Nach etwa zehn Wochen Spreewaldtourismus unter besonderen Bedingungen, stellt sich die Situation unterschiedlich dar: Gelungenes und Erschwerendes halten sich die Waage.
Spreewaldhof Leipe
Der Leiper „Spreewaldhof“ ist in exponierter Lage: Hier beginnt beziehungsweise endet der sehr idyllische Gurkenwegsabschnitt zwischen dem Ort und Lübbenau. Praktisch jeder der den Weg benutzt, kommt an der Gaststätte vorbei – und kehrt oft ein. Eigentlich eine gute Geschäftsvoraussetzung, doch 2020 sollte alles anders werden. Hofchef Torsten Goldmann: „Als die lange Schließung wegen Baumaßnahmen bekannt wurde, haben wir kalte Füße bekommen. Wird das Gästeaufkommen dennoch reichen, all unsere Leistungen anzubieten, die Personalkosten zu decken – aber da wussten wir noch nichts von Corona…!“ Der Rückblick auf den Saisonstart löst bei ihm noch heute Gänsehautmomente aus. Dass nun gar keine Gäste mehr kommen sollten, war unvorstellbar. Doch der stets optimistisch Geprägte nutzte die Zeit für Renovierungsarbeiten und kleinere Umbauten, schließlich muss ja auch diese Zeit mal vorbei sein, war er überzeugt. So wie das plötzliche AUS kam das plötzliche AN: Ab Ende Mai durfte wieder geöffnet werden, wenn auch unter den bekannten Auflagen. Und die Gäste kamen reichlich. Torsten Goldmann: „Wir haben etwa 120 Prozent mehr Gästeaufkommen, und unter diesem Aspekt fällt der geschlossene Radweg gar nicht ins Gewicht. Die staatlich gewährten Mittel zur Unterstützung erwiesen sich als hilfreich, wir sind sehr dankbar dafür und optimistisch, die Kredite bald bedienen zu können.“
Schwierig ist die Gästedokumentation: Das korrekte Ausfüllen der Anmeldelisten kann nicht kontrolliert werden, dazu fehlen Personal und Vollmacht. („Sehr viele Donald Trumps haben uns besucht …!“) Doch der medienversierte Goldmann hat eine weitere Möglichkeit gefunden: per SMS können die Gäste ihre Daten hinterlegen. Viele Familien oder Gruppen haben ohnehin fast immer mehrere Ausdrucke ihrer Daten dabei und hinterlassen sie ganz einfach beim Personal. Torsten Goldmann lobt seine Gäste, wenn auch nicht jeden: „Die allermeisten zeigen sich vernünftig und einsichtig, manche scheine halt keine gute Kinderstube gehabt zu haben, und Corona hat dies verstärkt. Bei uns ist jeder Gast König – wenn er sich königlich benimmt. Leider muss das immer mal wieder dem Gast auch gesagt werden…!“
Gästeführer Manfred Kliche
Der Radduscher Ortschronist führt häufiger als in den Vorjahren Urlauber, meist aus dem Hotel, durch den Ort und in seine Umgebung, darunter regelmäßig Schweizer Urlauber. Er hört von seinen Gästen viel Positives, aber auch Negatives:
Zu den lobenswerten Dingen gehört der Naturhafen mit dem Skulpturenweg, den man gern noch mit weiteren Skulpturen bereichern sollte. Auch die Alpaka Finca mit den Wander-und Fotografiermöglichkeiten kommt sehr gut bei den Urlaubern an, ebenso die gut ausgeschilderten Wanderwege rings um den Ort. Auch die Hochbeete mit Fahrradaufpump-und Handyladestation werden als einmalig und nachahmenswert gewürdigt.
Unverständnis, sogar Unmut, wird der Parksituation entgegengebracht. Viele bemängeln, dass sie am Ortseingang keine Hinweise zu Parkmöglichkeiten im Ort bekommen. Urlauber finden es auch ziemlich befremdlich, dass der Dorfplatz einen ziemlich trostlosen Eindruck macht und das Gelände um den Hofladen wenig einladend ist. Gern würden sie auch die Heimatstube besuchen, ebenso die Buschmühle – aber die sind geschlossen.
