Update: 2022 erschien mein Buch über die Gaststätte:
„Wotschofska“: Schon allein der Name weckt Interesse und Neugier. Hinzu kommt die einzigartige Lage im tiefsten Spreewald. Zudem geschichtsträchtig, scheint die Gaststätte von einem Mythos umgeben zu sein.
Blick ins Buch:
In Kriegszeiten fanden die Lübbenauer hier Zuflucht und Schutz. Überliefert sind Gottesdienste unter der riesigen Eiche zu Zeiten des 30-jährigen Krieges. Sogar Martin Luther soll auf einer seiner Wanderpredigten dort Gottesdienst abgehalten haben [25]. Der Lübbenauer Chronist Paul Fahlisch: „Eine große mächtige Eiche neben der Wotschofska war der hochgewölbte, freie Waldesdom, der die Stelle der Kirche vertrat. Im Schatten dieser Eiche und unter dem melancholischen Rauschen ihrer Blätter haben unsere Eltern das heilige Abendmahl und viele von ihnen die Taufe empfangen.“ [16] Zuletzt flüchteten im Frühjahr 1945 die Lübbenauer mit ihren Kähnen und den Hausrat darin zur Wotschofska. Ein übereifriger Nazi soll hier sogar im Biergarten Schützengräben ausgehoben haben lassen, wie Zeitzeugen berichten. [23] Wotschofska – dieser Name war den Nationalsozialisten wegen seiner slawischen Herkunft suspekt. Sie verfügten daher 1935 eine Umbenennung in Spreewaldhof. Erst Anfang der 50iger Jahre erfolgte die Rückbenennung in Wotschofska.
In “Wotschofska” steckt das niedersorbisch-wendische “wotšow” = Insel (wörtlich: umflossenes Land) Über die Baumart, die auf der Insel wächst, lässt sich aus dem Namen Wotschofska nicht rückschließen, wie allgemein vermutet und auch öffentlich verbreitet wird. Eine „Erleninsel“ mag es wohl heute sein, aber überliefert ist ein uralter Eichenbestand, der damals sicher den Namen geprägt hätte. “Wotschofska” ist hier attributiv verwendet, d.h. die Inselige, das Gebäude auf der Insel, die Insel-(Gaststätte). [24]
Das heutige Ausflugslokal liegt auf Lübbenauer Gebiet und ist Eigentum der Stadt. Das Bürgertum hat sich in jahrhundertelangen Streitigkeiten mit der Grafschaft Lynar das Gelände, den Bürgerwald, wie er genannt wird, erstritten. In einem ausgehandelten Vergleich von 1772 heißt es: „Mit diesem Rezess erkannte die Bürgerschaft dem Schlossherrn das Eigentumsrecht des Bürgerwaldes zu, dieser aber der Stadt das Nutzungsrecht.“ Für die 2500 Morgen Land musste die Stadt 24 000 Mark an den Grafen zahlen. Dies hielt ihn dennoch nicht davon ab, dort ein Jagdgehege mit Vorwerk zu errichten, was erneute Proteste der Bürgerschaft nach sich zog. [13, 16, 25]
Das Vorwerk entwickelt sich zum Jagdhaus, in dem die Lübbenauer Standesgesellschaft regelmäßig speiste und Feste abhielt. Der Reiseschriftsteller Bernoulli war 1781 Zeuge und hielt dies in seinen Notizen fest. Später mag der Bewirtungszweig ein wenig zurückgegangen sein, denn keine Geringere als Bettina von Armin musste sich 1833 ihr Essen im Jagdhaus selbst zubereiten, wie sie klagend an Graf Hermann von Pückler-Muskau schrieb. [3]
