Zampern und Zapust – vom Brauchtum des Winteraustreibens

Die Spreewälder Wintermonate gehörten einst zu den kargsten und entbehrungsreichsten im Leben der Siedler in einer schwer zugänglichen Region. Die Speisen- und Futtervorräte für Mensch und Haustier gingen allmählich zur Neige, vom Hausschlachtenen blieb manchmal nur noch etwas Räucherware und Pökelfleisch. Obst- und Gemüsevorräte waren kaum noch vorhanden. Je länger der Winter dauerte, umso stärker schmolzen die Vorräte, auch die an Brennholz, dahin. Hinzu kam die gelegentliche Unpassierbarkeit der Fließe bei Tauwetter, um insbesondere Heu von den Schobern oder Brennholz holen zu können. Es verwundert daher nicht, dass die an überirdische Kräfte glaubenden slawischen Vorfahren einst ein Brauchtum entwickelten, welches zum früheren Ende des Winters beitragen sollte – so ihr fester Glaube. Der Winter sollte mit viel Lärm und schrecklichen Gestalten den nun für ihn unwirtlich gewordenen Spreewald schleunigst verlassen, um dem Frühling Platz zu machen.

Der Lübbenauer Rubiško-Verein zeigt als einziger Verein im Spreewald die originalen Zamperfiguren aus dieser heidnischen Zeit: Einen Bär, der aus dem Winterschlaf vertrieben wird, die Doppelte Person, die vorn noch mit dem alten runzligen Gesicht und hinten schon mit dem faltenfrei-frischen des kommenden Frühlings versehen ist. Der Erbsstrohbär ist eine zottige Gestalt mit Stroh im Pelz, er wurde von seinem Lager aufgeschreckt, damit er mit dem Winter verschwinden kann. Ein Schimmelreiter ist ein Brautwerbungssymbol, der Storch ein Frühjahrssymbol. Die Wurstbrüder haben eine eher praktische Funktion, denn beim Zampern werden neben Eiern und Geld auch Würste und Speck angenommen und auf einer Gabel aufgespießt.

Diese schrecklichen und lauten Zampergestalten übernehmen somit eine Art „Dienstleistung“ für die gesamte Dorfgemeinschaft und werden dafür mit Lebensmitteln, Geld oder Schnaps belohnt. Am Abend trifft man sich zum gemeinsamen Eierkuchenessen.

In vielen Dörfern gab und gibt es auch ein Kinderzampern, denn es war für diese eine gute Gelegenheit, mal ordentlich Lärm zu machen, sich gruselig zu verkleiden und dafür sogar noch belohnt zu werden. Der Lehder Paul Piesker (1927 – 2002) in seinen Kindheitserinnerungen: „Ich hatte mir schon eine Kahnfahrtroute durchs Dorf im Kopf zurechtgelegt, damit ich zu jedem Haus komme, ohne Umwege zu machen. Das ist in Lehde mit den zahlreichen Fließen nicht ganz einfach. Gar nicht auszudenken, wenn es am Zampertag dünnes Eis gäbe – kein Kahn, kein Schlitten wäre möglich gewesen. Und zu Fuß hätte ich längst nicht alle Häuser erreicht. Nach dem Zampern hing meine Hose straff an den Trägern, die Taschen waren voll mit Bonbons und Kleingeld. Ich war ein guter Zamperer, ich wusste, wer lieber ein Lied oder wer lieber das Zampergedicht hören wollte. Und ich konnte so höflich sein …!“

Radduscher Kita-Kinder beim Zampern 2024

Nach dem Zampern erfolgt ein Dankeschön der Zampergesellschaft bei den Spendern in Form eines sonntäglichen Fastnachtsumzugs. Mit Musik voran, die Frauen in der Festtagstracht, die Männer in schwarzen Anzügen und Hut, zieht der Tross durchs Dorf. Verdienstvolle Einwohner werden heute mit einem Blumenstrauß geehrt, wobei diese sich wiederum oft mit Kaffee und Pfannkuchen bedanken. Dieser Fastnachtsumzug, wendisch/sorbisch auch Zapust genannt, ist ein, wenn nicht der Höhepunkt, im Leben der dörflichen Gemeinschaft. Längst schon ist die Fastnacht ein Fest aller, nicht nur der Sorben/Wenden. Wer sich mit der angestammten Tradition identifiziert, ist stolz, daran teilnehmen zu dürfen. Zugezogene wie Einheimische feiern es gleichermaßen, es macht längst schon keinen Unterschied mehr, welche Wurzeln der einzelne hat.

Termine 2025:

 FastnachtZampern
Lübbenau (Rubisco)15.02
Leipe01.02.
Lehde01.02.
Raddusch23. 02.22.02.
Radduscher Kinderzampern15.02.
Stradow01.03.
Naundorf/Fleißdorf01.02.

Begriffserklärung: Zapust ist die sorbische/wendische Entsprechung für Fasten oder Fastnacht, der Beginn der vorösterlichen Fastenzeit.

Peter Becker, 27.01.25

Über Peter Becker 417 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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