Hofladen Raddusch
Stefan Przewozny betreibt erst im zweiten Jahr den Radduscher Hofladen. „Ich bin noch dabei, das Kundenbegehren aufzunehmen, um mich inhaltlich noch besser ausrichten zu können. Das Hauptgeschäft, Leinöl und Gurken, läuft fast automatisch, aber die Gäste möchten gern länger verweilen. Deshalb wollen wir auch den Café-Betrieb einschließlich des schon mal vorhandenen Streichelzoos reaktivieren. Dazu suchen wir noch Tiere, vielleicht betreiben wir sogar einen Gnadenhof“, umreißt der Hofinhaber die ersten Erfahrungen und Schlussfolgerungen. Die zahlreichen Urlauber suchen gern abends noch eine Verweilmöglichkeit, aber die sind in Raddusch begrenzt. „Oft sind wir, meine zwei Mitarbeiter und ich, noch bis weit über die Öffnungszeiten in die Abendstunden geblieben. Die Bewirtung mit Bier und Imbiss wird gern angenommen – und die Gäste haben dann doch noch das eine oder andere gekauft, besonders aus der Rubrik Antiquitäten, mit denen wir ebenfalls handeln“, ergänzt Stefan Przewozny. Ein wenig hadert er mit seiner Lage im Ort, ebenso mit den vielen Parzellen, die zur Hofanlage, aber nicht ihm, gehören und den Anblick etwas stören. Aber auch daran wird gearbeitet.
Gasthof zum Slawen mit Rundumpaket
Inhaber Matthias Mutschke kann gar nicht so recht mit dem Vorjahr vergleichen: „Wir sind eigentlich schon immer gut ausgebucht, Leerstand ist selten, dennoch bekommen wir die gestiegene Nachfrage natürlich auch mit.“ Ihm fehlen, wie allen anderen auch, zwei komplette Vermiet-Monate, die es noch zu kompensieren gilt. Seine Ferienanlage umfasst noch eine Gaststätte, sowie den Fahrrad- und Paddelbootverleih. Hier merkt er die gestiegene Nachfrage deutlich. „Besonders die Städter genießen das Alleinsein auf Fließen und Radwegen, wie sie oft bestätigen. In den Spreewälder Ballungsräumen mag das anders sein, aber hier im Radduscher Raum ist noch Stille und Abgeschiedenheit möglich“, fasst er die Urlaubermeinungen zusammen. Der Terrassenbetrieb kommt den Corona-Abstandsregelungen sehr entgegen, ebenso der große Grillplatz.
Dubkowmühle, Leipe
Paddler, Radler, Ausflugskähne und Automobilisierte – sie alle kehren gern in der uralten Gaststätte ein (Schankrecht von 1727). Neben dem guten Ruf ist es auch die exponierte Lage des Hauses: wasserseitig an der Spree gelegen, wo ohnehin wegen der Schleuse ausgestiegen werden muss und straßenseitig zwischen Leipe und Burg, der einzigen Straße. Die in den letzten Wochen unter der Arbeitslast leidende Dubkowmühle hat wenigstens keine großen Personalsorgen: Wie schon im letzten Jahr helfen ukrainische Studenten, das enorme Pensum zu bewältigen. Die erste Gruppe der jungen Leute ist Ende Juni nach 56 Stunden Autofahrt angekommen. Die Vier mussten einen weiten Umweg über Rumänien nehmen, denn Polen gestattet nicht die Durchfahrt. In wenigen Wochen geht es nun den umgekehrten Weg zurück, „hoffentlich etwas schneller“ wie Anna Hutsaliuk sagt. Sie war bereits im letzten Jahr in der Dubkowmühle, ihre drei Kommilitonen kamen zum ersten Mal. Die Fremdsprachenstudenten nutzen natürlich quasi nebenbei die Möglichkeiten, ihre Deutschkenntnisse zu festigen. „Vor allen Dingen die sehr höfliche Sprachweise, die wir im Studium gar nicht so kennengelernt haben“, sagt Dina Nyzhnyk. „Würden Sie bitte…, könnten Sie mir …, schönen Tag noch – das ist eine sehr angenehme Erfahrung für uns!“ Zu den angenehmen Seiten gehört auch der Umstand, dass sie das Dienstauto nutzen dürfen. Sie leben in einer Vetschauer WG und möchten nach Feierabend schnell nach Hause. Sie waren auch schon in Berlin, allerdings mit der Bahn. „Das ist ja so billig und bequem – ein Ticket für uns alle und den ganzen Tag für alles“, schwärmt Dasha Kuzmich. Alle waren von Berlin beeindruckt, von der bunten Stadt mit den vielen Menschen aus aller Welt.
