Dr. med. Ute Arend weilte erneut zu einem Hilfseinsatz für die German Doctors auf den Philippinen. Über ihre Arbeit und über das Leben der Menschen jenseits der Armutsgrenze berichtete sie in einem Vortrag in der Bunten Bühne Lübbenau.
„Ich freue mich, dass die Stühle nicht gereicht haben“, begrüßte die Vetschauer Ärztin die sehr zahlreich erschienenen Zuschauer. Sie hatte bis 2011 eine internistische Praxis und war inzwischen mehrmals für die German Docters tätig (s. Infobox).
Das technische Problem ließ sich kurzerhand lösen, niemand musste letztlich stehen. Dafür taten sich im Verlaufe des Vortrags ganz andere Probleme auf, Probleme, die sich nicht so einfach lösen, höchstens mildern lassen. Ute Arend nahm die Zuhörer mit auf eine Bilderreise ins scheinbare Paradies, in eine Region, wo sich hinter den Traumstränden Müllberge türmen. Dort vegetieren Menschen und leben von dem, was sich im Müll finden lässt. Schlechte Luft, Gestank und Gifte sind ihre ständigen Begleiter – viel Arbeit für das mobile Ärzteteam um Ute Arend und ihre einheimischen Helfer. Neben dieser Station waren auch die hoch in den Bergen Minoro, der siebtgrößten philippinischen Insel, lebenden indigenen Stämme, die Mangyans, medizinisch zu versorgen.
Neben den sprachlichen Problemen waren auch die traditionelle Lebensweise, deren Glauben an Urgeister und Unwissen schwer zu überbrückende Grenzen. Impfungen oder gar Familienplanung werden zumeist abgelehnt. Krankheiten, die hiesige Ärzte eher aus der Fachliteratur kennen, sind dort Praxisalltag wie etwa Tuberkulose, Krätze, Würmer und Pilzerkrankungen. „Erstaunlicherweise leiden viele Menschen an Bluthochdruck oder Diabetes – an dem uns bekannten Wohlstandssyndrom kann es mit Sicherheit nicht liegen. Hinzu kommen noch Schilddrüsenerkrankungen, häufige Erkältungen und eine sehr hohe Kindersterblichkeit. Mangelnde Hygiene befördert weitere Krankheiten, denn Wasser sei zur Körperhygiene zu schade“, schildert die Ärztin ihre Erfahrung mit den Ureinwohnern. Dennoch konnte sie oft helfen, aber auch nicht immer. Ute Arend: „Es sind die persönlichen Schicksale, besonders die der schutzlosen Kinder, die unter die Haut gehen. Untergewicht und Hautkrankheiten konnten wir manchmal entgegenwirken, gegen Aberglaube und Nichteinhaltung unserer Behandlungsempfehlungen waren wir dagegen machtlos!“
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade ein Wundheiler, ein Schamane, Ute Arend zur Hilfe kam. Sie selbst verspürte bei einem Einsatz plötzliches Unwohlsein mit schweren Krankheitssymptomen, eine Selbsthilfe war kaum möglich. Hier waren es nun die Ureinwohner, die ihrer Ärztin halfen. Sie drückten abwechselnd die Ohrläppchen (Akkupressurpunkte?), der Heiler beschmierte ihren Kopf mit frisch gekauter Betelnuss, und nach kurzer Zeit fühlte sie sich tatsächlich wieder besser – die Schulmedizin wurde von der Naturmedizin übertrumpft!
Mit eindrucksvollen Fotos von Krankheitsbildern und vor allen Dingen vom Leben in den Dörfern der Mangyans, untermauerte Ute Arend ihren Vortrag. Es ging den Zuhörern unter die Haut, die Erkenntnis machte sich breit, dass wir hier in Europa im Paradies leben und teilen müssen. Das Lübbenauer Ehepaar Marlies und Dieter Rieger: „Beeindruckend, dass es auch solche Leute wie Frau Arend gibt, sie selbstlos helfen und derartige Strapazen auf sich nehmen. Der Vortrag wird noch lange auf uns wirken, er hat unser Denken und unsere Sicht verändert.“
Im Publikum auch zwei Frauen mit philippinischer Abstammung. Ponciana Moll und ihre Nichte Jasmin Minkner leben schon seit Jahren in Lübbenau. „Wir sind gekommen, um über das Leben in unserer Heimat aus erster Hand zu erfahren. Wir sind zutiefst erschüttert, dass es unseren Landsleuten nach unserem Weggang inzwischen eher noch schlechter als besser geht“, erzählt Ponciana Moll mit leiser Stimme und leicht geröteten Augen. „Uns geht es gut, aber wir fühlen uns unseren Landsleuten verpflichtet und setzen alle Kraft in unser Krankenhausprojekt bei Manila“, ergänzt sie noch. Seit vier Jahren sammeln die Frauen Geld, um auf ihrem Familiengrundstück ein Krankenhaus für die Armen zu errichten.
Ute Arend bereitet sich inzwischen gründlich auf einen weiteren Einsatz vor, schon Anfang März geht es zurück in den philippinischen Regenwald auf die Insel Mindanao. „Literatur über das Leben und die Gewohnheiten der Ureinwohner ist wieder zu studieren, Fachwissen über Tropenkrankheiten gilt es aufzufrischen, ebenso Wissen aus anderen Fachbereichen, wie etwa der Gynäkologie“, erzählte die Ärztin abschließend. Mit minutenlangen Applaus wurde sie aus ihrem Vortrag verabschiedet. Das Honorar dafür spendet sie ihrem Hilfsverein. Fast jeder Besucher nahm einen Flyer der German Doctors mit, darin die Spendenkontonummer…
Infobox:
German Doctors besteht seit 1983. Aktuell wirkt der Verein in fünf Ländern mit acht Arztprojekten. Täglich werden 1500 Patientenkontakte gezählt bei über 350 jährlichen Arzteinsätzen. Ergänzungsprogramme zielen auf Tuberkulosekrankenhäuser, HIV-Aufklärung und Erziehung. Nur 2 EUR kostet es monatlich, ein unterernährtes Kind in Bangladesch zu retten, 80 EUR kostet dort ein lebensrettender Kaiserschnitt.
peb1, 19.11.16
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