Um 1840 existieren zwei Wohngebäude für die Bediensteten des Grafen. Eine der Forderungen der Stadt aus der Revolution von 1848 an den Grafen, war die vollständige Übergabe des Bürgerwaldes an die Stadt Lübbenau, die über 70 Jahre nur das Nutzungsrecht hatte. Nur widerwillig gab die Grafschaft 1852 nach, nicht ohne den gewachsenen Wald noch für sich zu beanspruchen. In der Folge wurden über 500 Eichen gefällt. Die Insel dürfte danach kaum noch über einen nennenswerten Baumbestand verfügt haben. Auch die Gotteseiche fiel der Aktion zum Opfer. Zehn Jahre später fasst die Stadt den Entschluss zur Wiederaufforstung. Einige der heute dort noch vorhanden mächtigen Bäume dürften aus dieser Zeit stammen. Ein Brand vernichtete 1875 Jagdhaus und das inzwischen errichtete Forsthaus. Ein Neubau im heute bekannten und damals beliebten Schweizer Stil wurde 1894 von der Lübbenauer Baufirma Trüstedt als Gaststätte errichtet und am 15. April von Bürgermeister Klepsch eingeweiht. Als von Anfang städtisches Haus bekommt es natürlich die Rufnummer 1 bei den um die Jahrhundertwende eingerichteten Telefonanschlüssen[1]. Der Bau reichte bald nicht mehr aus, die immer zahlreicher ankommenden Tagesausflügler zu bewirten. An-, Um- und Erweiterungsbauten folgten 1902. In den Neuesten Vetschauer Nachrichten vom 13. Mai des gleichen Jahres ist zu lesen: „Das Etablissement macht einen stattlichen Eindruck und gleicht einem im Walde verborgenen Schloss. … Besonders gefallen die Balkone – das Werk ehrt seinen Meister.“ Erneut lässt die Stadt 1910 aufforsten. Der Baumbestand von heute dürfte auf diese Bepflanzungen zurückzuführen sein. Von Lübbenau aus erhält die Gaststätte 1925 eine Stromleitung. Damit bricht dort schon rechtzeitig das neue technisierte Zeitalter an, viel früher als in mancher anderen Gaststätte, wie etwa der Pohlenzschänke, die erst in den Fünfzigern Stromanschluss erhielt. Eine Trinkwasserleitung wird allerdings erst 1975 aus Richtung Lehde gelegt. Der große Saal wurde 1930 von der Firma Perka errichtet. Er bietet Platz für 1000 Gäste.
Eine Ausflugsgaststätte in exponierter Lage, wie es die Wotschofska war und ist, weckt Begehrlichkeiten. Der einmalige Standort und die Erreichbarkeit praktisch nur per Kahn, zog Touristen wie Einheimische an. Die Stadt als Eigentümer konnte sich aus den zahlreichen Bewerbungen potenzieller Pächter die geeignetsten aussuchen. Das Ehepaar Hermann und Elisabeth Göbel aus Königswusterhausen gehörte nach Karl Belaschk zu den ersten Pächtern des Ausflugslokals. Für 6850 Mark Jahrespacht, die im Voraus fällig war, bekamen sie 1909 den Zuschlag für fünf Jahre. Dies war sicher ein hoher Preis, aber es muss sich dennoch gelohnt haben. Die Göbels boten der Stadt freiwillig noch 500 Reichsmark jährlich zusätzlich an, wenn ihr Vertrag um weitere drei Jahre verlängert wird. Offensichtlich war den Stadtvätern das Angebot nicht ausreichend, denn der nächste Pächter hieß Friedrich Mockwitz. Der Breslauer musste bereits 7500 Mark Pacht[2] aufbringen. Der 1911 von den Stadtvätern errichtete Fußweg zur Wotschofska brachte neben den Kahnfahrgästen nun auch noch die Wanderer zur Ausflugsgaststätte und sorgte so für reichlich sprudelnde Einnahmen.
