Was ist eigentlich ein Spreewaldhaus? Auf dem ersten Blick sieht der Betrachter ein mit Reet gedecktes Blockbohlenhaus, dunkel angestrichen. Auf den zweiten Blick erkennt er die rechteckige Grundform, vielleicht sieht er auch die Findlinge, auf denen das Haus ruht oder die mittig auf der Längsseite vorhandene verzierte Eingangstür. „Beim dritten Blick wird es schon differenzierter, denn bis ins Detail lässt sich ein Spreewaldhaus gar nicht genau erklären. Da müsste auch die Zeitepoche und die engere Umgebung einbezogen werden“, meint Falk Hitzer. Er ist der Fachmann für solche Häuser, von denen er schon über 30 wieder rekonstruiert oder gar neu errichtet hat. Der Burger Unternehmer hat die Bauweise der Wenden, der ersten Erbauer dieser Häuser, genauestens studiert und ist von deren Leistungen immer wieder neu beeindruckt. „Sie waren vorzügliche Baumeister, die es verstanden haben, die natürlichen Gegebenheiten umfassend einzubeziehen.“
Vor dem eigentlichen Bau kam eine langfristige Beobachtung eines Bauplatzes. Im Überschwemmungsgebiet des Spreewaldes gab und gibt es auch immer wieder Sander, leichte Erhöhungen, die aber wegen des vorherrschenden Wildwuchses nicht immer zu erkennen waren. Hier drang das Wasser nur selten vor. Zogen an solchen Stellen Schlangen und Echsen ihre Brut auf, eignete sich dieser Ort durchaus auch als Bauplatz für den Menschen. Nach der Einebnung und oft auch erst nach Schaffung einer Anlegestelle für den Kahn, wurden vom Spreewaldrandgebiet her Findlinge in mühevollster Arbeit geholt, um die Grundschwelle, die unterste Balkenlage, darauf zu errichten. Je größer die Steine, desto höher das Haus über Grund, desto geringer die Gefahr des Eindringens von Wasser. Ansonsten kam es auf die Materialverwendung vor Ort an, um die im Spreewald sehr schwierigen Transportverhältnisse zu umgehen. Die oft gleich am Bauplatz gefällten Erlen wurden Material sparend zugesägt. Je nach Stammdicke entstanden dann unterschiedlich große rechteckige Balken, die über Eck zusammengefügt wurden. Damit ist auch ein wesentliches Merkmal der Spreewaldhäuser genannt, denn sie bestehen aus Laubholz und nicht aus dem witterungsbeständigerem Nadelholz wie überall in Europa. Dieses Holz musste natürlich vor Verfall gründlich geschützt werden. Hier kam den Spreewäldern der Flachs zu Hilfe, der damals überall angebaut wurde. Das daraus gewonnene Leinöl wurde gekocht und vergällt. Der so gewonnene Firnis, dem noch Kienteer zugesetzt wurde, eignet sich bestens als Holzkonservierungsmittel und verleiht den Häusern die typisch dunkle Farbe. Die Balkenzwischenräume wurden, wie auch in der Seefahrt üblich, kalfatert. Schafwolle und Hanf wurden in die Lücken verpresst und mit Lehm vor Vögeln geschützt, die sich sonst gern dieses Nistmaterials bedient hätten. Feinde eines jeden Holzes sind Insekten, besonders die Ameisen. Diese hatten die Spreewälder auf nahezu geniale Weise vom Haus fernhalten können. Um das Haus herum legten sie einen breiten Streifen aus feinstem Sand an. Der Ameisenlöwe – übrigens NABU-Insekt des Jahres 2010-legt darin Trichter an, in die die Schadinsekten bei ihrem Anmarsch auf das Haus rutschen und sofort von ihm in den Boden gezogen werden.
„Ein Spreewaldhaus ist also mehr als nur ein Abbild eines Hauses nach dem ersten Blick. Es ist eine Philosophie, die bereits mit der Wahl des Bauplatzes beginnt und nie endet. Ein solches Haus lebt über Jahrhunderte und bedarf Hinwendung und Aufmerksamkeit. Der Lohn ist ein gesundes natürliches Wohnen.“ Falk Hitzer ist nicht nur Hausbauer, er ist ein Betrachter und Beobachter, der an den Bau eines solchen Hauses mit dem Blickwinkel eines wendischen Baumeisters an die Erfüllung der Aufgabe geht. Das versteht er unter traditionellem Bauen.
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