Ostern ist in der gesamten Lausitz und besonders im Spreewald ein tief verwurzeltes Fest. Es steht neben der Christi-Auferstehung auch für das Wiedererwachen der Natur, die den Menschen, besonders im winterlichen Spreewald, den nicht immer leichten Alltag diktierte. Mit den Lebenssymbolen Feuer, Wasser und Ei sind zahlreiche Rituale verknüpft.
Das in vielen Orten beliebte Osterfeuer verleiht der Winteraustreibung besonders viel Ausdruckskraft. Je höher das Feuer, je weiter die Reichweite des Feuerscheins, desto fruchtbarer das Land im kommenden Jahr, so der alte Glaube.
Jedes Spreewalddorf, jedes Kirchspiel und jede Lausitzer Region pflegte dabei oft eigene altüberkommene Rituale. Überall üblich war aber die Ostereierverzierung, egal ob durch die aufwändige Wachstechnik oder eben nur durch Einfärben. „Wir haben sie ganz einfach in Zwiebelschalen gekocht, damit sie braun wurden, andere kamen in einen Topf mit viel frischen Roggenpflanzen, da wurden die Eier schön grün“, erinnert sich die Leiperin Anna Jedro. In Raddusch dagegen wurde die Wachsmaltechnik mittels Federkiel gepflegt, weiß die dortige Chronik zu berichten. Auch in Lübben war das so: „Wir haben das sogar in der Schule gelernt“, erinnert sich Erika Haschenz. Schließlich sollten die mit viel Liebe und Hingabe gestalteten Eier nicht nur später mal für die eigenen Kinder versteckt, sondern auch an die meist zahlreichen Patenkindern verschenkt werden. Fast überall im Spreewald war es Brauch, dass am Ostersonntag die Kinder zu ihren Paten gingen und sich dort drei Ostereier und andere Geschenke abholten. „Wir nannten das ‚Pingel holen’. Dazu wurde Vaters größtes Taschentuch über Kreuz gebunden, so dass ein Behältnis entstand, welches die Paten füllen ‚durften’“, weiß Erika Haschenz zu berichten.
Mancherorts, besonders im Burger Raum, gab es dann auch noch die Patensemmel oder die Ostersemmel, wie sie noch heute zur Osterzeit von einer dortigen Bäckerei gebacken wird. Die Burger Ostersemmel stellt ein Palmblatt dar, anderenorts ist sie zopfartig in drei Strängen geflochten, die Heilige Dreieinigkeit symbolisierend. Der Burger Gerhard Steffen weiß sich noch gut zu erinnern: „Die Semmel sollte möglichst groß sein; sie schmeckte auch trocken sehr gut, schließlich waren wir ja ohnehin nicht verwöhnt.“ In Leipe hieß die Semmel Stolle, erinnert sich Anna Jedro: „Auch wir gingen zu den Paten, manche wohnten in Lübbenau. Wir Kinder sind dann mit dem Kahn ganz allein dorthin gefahren und es hat sich auch gelohnt. Neben der Stolle, gab es natürlich die drei Eier und oft auch Süßigkeiten, gestrickte Socken und andere nützliche Sachen.“
Einen breiten Raum in den österlichen Traditionen nahm in zahlreichen Spreewaldorten das Osterwasserholen ein. Die Leiperin Anna Jedro: „Unsere Mutter fuhr genau um Mitternacht mit dem Kahn in den Leiper Graben und holte mit einem bunt emaillierten Eimer Wasser mitten aus der Strömung, an der tiefsten Stelle. Damit wuschen wir Kinder uns am Ostersonntagmorgen.“ Auch im Nachbardorf Lehde fuhr man um Mitternacht mit dem Kahn, schöpfte aber das Wasser aus Fließkreuzungen, „denn nur dort hatte es die nachgesagte heilende Wirkung“, erinnert sich Erich Schier. In Raddusch achtete man darauf, dass das Wasser in Richtung Osten floss, in Burg musste es aus einem gegenläufigen Fließ stammen. Günter Gollasch weiß noch, dass seine vier Schwestern sich ebenfalls nachts zum Osterwasserholen in die Nähe der Burger Mühle aufmachten und er sie gern mit anderen Jungens dabei stören wollte, was damals durchaus üblich war: „Wenn die Mädels geredet oder gelacht hätten, wäre es ‚Plapperwasser’ geworden, denn der Brauch verlangte ein Wasserholen unter Stillschweigen. Wir jungen Leute haben uns so jedes Jahr einen Spaß daraus gemacht.“ Marga Morgenstern hat diesen ‚Spaß’ am eignen Leibe erfahren: „Hätt’ ich das Wasser unversehrt nach Hause bringen können, so hätte es mir ewige Jugend und Schönheit gebracht, so aber musste ich doch alt werden“, blickt sie milde lächelnd auf diese Zeit zurück. Mit dem Wasser wurden mancherorts auch das Vieh und die jungen Pflanzensetzlinge bespritzt, manchmal sogar mit kleinen Holunderspritzen heimlich auch andere Menschen, denen man wohl gesonnen war und alles Gute wünschte.
Weit verbreitet war auch das Ostersingen in der Nacht von Sonnabend zu Sonntag. In der letzten Spinnte hatten die Mädchen ihre Lieder unter Anleitung einer Kantorka, einer Liedgutbewahrerin, eingeübt und trugen sie nun erstmals öffentlich vor, meist vor den Häusern den Spinnteteilnehmerinnen. Dort gab es etwas zu essen und zu trinken, so wie es in Raddusch bis in die fünfziger Jahre Brauch war. Noch bis in die sechziger Jahre wurde dieser Brauch in der Gegend um Kunnersdorf gepflegt. Marlene Jedro kann sich noch gut an diese Zeit erinnern: „In der Passionszeit haben wir jeden Sonntagabend und am Ostersonntagmorgen ganz in der früh unsere Lieder gesungen.“ Mit Fug und Recht kann somit gesagt werden, dass die Spinntestuben die „Singeschulen“ der wendischen/sorbischen Dörfer waren. In der Woche vor Ostern musste es allerdings sehr leise zugehen, es durfte nicht gelärmt werden und jeder sollte in sich selbst die Ruhe suchen, auch die Kinder durften nur ganz leise spielen.
Aus dem Glauben heraus, dass das Fruchtbarkeitssymbol Ei über möglichst weite Flächen rollen sollte, um diese für die kommende Ernte zu weihen, entwickelte sich das Walleien. In der für Kinder im Laufe der Zeit abgewandelten Form wurden Eier einen meist künstlichen Hang hinab gekullert. Wer dabei ein am Auslauf liegendes Ei traf, hatte gewonnen und durfte sich das Ei oder einen anderen Preis behalten.
Mundart-Gedicht (Auszug) von E.F. Reinhold Broske (1881-1956) zum Pingel holen:
Nu, wu helle Osterglocken,
laut durch unse Schpreewald locken,
holen alle kleene Schlingel,
von den Poaten ihre Pingel…
Iberalle Kinderfreede
Schtroaße lang, bis an die Heede…
Peter Becker, ersch. LR 09.04.09
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