Neben der Pacht kassierte die Stadt Steuern, auch ließen die Ausflügler nicht wenig Geld auch an anderen Orten Lübbenaus. Den Stadtvätern gingen die Ideen zur Einahmeerhöhung offensichtlich nicht aus. Dem Wotschofskapächter wurden beispielsweise sämtliche Verkaufspreise vorgegeben, um daran letztlich mitzuverdienen. Ein Glas Bier kostete 1914 beispielsweise 15 Pfennig, eine Tasse Kaffee „ohne Zusatz von Surogaten“ 25 Pfennig und ein Glas Tee 30 Pfennig. Ein belegtes Butterbrot kostete 40 Pfennig. Die Stadt kassierte auch bei jeder Kahnfahrt und hielt auf den immer größer werdenden Parkplätzen die Hand auf. Der zunehmende Autoverkehr brachte die ohnehin etwas Betuchteren in die Stadt. Die Idee, 1911 einen Fußweg zur Wotschofska zu errichten, ermöglichte auch bei widrigen Wetterbedingungen den Zugang. Wenn der Kahn nicht mehr und der Eisschlitten noch nicht fahren konnte, war die Insel bisher praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Im Ausnahmewinter 1929 schafften es Autofahrer, auf den zugefrorenen Fließen bis zur Wotschofska zu fahren und im Biergarten zu parken! Der Wegebau brachte neues Geld ins Stadtsäckel: Die Gaststättenpächter der Wotschofska mussten anfangs jährlich 400 EUR Zuschlag als „Wegegeld“ entrichten.
Einen wahren touristischen Boom erlebte das Ausflugslokal in den DDR-Jahren. Mangels Alternativen reisten viele Bürger, meist in Familie oder mit den Arbeitskollektiven, in den Spreewald. Es gab viel Arbeit für das Personal, alle Waren mussten mit dem Kahn herangeschafft und ausgeladen werden. Regelmäßig kam der Bierkahn, Kohle und Baustoffe kamen ebenfalls über den Wasserweg. Nicht zu vergessen ist der Umstand, dass auch das Personal weite Wege zur und manchmal spätabends von der Arbeit hatte – bei jedem Wetter. Ilse Hartrampf (verh. Müller), hat um 1953/54 als Saisonhilfe in der Gaststätte gearbeitet: „Fast jedes Wochenende kam ein Sonderzug der Wismut-AG, etwa 1000 Ausflügler kamen dann mit dem Kahn zur Wotschofska und mussten versorgt werden.“ Viel Lob hatte sie für Chef Ernst Kirchner übrig: „Er war ein ganz Netter, er half wo er konnte. Den Kuchen buk er selbst, mit dem Personal ging er sehr liebevoll um.“
Für die Fährleute und Fährgäste war das nahe Ziel Wotschofska eine Zeit lang auch akustisch wahrnehmbar. „Eine Pfauenzucht in den Fünfzigern und Sechzigern signalisierte, dass wir es nicht mehr weit hatten. Meist riefen die Tiere schon aus großer Entfernung, nur ganz wenige Fahrgäste erkannten sie richtig. Manchen war es nicht ganz geheuer, was aus der Tiefe des Spreewaldes zu ihnen drang“, erinnert sich Fährmann Arwed Franke.
Eine Landverbindung entsteht
Es mag für heutige Verhältnisse mit sehr langen Vorlauf- und Planungszeiten etwas überraschend sein, dass das Wegeprojekt nicht einmal ein Jahr dauerte – von der Beschlussfassung im November 1910 durch die Stadtverordneten über den ersten Spatenstich am 4. Februar 1911 bis zur Inbetriebnahme am 17. September des gleichen Jahres. Eine Klärung der Eigentumsverhältnisse, Bürgerbeteiligung, Umweltgutachten … dies alles schien damals nicht sonderlich notwendig und wichtig gewesen zu sein. Der Plan, eine Landverbindung zu schaffen, stieß bei einigen Lübbenauern und besonders bei den Gastwirten und Fährleuten dennoch nicht auf große Zustimmung, da sie Einnahmeverluste zugunsten der Wotschofskagaststätte fürchteten. Vier Wochen vor der Eröffnung lehnte das Königliche Meliorationsbauamt seine Zustimmung ab, weil der Weg eine Aufstauung bei Hochwasser nach sich ziehen würde. Ursächlich soll der Landwirt Bitzker aus Leipe am 10. August 1911 beim Landesgericht Frankfurt/Oder gegen den Bau dieses Weges geklagt und einen sofortigen Baustopp gefordert haben. Dieser Bescheid muss aber wohl nach einem Vororttermin umgeändert worden sein, denn der Bau ging ohne nennenswerte Unterbrechungen weiter. Lediglich ein paar zusätzliche Wasserdurchlässe wurden eingebaut. Interessanterweise richtete 1915, das erste große Hochwasser nach dem Bau, nur geringen Schaden an Weg und Umgebung an.
