Bei den Laasowern ist immer noch vom Schloss die Rede, wenn es um die Ruine südwestlich der Dorflage geht. Streng betrachtet ist es aber nur ein Herrensitz oder Landgut. Für die Laasower Tagelöhner, Mägde und Knechte, die sich in ärmlichen Wohn- und Besitzverhältnissen befanden, stammt das zweigeschössige und 1856 im Schweizer Villenstill errichtete Gebäude aus einer anderen, für sie unerreichbaren Welt. Das noch relativ junge Anwesen, gemessen an den wesentlich älteren Gütern und Schlössern der Umgebung, diente nach 1945 als Wohnraum für Umsiedler, Arztpraxis, Gemeindebüro und Schule. Der große Ahnensaal wurde von den Dorfbewohnern gern zu Familienfeiern angemietet. Nach der Wende geriet das Anwesen zusehends in Verfall, mehrere Besitzerwechsel änderten nichts daran, an den Bau- und Stützgerüsten rankt der Efeu.
Laasow (niederwendisch Łaz) wird erstmals 1377 erwähnt. Zu den Gutsbesitzern zählen in der nachfolgenden Zeit die Familien von Schmettau und von Muschwitz. Danach erwarb Graf Heinrich zu Lynar, dem schon der Ogrosener Herrensitz (heute Besitz der Familie Lütke Schwienhorst) gehörte, das Örtchen Laasow. Graf Ludwig von Pourtalès, aus Neuchâtel (Schweiz) -dem bis 1848 preußischen Neuenburg- kaufte es 1842 dem verschuldeten Ogrosener Grafen ab. Wie es zum Kauf kam, wie der Kontakt aus der Schweiz in die Niederlausitz gelang, liegt im Dunkel der Geschichte, er könnte aber durchaus auf den Besuch des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. 1842 bei den Pourtalès zurückzuführen sein. Die Familie Pourtalès stammt ursprünglich aus Südfrankreich und ließ sich um 1700 im Rahmen der Hugenottenverfolgung in Neuenburg nieder. Preußenkönig Wilhelm III. erhob 1815 die drei Söhne des Grafen Jakob Ludwig von Pourtalès in den preußischen Grafenstand.
Graf Alfred von Pourtalès ließ 1856 das heute bekannte Herrenhaus in Laasow im Schweizer Villenstil errichten. Gleichzeitig entstanden der Park und die angrenzende Schäferheide. Sein Sohn Alphons von Pourtalès (1861 – 1930) übernahm das Gut 1889. Von 1900 bis 1919 war er Landrat des Kreises Calau. Anfangs fuhr er täglich mit der Kutsche von Laasow nach Calau, später bekam er ein motorisiertes Dienstfahrzeug gestellt. In dieser Zeit erfolgten auch die Anbauten am Gebäude.
Im Jahr 1906 erhielt das Gebäude eine Erweiterung an der Ost- und 1920 an der Westseite. In der Westseite wohnte später der Sohn seines im 1.Weltkrieg gefallenen Bruders Major Graf Karl von Pourtalès mit seiner Ehefrau Mary Olga Vera von Kleist. Der kinderlos gebliebene Graf Alphons hatte alle drei Kinder (zwei Töchter, einen Sohn) seines Bruders adoptiert.
Gleichzeitig wurde das Haus durch Putzquaderung optisch aufgelockert. Die untere Etage der Ostseite wurde zum Jagdzimmer. Hier hing ein übergroßes Ölgemälde mit Jagdszenen. 1929 verpachtete er Herrenhaus und Gut an die Ilse-Bergbau-Gesellschaft. Seine Witwe Katharina von Pourtalès, geborene Loeper, verkaufte es 1940 an diese Gesellschaft. Die Ilse-Bergbau AG erwarb damals Flächen und Immobilien, um sie bei einer eventuellen Kohleförderung leichter nutzen zu können. Zwischenzeitlich wurde Landwirtschaft im Rahmen von kurzfristigen Pachtverträgen betrieben. Im Haus verblieb noch Sophie Elisabeth Ursula von Pourtalès, sie war mit dem Pfarrer Ringström aus Pritzen verheiratet. Als die Sowjetarmee im April 1945 immer näher kam, floh sie mit ihrem Auto Richtung Westen.
