Rückblicke:
Wenn jährlich im Winter Zampergesellschaften unterwegs sind, dann zeugen sie vom Brauchtum des Winteraustreibens. Der Winter war im Spreewald stets eine schwierige Jahreszeit, deren baldiges Ende die Menschen sehnlichst erwarteten. Die Essens- und Futtervorräte gingen zur Neige, die Fließe waren kaum passierbar und die Kälte ließ die Heizvorräte schwinden. Es verwundert daher nicht, dass die an überirdische Kräfte glaubenden slawischen Vorfahren ein Brauchtum entwickelten, welches zum früheren Ende des Winters beitragen könnte – wenn alles nur wollten und richtig anstellten, und zwar möglichst laut und gruselig. Der Winter sollte so den für ihn nun unwirtlich gewordenen Spreewald schleunigst verlassen.
Vor 25 Jahren, am 16. Januar 1998, trafen sich im Klubkeller des damaligen Spreewaldmuseums, heute Schlosskanzlei, Damen und Herren, die sich der Traditionspflege verschrieben hatten. Sorbische/wendische Sitten und Bräuche sollten gezielt gelebt und gefördert werden, ohne dabei in Spreewald-Kitsch abzugleiten. Auf fundierten Quellen beruhend, sollten alte Traditionen wieder aufleben – und das könnte am besten gelingen, wenn sich ein Museumsverein gründet, in dem Enthusiasmus und Kompetenz gebündelt auftreten. Das Konzept überzeugte und der Vereinsgründung stand nichts mehr im Wege. Über den Vereinsnamen wurde dagegen lebhaft diskutiert, denn Museumsvereine gab es schließlich viele im Land. Es sollte ein unverwechselbarer, spreewaldtypischer Name sein, wie die damalige Museumsleiterin Christel Lehmann-Enders in der Gründungsversammlung anregte. Haube, Halstuch oder ein anderes Trachtenteil in niedersorbischer Sprache sollte der Namensgeber sein. In der Abstimmung der 19 Gründungsmitglieder siegte dann das Halstuch (wend.: rubiško). Der Verein war somit gegründet, zum Vorstand gehörten Cornelia Harms, Verena Baensch, Sven Schulz, Ute Henschel, Peter Lehmann, Cosima Broschat und Andrea Pursche, Vorsitzende wurde Ute Henschel.
25 Jahre später gibt es den Verein immer noch, er ist über all die Jahre an Erfahrungen gereift und geübt in der Durchführung von Traditionsveranstaltungen – wie dem Zampern. Während anderswo irgendwie gewandte Gestalten den Winter mit Lärm und Radau austreiben, verkörpern die Rubišker die überlieferten Gestalten, die mit ihrer Symbolkraft den Winter vergraulen sollen. Allen voran der Pobratsch als Zeremonienmeister, es folgen Erbsstrohbär, der aus dem Winterschlaf vertrieben wird, die Doppelte Person: vorn noch mit dem alten runzligen Gewand und hinten schon mit dem faltenfrei-frischen des kommenden Frühlings, der Schimmelreiter als Brautwerbungssymbol, der Storch als Frühjahrssymbol schlechthin, der Bär, der sich in die Wälder zurückziehen muss und die Wurstbrüder. Letztere haben eine eher praktische Funktion, denn beim Zampern werden neben Eiern und Geld auch Würste und Speck angenommen – und auf einer Gabel aufgespießt: Je mehr Wurstbrüder (= Gabeln), desto mehr kann beim ebenfalls traditionellen abendlichen Eierkuchenessen verzehrt werden.
Nicht nur das Zampern, sondern auch eine Reihe anderer Veranstaltungen wurden in den letzten 25 Jahren vom Verein durchgeführt. So wurden zur Unterstützung der Museumsarbeit historische Taufen gezeigt, die Spinnte, die wendische Hochzeit und das Bescherkind. Kein Kahnkorso, kein Festumzug ohne Rubiško. Der Verein wurde deutschlandweit bekannt durch die Auszeichnung 2013 als „Tracht des Jahres“. Im Dreijahres-Rhythmus reisen die Vereinsmitglieder zum Trachtentag, manchmal bis nach Bayern oder an die Nordseeküste – dabei immer als Botschafter des Spreewaldes, der so seine Bekanntheit noch mehr steigert.
Im Jahresreigen ist das Zampern die erste und auch die einzige Veranstaltung, in der der Verein allein agiert. Mit dem Zeigen der historischen Figuren hat er auch ein Alleinstellungsmerkmal in der Niederlausitz. Vorsitzende Andrea Pursche, die dem Verein von Anfang an vorsteht: „Wenn wir am 25. Februar mit Blasmusik durch die Altstadt ziehen, freuen wir uns -wie in jedem Jahr- auf die offenen Türen und Herzen der Lübbenauer!“
Symbolgestalten beim Traditionszampern
Hochzeitsbitter – Anführer (pobratš)
- Beim Zampern des Vereins „Rubisko“ in Lübbenau vertritt der Hochzeitsbitter den Jugendältesten. Da das Zampern früher ausschließlich ein Brauch der Jugend war, führte der Jugendälteste auch den Brauch an. Er eröffnete auch die Jugendfastnacht mit einer kleinen Ansprache und trug den geschmückten Besen oder „Halbmond“ vor dem Zapustumzug.