Insgesamt 15 Brücken verteilen sich auf dem drei Kilometer langen Weg von Lübbenau entlang der damaligen Badeanstalt zur Wotschofska. An seinem Rand wurden 2 000 Birken, 4 000 Erlen, 1 000 Ebereschen und 100 000 Korbweidenstecklinge zur Uferbefestigung gepflanzt. In Vorbereitung des Wegebaus hatte die Stadt ein Kredit in Höhe von 10 000 Mark gewährt. Als eine Maßnahme zur Refinanzierung der Baukosten war, neben der Pachterhöhung, der Weidenrutenverkauf vorgesehen. Der Bedarf an Körben war in der Gurken- und Gemüsestadt besonders hoch, Korbflechter waren stets auf der Suche nach gutem Material. Der extrem trockene Sommer des Jahres 1911 kam dem Wegebau sehr entgegen und verkürzte die Baudauer erheblich. Zwei Tage vor der Eröffnung wurden die „nachbenannten Herren mit ihren Damen“ vom Bürgermeister zur Besichtigung eingeladen. Freitagnachmittag, um drei Uhr, setzten sie sich bei Janks in der Spreestraße in Bewegung und nahmen gleichzeitig den Weg ab. Am nachfolgenden Sonntag erfolgte dann die offizielle Übergabe durch Bürgermeister Weidner. Wie wichtig der Weg bald sein wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass mit Beginn des ersten Weltkrieges viele Fährmänner einberufen wurden. Frauen und ältere Kinder versuchten die Fährmänner halbwegs zu ersetzen, dennoch mussten mangels Kähnen die Ausflügler oft den Fußweg zur Wotschofska wählen.
Die Pächter
Wie schon oben erwähnt, gab es bei der gut florierenden Gaststätte keinem sonderlich großen Problem für die Stadt, geeignete Pächter zu finden. Bewerber wurden geprüft, Führungszeugnisse eingeholt, wie das Beispiel des Breslauers Mockwitz[3] aus dem Jahr 1914 zeigt. Die Stadt Lübbenau wollte von der Stadt Breslau wissen, ob der Bewerber 20 000 Mark auf dem Konto hat und ob ihm eine „tüchtige geschäftsfähige und freundliche und in der Küche erfahrene Frau zur Seite steht“. Alle diese sicher wohlgemeinten Bemühungen sind letztlich nichts wert, wenn dann ein Krieg neue Tatsachen schafft. Friedrich Mockwitz wurde, kurz nachdem er die Gaststätte übernommen hatte, zum Militärdienst gerufen. Seine Frau, weitgehend auf sich allein gestellt, blieb zurück. Pfingsten 1915 ist sie mit dem Besucheransturm überfordert, wie eine Notiz im Lübbenauer Nachrichtblatt bestätigt. Gleichzeitig wird an das patriotische Verständnis appelliert und Nachsicht eingefordert. An den drei Pfingsttagen sollen 18 000 Besucher von Lübbenau aus den Spreewald erkundet haben. [25]
Alle Pächter in der weit über 100-jährigen Gaststättengeschichte sind kaum noch in Erfahrung zu bringen. Oft ist es nur der Schriftverkehr, der ein wenig Aufschluss gibt, auch helfen ein wenig die Werbeanzeigen und die Wotschofska-Ansichtskarten. Deshalb können die Pächter nur fragmentarisch und ohne nähere Überprüfung genannt werden:
- Auf einer Ansichtskarte ist 1901 und 1905 als Inhaber Carl Belaschk ausgewiesen, er wirbt er mit dem größten und modernsten Etablissement im Spreewald.
