Mit der Bahn in den Kahn bald wieder möglich – in Raddusch halten ab Fahrplanwechsel wieder stündlich die Züge

Vor sieben Jahren, fast auf den Tag genau, wurde verkündet, dass die Bahnhalte in Raddusch, Kunersdorf und Kolkwitz zum nächsten Fahrplanwechsel wegfallen und ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wird. Diese Nachricht war für Pendler und Touristiker niederschmetternd, schließlich mussten viel gewohnte Abläufe angepasst werden. Besonders im touristischen Bereich gab es viele Einschränkungen: Schulklassen konnten nicht mehr so einfach mit der Bahn zur Slawenburg gelangen, Spreewaldbesucher überlegten, ob es nicht dann doch besser wäre, gleich in Lübbenau zu bleiben, als die umständliche Umsteigeprozedur für die Hin- und Rückfahrt in Anspruch zu nehmen. „Mit der Bahn in den Kahn“ – der werbewirksame Slogan der Radduscher hatte sich praktisch erledigt. Es ist letztlich der Hartnäckigkeit und des Widerstandswillens des Ortsvorstehers Ulrich Lagemann und seiner Mitstreiter zu verdanken, dass dieser Umstand nicht einfach hingenommen wurde. Großer Unmut machte sich im Dorf breit, der zur Gründung einer Bürgerinitiative führte. Matthias Hantscher scharte Betroffene um sich, bündelte alle Proteste und sammelte 6000 Unterschriften. Die Bürgerinitiative, der Ortsbeirat, der Tourismusverein und viele andere nutzen jede Gelegenheit, den Bahnhalt wieder einzufordern oder wenigstens in seiner Wirkung wieder abzuschwächen. Eine Plakatierung am Radduscher Bahnhof sollte die Öffentlichkeit auf das Problem dauerhaft hinweisen. Ein 2018 installierter Zubringerzug, nach seiner Initiatorin „Schneider-Zug“ genannt, wurde nach zwei Jahren wieder abgesetzt. Wenigstens früh und abends hielt danach der RE 2 in Raddusch und brachte für Früh- und Spätreisende etwas Erleichterung.

Dem Widerstandswillen ist es zu verdanken, dass ab 11. Dezember 2022 wieder wie gewohnt die Züge in Raddusch halten werden. Diese Botschaft verkündete am letzten Freitag Staatssekretär Rainer Genilke, Staatssekretär im Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung in aller Öffentlichkeit, vor über 60 Radduscherinnen und Radduscher. Das zahlreiche Erscheinen zeugte vom nicht nachlassenden Willen der Betroffenen, sich nicht mit der bisherigen Regelung zufrieden geben zu wollen – und sie wollten persönlich hören, dass es nun endlich ein Ende hat.

Matthias Hantscher und seine Mitstreiter sind nun arbeitslos, doch ihre Initiative hat ihr Ziel erreicht. Er, Thomas Noack und der Staatssekretär griffen zur Kneifzange und entfernten das Protestplakat; es hatte nun ebenfalls keine Bedeutung mehr.

Doch ganz sorgenfrei ist die Zukunft der Radduscher weiterhin nicht, denn inzwischen hat sich eine neue Bürgerinitiative gegründet. Mit dem Bau des zweiten Gleises sind Erschütterungen und Lärmbelastungen zu erwarten, die besonders die dicht an der Bahnstrecke Wohnenden in ihrer Lebensqualität beeinflussen werden, so deren Befürchtung. Björn Birkhold-Jordan übergab dem Staatssekretär die Forderungen der Initiative „2. Gleis“. Darin heißt es: „Wir fordern deshalb einen Erschütterungsschutz um die Belastungen für unser Eigentum und unsere Gesundheit gewährleistet zu sehen. Eine Betonwanne zwischen 100 Meter vor dem Bahnübergang Groß Lübbenauer Weg und bis zum Wohnhaus am Mühlweg ist für uns das Mittel der Wahl“. Des weiteren wird ein effizienter und dem Biosphärenreservat angemessener Schallschutz angemahnt.

 Ein weiteres Problem ergibt sich aus den vielen ungeklärten Fragen zur Nachnutzung des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäudes, welches seit Jahren im Besitz der Stadt Vetschau ist. An Ideen mangelt es nicht: die Radduscher Touristiker könnten sich hier eine Informationspunkt vorstellen, wie von Frank Zeugner, dem Vorsitzenden des örtlichen Tourismusvereins, zu erfahren war. Es könnte einen Fahrradverleih oder eine andere gewerbliche Nutzung geben. Ortsvorsteher Ulrich Lagemann ist unzufrieden mit der Kommunikation mit der DB-AG: „Wir wissen nicht, welche Auswirkungen das zweite Gleis auf das Gebäude und seine mögliche Nutzung haben wird – von der Bahn erhalten wir dazu keine Informationen bezüglich Sicherheitsabstände oder bauliche Veränderungen. Die Terrasse müsste vielleicht verändert werden, doch dann greift wieder der Denkmalschutz ein. Wir erwarten einfach ein konstruktives Entgegenkommen der Bahn – wenn die Rahmenbedingungen klar sind, werden wir das Gebäude einer Nutzung zuführen“. Diese Worte richtete er an den Staatssekretär und die ihm begleitende CDU-Landtagsabgeordnete Roswitha Schier. Der hielt schon den dicken Brief der neuen Bürgerinitiative unterm Arm und musste nun auch diese Forderungen mit nach Potsdam nehmen. Rainer Genilke zeigte sich optimistisch hinsichtlich der Planungen zum 2. Gleis, die auf gutem Weg sind: 2027 soll das neue Gleis fertig sein. Mit „Nutzen Sie den Zug und alles wird gut!“ verabschiedete er sich von den Radduschern.

Zeittafel:

26.03.2015:  Verkündung des Wegfalls  Halt in Raddusch

19.05.2015: Gründung der Bürgerinitiative

10.12.2015: letzter planmäßiger Halt der Züge in Raddusch

09.12.2018 – 12.12.2000: „Schneider-Zug“ als Zwischenlösung

13.12.2020: Wiederaufnahme Schienenersatzverkehr

Peter Becker, 08.04.2022

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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