Nach 1945 besaß die Gemeinde Laasow das Schloss und richtete dort Wohnungen für Umsiedler ein. Untergebracht waren dort später die Polytechnische Oberschule (1950 – 1977), das Gemeindebüro und ein Raum für die Arztsprechstunde. Zeitzeugin Margit Neugebauer (Jahrgang 1952) wuchs mit ihrem Bruder im Schloss auf. Sie erinnert sich: „Meine Familie zog kurz nach meiner Geburt in das Laasower Schloss. Natürlich waren meine Eltern froh, eine eigene Wohnung zu bekommen, hatten sie doch vorher zur Untermiete im Dorf gewohnt. Die Räume waren sehr hoch, es waren alles Durchgangszimmer. Unser Kinderzimmer entstand aus einem ehemaligen Flur. Zu den Toiletten musste man den Hof überqueren und in ein nahe gelegenes Häuschen gehen. Jeder Tropfen Wasser musste in den ersten Jahren die lange Treppe hinauf und nach Gebrauch wieder heruntergetragen werden.“ Sie genoss den glücklichen Umstand, die Schule im eigenen Haus zu haben: „Der Schulweg führte von einem Hauseingang zum nächsten, hattest du etwas vergessen, konntest du es in der Pause holen. Ich kam allerdings nur kurz in diesen Genuss, denn schon bald wurde die Laasower Schule mit der aus Missen zusammengelegt.“
Nach und nach wurden immer mehr Räume des Schlosses aufgegeben, eine Nachnutzung erfolgte wegen des dringend erforderlichen Modernisierungsaufwandes nicht. Die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft ließ 1996 zumindest die Bergbaufolgeschäden beheben und die kompletten Fundamente für rund 200 000 DM erneuern.
Erst 2007 interessierte sich ein Berliner Künstlerpaar für die Immobilie und erwarb diese. Der letzte Mieter zog 2015 aus, seit dieser Zeit ist das Gebäude unbewohnt.
Zeitleiste
Um 1814 | Leopold August Karl von Schmettau verkauft Ort Laasow an den Ogrosener Grafen Heinrich zu Lynar |
1842 | Graf Ludwig von Pourtalès (verst. 1848) erwirbt Laasow vom verschuldeten Grafen Heinrich zu Lynar |
1856 | Graf Jaques Alfred von Pourtalès (verst. 1889) lässt das Herrenhaus im Schweizer Villenstil errichten. |
1889 | Sohn Graf Karl Alphons von Pourtalès erbt den Herrensitz |
1920 | Anbau des Westflügels |
1940 | Besitzübernahme durch die Ilse-Bergbau-AG |
1940 | Gräfin Katharina von Pourtalès verstirbt in Laasow |
1945 | Gemeinde Laasow übernimmt das Gebäude, Bereitstellung von Wohnraum für Umsiedler |
1996 | Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) lässt Bergbaufolgeschäden beseitigen (Wert: 200 000 DM) |
2007 | Berliner Künstlerpaar übernimmt das Anwesen |
2012 | Dachsanierung des mittleren Gebäudeteiles |
2015 | Der letzte Mieter verlässt das Haus |
Laasow gehört zur Stadt Vetschau (Oberspreewald-Lausitz-Kreis)
Quellen & histor. Fotos:
Calauer Heimatkalender 2010 und 2011
Mein Dank geht an Hans-Joachim Nemitz, Matthias Nerenz und besonders an den Laasower Ortschronisten Andreas Tartz!
Peter Becker, 15.12.2020
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