- Hermann und Elisabeth Göbel pachten am 01.04.1909 die Gaststätte für fünf Jahre.
- Friedrich Mockwitz (Breslau) übernimmt 1914 mit seiner Ehefrau die Gaststätte, einer Verlängerung wird 1919 auf weitere drei Jahre zugestimmt.
- Franz und Hedwig Hoefs übernehmen die Gaststätte 1925
- Hedwig Hoefs erhält 1935 die Prokura, die alleinige Handlungsvollmacht
- Im September 1940 übergibt Franz Hoefs an seinen Neffen Hans Hoefs (sicher mit Zustimmung der Stadt) die Gaststätte
- Marie Sixl, die Witwe von Hans Hoefs führt die Gaststätte von 1943 bis 1947, zuletzt unter dem Namen Schrödter. Danach geriet die Gaststätte unter HO[4]-Verwaltung, dann unter die der Treuhand. Erst 1995 erfolgte die Rückübertragung an den ursprünglichen Eigentümer, die Stadt Lübbenau.
Unter der HO-Verwaltung wurden zahlreiche bautechnische Verbesserungen vorgenommen: das Dach wurde neu gedeckt, ein Fischerzimmer eingerichtet und vor allen Dingen die marode Wasserleitung ersetzt. Diese führte bisher aus Lehde und wurde nun von Radensdorf aus neu gelegt. Große Teile der Strecke wurden mit Technik und Personal der Sowjetarmee realisiert.
In den DDR-Jahren tauchen zahlreiche Namen auf, die von einem häufigen Wechsel zeugen. Daran mag auch die komplizierte Versorgungssituation eine Mitschuld haben, die bei vielen HO-Gaststättenleitern vorzeitig zur Aufgabe führte. Alles musste rechtzeitig geplant und per Kahn herangeschafft werden. Morgens fuhr das Personal mit dem Kahn, der Ware und frischer Wäsche von Lehde aus zur Gaststätte, abends ging es mit Leergut, schmutziger Wäsche und dem müden Personal wieder zurück. Helmut Möller, damals für die HO-Gaststätten zuständig, erinnert sich: „Vor jeder Saison wurde dafür Sorge getragen, dass die Gaststätten genügend Vorräte anlegen konnten. Sie wurden bevorzugt beliefert, denn die Versorgung der Spreewaldbesucher war auch eine politische Aufgabe.“ Etwas fehlte dennoch immer, der Nachschub fiel aus oder das Personal reichte nicht, den Ansturm der manchmal Tausende Besucher zu bewältigen. In der Saison wurden zusätzlich polnische Arbeitskräfte angestellt, die in der Wotschofska wohnten. Auch die jährlichen Sommerlager der Schuljugendlichen für Erholung und Arbeit dienten letztlich dem Zweck, Arbeitsspitzen abzubauen. Zudem gab es oft technische Probleme, die sich meist nur mit viel Zeitaufwand beseitigen ließen. Neben fehlendem Material spielte auch der lange Anfahrtsweg mit dem Kahn oder dem Fahrrad eine große Rolle. Die Straßenanbindung an Burg und Lübben ermöglicht inzwischen auch den Lkw-Verkehr, doch die Straßen sind schmal und holprig. Zulieferer meiden oft diese Wege, weil sie zu zeitraubend sind. Die Gasflaschen für die Küche bringt das Personal deshalb lieber auf dem Fahrrad mit – trotz der vielen Brücken, über die das Fahrrad der Stufen wegen getragen werden muss. Fährmann Heinz Schwerdtner in seinen Erinnerungen: „Kam ein Sturm, dann konnte es in der Wotschofska ziemlich ungemütlich werden. Äste in der Oberleitung ließen das Telefon ausfallen, und es dauerte immer eine halbe Ewigkeit, bis die Post das wieder in Ordnung brachte. Aber noch mehr Ärger hatte der Wirt mit der Energieversorgung. Am Strommast nahe dem Gasthaus war ein Trafo angebracht, der aber offenbar nicht wetterfest genug war. Kamen Sturm und Regen, dann lieferte der nur die Hälfte des nötigen Stroms. Nach vielen Protesten schließlich kamen Monteure.“ „Wer arbeitet, der soll auch essen und trinken!“ – nach diesem Motto kam vor der Arbeit und nach der beschwerlichen Anreise in die Tiefen des Spreewaldes erst einmal das „flüssige Brot“ für die Monteure. Die staunten aber nicht schlecht, als ihnen der pfiffige Wirt mit verschmitztem Lächeln jeweils ein nur halb gefülltes Bierglas vor die Nasen stellte. „Halber Strom – halbes Bier“, so die knappe Antwort.