- Ähnlich dem Jugendältesten geht in Lübbenau der Hochzeitsbitter mit einem geschmückten Stab vorweg und führt den Zamperzug an. Er klopft an die Haustüren und empfängt die Hausbewohner an ihren Eingangstüren. Auch fordert er die Kapelle zum Spielen auf und organisiert den Weg durch die Stadt.
- Der Hochzeitsbitter des Vereins ist wie ein historischer Brautbitter gekleidet. Er trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und einen Zylinder. Am Hut trägt er das traditionelle Fastnachtssträußchen. Schräg um die Schulter zieren ihn bunte Rockbänder.
Schimmelreiter
- Einst ritt ein Bursche einen Schimmel, dabei trug er den Pelzmantel andersherum (Aufbruch in eine neue andere Zeit?)
- Heute, in Zeiten allgemeinen Pferdemangels und mangels Reiter, bastelt man ein pferdeähnliches Gestell und hängt es einem Burschen um den Leib. Geschickte Bastler beachten die Proportionen der Beine, sodass die menschlichen Beine in die Pferdefigur eingepasst werden. Der Reiter trägt am Hut einen Fastnachtsstrauß.
- Der Schimmel (weiß wie Schnee) reitet davon und symbolisiert den Frühling und die Brautwerbung.
Storch
- Der Storch gilt als Frühlingsbote schlechthin
- Im Volksglauben der Sorben/Wenden war er als Schutzzeichen vor Feuer bekannt. Wenn auf einem Wohnhaus der Storch nistete, so ist das Haus vor Feuer und Blitzschlag geschützt.
- Im Fastnachtsbrauchtum der Niederlausitz wurde der Storch im Kostüm eines weißen Kleides mit angenähten Gänsefedern verkörpert. Dazu wurde ein roter Pappschnabel ins Gesicht gesetzt und rote Strümpfe getragen.
Doppelte Person, auch Zweigesicht genannt
- Die doppelte Person ist eine universelle Gegensatzfigur. Sie verkörpert Tod und Leben, Böses und Gutes bzw. Mann und Frau.
- Das Kostüm besteht aus einer abstehenden Puppe aus Stroh, die schräg nach hinten vom Oberkörper des Kostümierten absteht. Am Rockzipfel hängen lose Beine, in Strumpfhosen verpackt, herunter.
- Beim Verein Rubiško verkleidet sich eine männliche Person als Frau mit Brüsten. Er trägt am Hinterkopf die Larve eines Mannes, sodass beide Personen ineinanderfließen. Die Frau trägt vorn die Schürze, der Mann hat hinten die Hosen an.
- In alten Beschreibungen sagt man zur doppelten Person auch „der Tote trägt den Lebenden“ – ein Synonym für den ewigen Lebenskreis.
Eierweib, auch Eiermuhme oder Eierfrau
- Das Eierweib ist meist ein Mann in wendischer Tracht mit Alltagsrock, einer Blaudruckschürze, Bluse und Haube. Auf dem Rücken schleppt der Mann den Eierkober, eine traditionelle Kiepe, die mit Stroh ausgelegt ist. Hier hinein kommen die eingezamperten Eier. Heute werden sie meist in typischer Eierverpackung gereicht.
Wurstbrüder
- Die Wurstbrüder sind meist rüstige Frauen, die sich als Männer verkleiden. Sie tragen Arbeitssachen für den Winter und einen Hut. Wahrzeichen der Wurstbrüder ist die Heugabel mit aufgespickten Würsten oder Speckstücken. Diese dienen als erste Wegzehr während des Zamperns und werden je nach Schenkungen von Wurst und Speck wieder ergänzt.
Erbsbär
- Der Erbsbär symbolisiert den Winter. Er konnte auch von einem Bärenführer begleitet werden.
- Er trägt auf dem Kopf eine aus Stroh geflochtene Krone, um den Leib wärmt ihn ein umgedrehter Pelz, der mit einem Seil zusammengehalten wurde. Früher war das Gesicht vollständig mit Stroh bedeckt oder mit Ruß beschmiert.
Aktueller Vereinsvorstand:
Andrea Pursche (Vorsitzende)
Simone Didoff (Finanzen)
Petra Kriwat ( stellv. Vorsitzende)
Cornelia Harms (Schriftführerin)
Konrad Wachsmuth (erweiterter Vorstand)
Peter Becker, 01.02.2023 – Fotos -wenn nicht anders gekennzeichnet- stammen vom Autor des Beitrags sowie vom Verein und der Lübbenauer Pressestelle
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