Eigentlich sollte das Jubiläumskonzert in der Nikolaikirche schon im letzten Jahr stattfinden, aber die bekannten Schwierigkeiten ließen es nicht zu. Am 10. April klappte dafür der Wiederholungstermin problemlos: Die Lübbenauer Schützengilde 1655/1991 e.V. trat vor der Nikolaikirche an und übergab durch Reinhard Krieg der ebenfalls angetretenen gräflichen Familie eine Ehren-Schützenscheibe. Schützenhauptmann Reinhard Krieg bedankte sich damit für die jahrhundertelange Unterstützung. Rochus Graf zu Lynar erwiderte: „Die Schützengilde und die Lynars haben sich immer für die Stadt Lübbenau eingesetzt. Früher mit Waffen, gegen marodierende Soldaten während und auch nach dem 30 jährigen Krieg, heute glücklicherweise mit Kultur. Es gab stets ein Miteinander, gemeinsam gingen unsere Vorfahren durch die Zeiten, durch das Auf und Ab. Unser heutiges Konzert mit den Vier Jahreszeiten steht genau dafür, ebenso wie für die 400 Jahre Familientradition“. Die Schützengilde verzichtete auf ein Salutschießen und ließ dafür ein dreifaches „Gut Schuss“ aus vollen Kehlen erklingen – damit einen Wunsch in Richtung Zukunft vorgebend.
Die Schützengilde ist in ihrer Tradition eng mit der Familie Lynar verbunden. Diese übernahm das Amt und das Städtchen Lübbenau aus einer Konkursmasse 1621 durch Elisabeth Gräfin zu Lynar (1582 – 1652). Durch den Grafen Johann Siegismund zu Lynar wurde der Gilde das Privilegium am 24. Juni 1655 überreicht. Zeitgleich mit der Rückkehr der gräflichen Familie, hat sich auch die Schützengilde 1991 wieder neu gegründet.
Es waren nicht selten die Frauen der Lynars, die die Geschicke der Familie in die richtige Richtung lenkten. Oft früh verwitwet, trafen sie allein und in voller Verantwortung Entscheidungen, die sich letztlich als richtig erwiesen. Die ersten Jahre waren von den schlimmen Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges begleitet, in denen „man kaum das Allernötigste zum Leben hatte“, wie Elisabeth Gräfin zu Lynar die ersten Jahre in Lübbenau beschrieb. Ihr bei der Übernahme Lübbenaus gerade vierjähriger Sohn Johann Siegmund Graf zu Lynar sollte später, 1652, als schwerverwundeter Kriegsheimkehrer der erste Standesherr werden. Es folgten viele Generationen, oft wegen früher Tode, in häufig wechselnder Folge.
Der letzte Standesherr Wilhelm Friedrich Graf zu Lynar (1899 -1944) sah im Aufblühen des Faschismus eine Gefahr für Deutschland und trat der Widerstandsgruppe um Graf Stauffenberg bei. Seinen Einsatz für den Frieden, für ein besseres Deutschland, musste er mit dem Leben bezahlen. Die noch von den Nazis betriebene Enteignung des Familienbesitzes konnte erst, nach vielen Schwierigkeiten, nach der Wende rückgängig gemacht werden.
Heute ist die Grafenfamilie eine Unternehmerfamilie, sie bringt sich auch auf vielen Ebenen in die Stadt ein. Lübbenaus Bürgermeister Helmut Wenzel ist sichtlich stolz: „Wir sind froh, solche eine Familie in der Stadt zu haben, ohne die Lynars würde etwas fehlen. Es ist ein großer Segen für Lübbenau, dass eine derartig große Immobilie wie das Schlossensemble privat und so erfolgreich als Hotellerie bewirtschaftet wird. Andere Städte in ähnlicher Situation, aber mit vor sich hin verfallender Schlossruinen, sind da schlechter dran“.
Der Festakt fand in dem Vivaldi-Konzert seinen Höhepunkt, die Vier Jahreszeiten standen unter dem Motto „Ein Orchester – viele Solisten“ statt. Graf Rochus zu Lynar: „Das Konzert war eine Wucht, ich bin immer noch überwältigt von der tollen Resonanz!“
Peter Becker, 11.04.22
Zur Geschichte des Schlosses Lübbenau:
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