Vor besonderen Herausforderungen stand die Gaststätte bei protokollarischen Besuchen von hochrangigen Staatsgästen. Diese wurden aus Sicherheitsgründen quasi über Nacht angekündigt. „Paradoxerweise erfuhren wir aus der Presse von diesen Besuchen: Kaum in Berlin gelandet, waren sie am nächsten Tag im Spreewald – wir wussten nur nicht, welcher Gaststätte sie einen Besuch abstatten würden“, erinnert sich Helmut Möller. Diese Information kam kurzfristig: Schnell musste Personal abgestellt, Waren umdisponiert und vor allen Dingen Platzkapazität geschaffen werden. In der Hochsaison mit ständig überfüllten Gaststätten war das eine der größten Herausforderungen. Einige der Protokollgaststätten durften damals deshalb nicht Reisegruppen im Inneren des Hauses unterbringen, lediglich auf der Terrasse oder im Biergarten. Kam Staatsbesuch, wurde kurzfristig das Restaurant geschlossen. Eine der größten Herausforderungen war in dem Zusammenhang der Botschafterbesuch 1988. Nahezu alle in der DDR akkreditierten Diplomaten fanden sich auf der Wotschofska ein und ließen sich mit allem bewirten, was damals knapp und teuer war. Helmut Möller: „Einmal hatten wir gerade im Biergarten eingedeckt, da machte ein kurzer Regenschauer kurz vor der Ankunft die gesamte Dekoration nass. Flugs wurde das Geschirr abgetrocknet und die Tischdecken gleich auf dem Tische trockengebügelt. Fast minutengenau mit dem Eintreffen der Staatsgäste waren wir fertig geworden.“
Der Lübbenauer Fährmann Arwed Franke erinnert sich an die Gaststättenleiter Erhard Lindner, Kirchner, Helmut Lehmann (1961 – 1968), Döhring, Erich Koch, Erhard und Käte Weise, Wolfgang Schorten (1982 – 1984), Heinz Siebert, Steffen Richter. Seit der Wende führt Gisela Atte die Gaststätte, sie dürfte damit die Pächterin mit der längsten Vertragsdauer sein. Sie übernahm aus den Händen der HO – vermittelt und initiiert durch die Treuhandanstalt- das gesamte Mobiliar und die Gerätschaften. Die sich in Abwicklung befindliche Handelsorganisation hatte zur Übergabe an die Alteigentümer eine eigens dafür zuständige Arbeitsgruppe gebildet. Exakt wurde der Bestand bis ins Detail in Listen erfasst und an die neuen Besitzer übergeben. Da die Stadt Lübbenau erst 1995 als Besitzer in Erscheinung trat, führte Gisela Atte vorerst im Auftrag der Treuhand die Geschäfte.
Immer wieder, besonders im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung, tauchen Hinweise, alte Fotos oder auch Sammlerstücke auf, wie dieser Teller:
Peter Becker, überarbeitet Januar 2017, August 2022, Juli 2023
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