Von der Kunst des Körbeflechtens – das Gottsauge muss stimmen

Termine am Gleis 3, Lübbenau:

Am 12./19. und am 26.1.2022 je von 18-21 Uhr. Anmeldung unter 03542-403692, (10 EUR p.P.)

Mitzubringen sind: Rosenschere, scharfes Messer und ggf. Handschuhe. Hilfe und Anleitung gibt Peter Lehmann. Es wird ein Einstieg in das generelle Arbeiten mit frischer Weide als nachwachsender Rohstoff. Die Kurse sind für Anfänger. Aber natürlich ist Entwicklung geplant und gewünscht.

In den Spreewälder Haushalten konnte früher fast jeder Körbe, Schwingen und andere Behältnisse aus der überall wachsenden Weide flechten. Die langen Winterabende waren bestens geeignet, fürs neue Erntejahr entsprechende Vorräte zu schaffen. Erst in der neueren Zeit wurden die in der kleinteiligen Landwirtschaft so wichtigen Korbwaren durch langlebige Plastik- und andere Materialien (Drahtkörbe) ersetzt. Damit ging auch die handwerkliche Kunst immer mehr verloren, nur noch wenige beherrschen sie. Einer davon ist Berthold Lehnigk:


Der Bauernjunge hatte in den Wintermonaten der vierziger Jahre immer mal gern seinem Vater in Groß Lübbenau beim Korbflechten über die Schulter geguckt, es auch ab und zu mal selbst probiert, aber nie das richtige Interesse und die Ausdauer dafür gefunden. Das änderte sich erst nach vielen Jahrzehnten mit dem eigenen Eintritt in das Rentenalter. „Heute beschäftige ich mich ganz gern mit dem Körbe flechten, es ist eine beruhigende und ausgleichende Beschäftigung für mich. Und ich würde manchmal schon gern mal meinen Vater fragen wollen, wenn es mal etwas kniffelig wird. Ich bereue es manchmal, nicht besser aufgepasst zu haben. So aber muss ich mich durch Bücher lesen oder auch mal den einen oder anderen Kollegen bei den Volksfesten fragen, wo wir uns doch recht regelmäßig sehen und vor Besuchern arbeiten.“
Berthold Lehnigk fängt schon im Herbst an, Weidenruten auszuwählen. Sobald das Laub ab ist, geht es ans Schneiden. Aus den schönsten und schlankesten Ruten fertigt er dabei schon in Gedanken die filigransten Körbe und Schalen. Die etwas derberen Ruten sind für die Erntekörbe vorgesehen. Die ein- oder höchstens zweijährigen Ruten sollten wenig Mark haben und müssen immer etwas feucht gelagert werden. Zuerst werden die Reifen gebogen, das Traggerüst eines jeden Weidenkorbes. An den Kreuzungspunkten fertigt er aus aufgespaltenen und abgeflachten Ruten das „Gottesauge“, wie die Verbindung zwischen den Reifen genannt wird. Mit verschiedenen Ruten – gelben, grünen und rötlichen- schafft er es, seinen Körben ein schmuckes Aussehen zu verleihen. Jeder Korbflechter hat so seine Vorlieben; er erkennt auch von weitem seine „Handschrift“, seine Körbe.
„Hauptsächlich bestellen die Kunden bei mir Kartoffelschwingen, aber selten für die Ernte, eher zum Auffüllen mit meist spreewaldtypischen Produkten. Der so gefüllte Korb wird dann gern verschenkt.“ Berthold Lehnigk freut sich, dass seine Ware angenommen wird und er damit den Menschen eine Freude bereiten kann. Wenn ihm mal die Weiden ausgegangen sind, fährt er nach Leipe. Dort setzt er sich dann auch schon gern mal ans Spinnrad und hilft seiner Schwester Sigrid Konzack beim Verspinnen der Schafwolle. Auf dem Rückweg nach Groß Lübbenau hat er dann meist frisch geschnittene Weiden im Auto. „Die an den Fließen gewachsenen Ruten sind besonders biegsam und lassen sich so gut verarbeiten“, begründet er seine nutzbringenden Ausflüge zur Leiper Verwandtschaft.

Das Interesse an der alten Handwerkskunst ist groß, alle Abende am Gleis 3 sind ausgebucht. Peter Lehmann hatte zu tun, genügend Material heranzuschaffen. Es türmen sich Weidenbündel, Scheren und Messer liegen bereit. „Heute wollen wir einen Futterkorb für die Wintervögel flechten“, eröffnet Peter Lehmann den abendlichen Kurs. Janin Kahlmann war mit ihrer kleinen Tochter den weiten Weg aus Heideblick gekommen.  „Wir wollen hier lernen, wie mit etwas derberen Material gearbeitet wird. In meiner beruflichen Tätigkeit als Ergotherapeutin arbeite ich mit weichen, patientengerechten, Flechtmaterialien – ich will aber auch mal richtige Körbe flechten können und dies auch mal mit dem einen oder anderen Patienten üben – und ich will wissen, was es mit dem Gottesauge auf sich hat“, erzählt sie.  Wie aufs Stichwort zeigt Peter Lehmann die Basis jedes Behältnisses, um die herum das Geflecht aufgebaut wird – das Gottesauge eben. „Gott sieht alles und verzeiht keine Fehler, so könnte man den Begriff aus der Zeit unserer Vorfahren umschreiben“, warf jemand schmunzelnd aus der Flechtrunde ein.

Peter Becker, 13.01.22

Über Peter Becker 359 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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