Tradition ist Veränderung, sie muss manchmal auch Veränderung sein

„Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Forttragen der Glut!“

Traditionen im Sinne „Das war schon immer so!“ halten einer näheren Überprüfung nicht stand: Alles hat sich entwickelt, verändert und angepasst und erscheint nur auf den ersten Blick als etwas Statisches. Der menschliche Blick geht bestenfalls Jahrzehnte zurück, berücksichtigt aber nicht die Jahrhunderte davor. Das mag an einer fehlenden Dokumentation liegen, manchmal aber auch an einer gewissen „Starrköpfigkeit“ und das Klammern an dem, was für Tradition gehalten wird.

Vieles hat sich bereits verändert: Die Trachten sind nicht mehr die, die es vor 100-200 Jahren gab. Die Osterbräuche haben sich stark gewandelt: Kaum jemand holt noch Osterwasser, dafür werden die Osterfeuer immer größer. Engagierte Spreewälder beginnen die freiwerdenden Energiemengen für eine neue Tradition, den keramischen Osterbränden, zu nutzen.

Auch bei den Erntebräuchen gibt es einen Wandel: Das einstige Froschkarren, ein Wettbewerb der Mädchen, findet kaum noch statt, weil der Schutz der Tiere in den Vordergrund getreten ist. Wo es noch stattfindet, wird ein Gummifrosch eingesetzt (der übrigens noch viel „zappeliger“ ist …).

Es wirkt daher aus der Zeit gefallen, wenn das Hahnrupfen immer noch mit einem geschlachtetem Tier durchgeführt wird. Selbst wenn das Tier ohnehin zur (planmäßigen) Tötung vorgesehen war, gebührt auch seinem Leichnam immer noch Respekt. Immer häufiger wenden sich Besucher derartiger Veranstaltungen angewidert von dieser Leichenfledderei ab – siehe mein Beitrag von 2018. Eine Abwandlung dieses Erntebrauchs ist das Topfschlagen: Ein lebender(!) Hahn kam früher unter einen großen Topf, auf den mit einem Dreschflegel eingeschlagen wurde. Hier haben sich die Traditionsvereine in Schmogrow und auch in Guhrow schnell an das geänderte Empfinden und der gewachsenen Verantwortung gegenüber jedem Tier angepasst und das Topfschlagen komplett verändert, ohne der Tradition (und dem Spaß) Abbruch zu tun: Der Hahn bleibt im Käfig und „beobachtet“ das Geschehen aus sicherer Entfernung das Draufschlagen auf einen Topf. Dass auch die Tage dieses Hahns gezählt sind, haben mit dem Brauch als solchen nichts mehr zu tun.

Die Siegertrophäe liegt im Staub ….

Wie kann nun der Brauch des Hahnrupfens an die neuen Gegebenheiten angepasst werden? Eigentlich ganz einfach: Der tote Hahn braucht nur durch ein Äquivalent aus Naturmaterial ersetzt werden! Doch so einfach ist es nicht, denn der Brauch als solcher soll wie gewöhnlich zelebriert werden: Mit jedem Durchritt soll ein Teil des „Hahns“ heruntergerissen werden … das Material soll also fest, aber nicht zu fest sein. Niemand soll sich daran verletzten.

Aufruf zum Ideenwettbewerb!

Wer die beste umsetzbare Idee für einen „Hahn 2.0“ hat, kann sich gern an den Autor oder die örtlichen Traditionsvereine wenden. Die Sorben/Wenden-Beauftragte des LDS-Kreises, Sabrina Kuschy steht dieser Idee ebenfalls sehr aufgeschlossen gegenüber und freut sich über entsprechenden Vorschläge. Vielleicht geht dann der Siegervorschlag in die Traditionsgeschichte des Hahnrupfens ein, auch einer Prämierung sollte nichts im Wege stehen!

Peter Becker, 27.06.25

Über Peter Becker 451 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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