pappel sponserte Kahnbauer Karl Koal, sie wies die gleichen Maße wie das Vorgängermodell auf. Gemeinsam mit den Lehdern Wolfgang Gahl, Dirk Kleemann, Siegfried Hornig und Heiko Schienagl schufen sie das neue Wassergefährt in ebenfalls etwa 100 Stunden Bauzeit. Es wurde ringsherum mit Feuer gegen Fäulnisbakterien und Schimmelpilze vorgegangen, was dem Einbaum die gleiche Optik verlieh, wie seinen historischen Vorbildern. Ein Test mit acht Personen verlief erfolgreich, der Schwerpunkt hatte sich durch umsichtiges Vorgehen in der Bauphase auch nicht verändert. Zwei Rudelstangen aus Esche mit eisernen Spitzen (ähnlich dem heute benutzten Kahnrudel) und einer Astgabel als Knaufersatz, dienen dem Antrieb. Das nächste Wettfahren kann kommen, bis dahin dümpelt er als Anschauungsobjekt Hechtgraben – sehr zur Freude der Urlauber und der Kahnfährleute, die ihren Gästen anschaulich zeigen können, wie und womit der Spreewald einst besiedelt wurde.
Peter Becker, 05.10.21
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