Störche vor schwierigem Jahr

Wo fängt die Nahrungspyramide an, wo hört sie auf? Darüber machen sich die meisten Menschen erst Gedanken, wenn es Probleme gibt. Schon seit Jahren wird beispielsweise ein Rückgang der Storchenpopulation beobachtet. „Weil es keine Frösche mehr gibt!“, lautet dann manch vorschnelle Reaktion. Doch ist das so? Jürgen Jentsch und Stefan Schön vom NABU-Regionalverband Calau beobachten die Situation und geben etwas andere Antworten. Jürgen Jentsch: „Der Frosch fressende Storch ist halt tief im Bewusstsein der Menschen verankert – weil das durchaus beobachtet werden kann, aber seine Hauptnahrung besteht aus Insekten und Würmer, und deren Aufnahme durch die Störche wird eben kaum wahrgenommen.“ Für Stefan Schön sind die Insekten nur ein weiteres Glied in der Nahrungskette: „Wenn wir nur noch riesige Nutzflächen ohne Begleitkulturen haben, wenn selbst schon Höfe und Vorgärten aus lauter Bequemlichkeit -und Gedankenlosigkeit- zugepflastert oder zugeschottert werden, gibt es auch keine Wildpflanzen, die die Nahrungsgrundlage für zahlreiche Insekten darstellen. Wir brauchen ein neues Grundverständnis für diese Zusammenhänge!“ Beide Experten plädieren für mehr Naturbelassenheit, für Blühstreifenprojekte und sogar für den Erwerb von Landflächen durch den NABU. Beide Experten plädieren für mehr Naturbelassenheit, für Blühstreifenprojekte und sogar für den Erwerb von Landflächen durch den NABU. „Dann wäre eine Landwirtschaft möglich, wo die Vorteile nicht gänzlich auf Seiten des Maximalertrages stehen und Störche auch profitieren“, so Schön.

Gabi Matschke ist eine von den zahlreichen Helfern, die täglich die Krötenschutzzäune entlang der Straßen kontrollieren. „So wenig Amphibien wie in diesem Jahr hatten wir noch nie in den Sammelgefäßen!“ Für sie sind das neben den oben geschilderten Gründen auch der sehr milde Winter, der schon vorzeitig zur Wanderung geführt haben könnte – die optimistische Variante. Aber diese Variante bekommt einen Dämpfer, denn dann müssten schon längst Laichablagen zu sehen sein. „Vielleicht liegt es auch am sehr trocknen Wetter, denn zum Wandern brauchen die Tiere eine gewisse Feuchtigkeit.“ Damit bringt Gabi Matschke eine weitere Hoffnung zum Ausdruck. Aber auch sie weiß, dass der Rückgang der Amphibien zuerst dem Rückgang der Insekten geschuldet ist. Der Frosch fressende Storch wird nun zur noch größeren Ausnahme!

Um die Bevölkerung für diese Problematik zu sensibilisieren, betreibt der NABU mit Unterstützung der EnviaM/Mitnetz an zwei Storchenhorsten in Raddusch Live-Kameras. Jeder kann zusehen, wie und ob das Brutgeschäft läuft, wie der Leitvogel des Spreewaldes um seinen Nachwuchs sorgt. Wenn beide Horste besetzt sind, wäre das schon ein erster Erfolg. Am Horst der Feuerwehr kam am 1. April der erste Storch an – mit etwa zehntägiger Verspätung. Wie der weitere Verlauf ist, kann unter www.storchennest.de ab sofort beobachtet werden.

Peter Becker, 04.04.2020

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Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf