„Andere glauben an das Paradies im Himmel. Ich aber will sicher gehen und mir mein Paradies schon auf Erden schaffen.“ Wie ernst Gisela Liebsch es damit meint, merkt der Besucher sofort beim Betreten des Grundstückes am Ortseingang von Straupitz. Gisela Liebsch arbeitet in jeder freien Stunde, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Gerd Mörl, mal in der einen, mal in der anderen Ecke ihres 1800 Quadratmeter großen Grundstückes. Sie bepflanzt alles, was wie ein Topf aussieht mit Blumen, sät in jeden Winkel immer mal was aus und ist ständig am Umordnen. Der Besucher bekommt eine Vorstellung, wie es wohl im Paradies aussehen könnte: Blumen in allen Farben und Düften, perfekt durchkomponiert. Am alten Erntewagen hängen verschiedene blaue Emaillegefäße, natürlich farblich passend bepflanzt. In einer Ecke stehen Dutzende alte Gießkannen mitten im wuchernden Grün. Sie wirken nicht wie vergessen, sondern wie ein Kunstwerk. In den ganz wenigen Arbeitspausen sitzt sie dann in einer lauschigen Ecke bei einem ihrer 15 möglichen Tees, die selbstverständlich auch aus ihrem Garten kommen. Ab und zu gehen dann auch mal ihre Gedanken zurück und sie erinnert sich, wie es einmal angefangen hat.
Die am Stadtrand von Halle/Saale Aufgewachsene musste schon sehr früh in der elterlichen Landwirtschaft mithelfen. Der Vater war invalid und frühzeitig verstorben, die Mutter war mit den Kindern allein und auf deren Mithilfe angewiesen. Gisela wuchs in ihre Aufgaben hinein, sie war besonders für den Garten verantwortlich, der die ganze Familie zu ernähren hatte. Aber ihre Interessen und Neigungen hat das nicht befriedigen können, denn ihre Sehnsucht war die große weite Welt – neugierig gemacht durch eine von ihr sehr verehrte Geographielehrerin. Gisela wollte nur noch reisen, reisen …, ein Ziel, welches unter damaligen DDR-Verhältnissen in nur sehr kleinem Maßstab zu verwirklichen war. Den Facharbeiter für den Betriebs- und Verkehrsdienst der Deutschen Reichsbahn sah sie als Sprungbrett, aber erst Jahrzehnte später konnte sie sich die „Faszination Ferne“ erfüllen, nachdem sie an der Volkshochschule einen Reiseleiterkurs belegt hatte.
Nach der Hochzeit folgte der Umzug von Halle in eine Lübbener Neubauwohnung mit allem Komfort – aber ohne Garten. Deshalb musste sofort eine kleine Parzelle angepachtet werden, die dann Jahrzehnte bewirtschaftet wurde. Sie arbeitete beim Rat des Kreises und später als Sekretärin bei der Handelsorganisation. In dieser Zeit musste sie eine Reihe von schweren Schicksalsschlägen in ihrer Familie hinnehmen, auch ihr Ehemann verstarb plötzlich und unerwartet.
Im Sportlehrer Gerd Mörl fand sie später wieder einen Halt. Sie übernahmen sein seit vielen Jahren unbewohntes Elterngrundstück in Straupitz, ihr späteres Paradies. Erst mal wurde alles abgerissen und neu aufgebaut. Nach vielen Jahren gemeinsamen Schaffens wurde es zu dem, was sie sich anfangs gar nicht vorstellen konnten. „Ich habe hier meine Kindheit und die schweren Schicksalsschläge verarbeitet. Ich will nur noch Blumen, Lachen und Freude um mich herumhaben, nichts Schwarzes, bestenfalls nur schwarzen Humor“, sagt Gisela Liebsch.
Jährlich zu Weihnachten werden mit sehr viel Aufwand über 300 Schnee- und Weihnachtsmänner aufgestellt und geschmückt, sie bilden dann vor dem Haus eine Lichterparade. Zu Ostern werden sie von eben so viel Osterdekorationen abgelöst, bevor danach die Sommerblumen schon von weitem den Besucher auf etwas Besonderes aufmerksam machen. Dieser spürt es förmlich, es zieht ihn an; das Paradiesische. So nimmt es auch nicht Wunder, das schon sehr viele Drehteams ein und ausgingen, Gartenzeitungsredakteure sich die Klinke in die Hand gaben und Fotografen jeden Winkel ausleuchten. „Irgendwann werde ich das alles einmal aufschreiben, mein ganzes verrücktes Leben. Denn ohne diese gewisse Verrücktheit, in der mich mein Partner auch noch unterstützt, wäre dies alles nicht möglich gewesen“, bekennt freimütig Gisela Liebsch.
Sie findet aber auch immer wieder Zeit für andere Hobbys: Beide sind seit vielen Jahren im Line Dance aktiv. Gisela liebt Sport, baute eine Cheerleader Gruppe in Lübben auf und betreute fünf Jahre lang die Straupitzer Trachtentanzgruppe. Auf zahlreichen Festen der Region tritt sie mit der „Lausitzer Oldstyle Company“ auf.
Peter Becker, 09.08.23
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