Olexander Ovchar hilft in der Küche aus: „Hier sind die Portionen so riesig, anders als bei uns daheim. Das die Deutschen so merkwürdige Trinkgewohnheiten haben, war mir völlig neu und auch unverständlich: Banane oder Himbeeren im Bier, und überhaupt Mixgetränke – das geht eigentlich gar nicht!“
Chefin Ilona Konzack kann die Studenten nicht genug loben: „Ohne diese Unterstützung, zeitweise sind es acht Studenten, könnte ich den Gastronomiebetrieb ohne Ruhetage nicht bewältigen. Die jungen Leute sind arbeitsam und fügen sich problemlos ins Stammpersonal ein.“
Durch die Coronaregelungen, die in der Gaststätte sehr konsequent eingehalten werden, ist die Platzkapazität eingeschränkt. Da kann es schon mal passieren, dass an einem Sechsertisch nur eine Person sitzt, während andere warten müssen. Was dem Personal die Arbeit erschwert, sind die sehr unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern, die der Gast „mitbringt“. Ilona Konzack: „Die allermeisten akzeptieren unsere Vorgaben, aber es gibt auch Gäste, die sich auf ihre heimischen Regelungen berufen. ‚Hoabt’s euch nett so…!‘ haben wir schon mal von Urlaubern aus dem süddeutschen Raum hören müssen! Aber letztlich fügen sich doch alle. Sie sind von unserem Personal beeindruckt, dass auch bei größter Hitze mit Mundschutz die schweren Biertabletts trägt – letztlich zum Wohl der Gäste!
Pohlenzschänke
Da die abseitsgelegene Gaststätte straßenseitig nur über Burg erreichbar ist, wird sie gern auch zu Burg zugeschlagen. Sie liegt jedoch auf Leiper Fluren und gehört somit zu diesem Lübbenauer Ortsteil. Geführt wird sie seit 2008 von Stephanie Fittkau, der Tochter des in diesem Jahr verstorbenen langjährigen Inhabers Joachim Fittkau. Die Traditionsgaststätte ist ein idealer Anlaufpunkt für Radler, Paddler und Kahnfahrgäste. Besonders in diesem Jahr, denn der weitläufige Biergarten passt zu den behördlichen Auflagen. Während anderswo oft Tische und Stühle entfernt werden mussten, wurde in der Pohlenzschänke nur auseinandergezogen – Platz unter den Bäumen ist reichlich vorhanden. Die einst als Schattenspender gedachten Eichen wurden zu Zeiten des aufkommenden Tourismus gepflanzt. Heute stellen sie eine Alternative zu den sonst überall vorhandenen Sonnenschirmen der Bierhersteller dar, die den Blick und Ansicht stören. Damals dachte aber wohl auch noch niemand daran, dass deren Früchte einst mal Gäste wie Personal stören könnten. „Ab dem Spätsommer besteht unsere Tagesaufgabe darin, jeden Morgen die Eicheln zusammenzufegen und ein einigermaßen aufgeräumtes Bild den Gästen zu präsentieren. Was dann im Lauf des Tages nach unten fällt, können wir nicht verhindern oder gar vorhersagen“, sagt schulterzuckend Stephanie Fittkau, die danach gleich in der Küche verschwindet, denn hier kocht die Chefin noch selbst. Die Gaststätte hat auf Selbstbedienung umgestellt, der Gast bekommt sein Essen durch die Plexiglaswände gereicht. Um die Abstandsregelungen einzuhalten, dürfen nur bis zu sechs Personen die Gaststätte betreten – ein großes in den Weg gestelltes Schild weist darauf hin. „Unglaublich, dass Menschen das Schild nicht wahrnehmen und es manchmal beiseiteschieben. Was ich nicht gelesen habe, kann ich auch nicht wissen, scheint die Devise zu sein“, bringt Stephanie Fittkau ihre und die Beobachtungen ihres Personals auf den Punkt.
Um die Verweildauer der Gäste zu erhöhen, bietet sie neuerdings Kahnfahrten an. Familien und Gruppen (im Rahmen der erlaubten Stärke) nutzen das Angebot des Neu Zaucher Fährmanns Yves Schwarz. Er hat seinen Kahn an der Pohlenzschänke liegen und ist in aller Regel bereit, kurzfristig Kahnfahrten durchzuführen. Wenn die Gäste es wünschen, wird der Kahn-Kaffeetisch von der Gaststätte gedeckt, die Kaffeekahnfahrt kann dann in die Stille des Spreewaldes starten. Die Mindestabstände können durch eine aufgelockerte Sitzplatzgestaltung gewährleistet werden.
Peter Becker, 19.08.20
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