Neu Zaucher Stollenreiten

Im Spreewalddorf Neu Zauche gibt es zur Sommerzeit Weihnachtsstollen und eine Tabakspfeife, hier leben uralte Traditionen fort. Kaum jemand kennt noch die Wurzeln, doch das Brauchtum wird -besonders durch die Dorfjugend- fortgelebt.

Zum Gruppenbild vor der Neu Zaucher Kirche trugen die Damen zu ihrer Festtagstracht noch die obligatorischen schicken schwarzen Halbschuhe, doch im Hintergrund lagerten bereits die sportlichen Treter. Mit diesem Schuhwerk ließ es sich später auf dem Stoppelacker bestens gehen, auch der sportliche Wettkampf der Damen im Gummistiefel-Weitwurf war somit trittsicherer zu bewältigen.

Nach dem Gruppenfoto ging es direkt zum Brunnenplatz.  Romy Lehmann und Leonie Nowigk begrüßten und erläuterten kurz den Hintergrund des Stollenreiterbrauchtums und verlasen eine wohltuend lange Liste der Sponsoren. Diese zeigte die Verbundenheit der Menschen mit ihrem Spreewälder Brauchtum auf, teilweise auch über die Dorfgrenzen hinausgehend.

Nach dem Ausmarsch auf den Stoppelacker, voran die Musiker der „Spreewälder Jungs“, ging es sogleich um die Ausrichtung des Reiterwettkampfs, schließlich scharrten die Pferde schon mit den Hufen und wollten unbedingt die Zügel lockergelassen bekommen. Entsprechend temperamentvoll verlief auch der Start der ersten Gruppe auf der 500-Meter-Strecke: Felix Krause wurde gleich nach dem Start abgeworfen, das Pferd floh in Richtung heimischer Stall. Doch bald gab es Entwarnung, dem Reiter ging es gut und dem Pferd konnte durch beherztes Eingreifen eines Helfers der Weg abgeschnitten werden.

Zu den Besonderheiten des Neu Zaucher Reit-Wettbewerbes gehört es, dass nur mit einer Satteldecke geritten wird. Dies gibt etwas weniger Halt und verlangt vom Reiter viel Geschicklichkeit. Eine weitere Zauch’sche Besonderheit ist das Reglement, nur die ersten drei aus der jeweiligen Runde erneut ins Rennen zu schicken.  Die verbleibenden letzten drei (langsamsten) Reiter reiten um den „Pfeifenpokal“: So bekommt der Schnellste der Langsamsten doch noch einen Siegerkranz, darin sind eine Tabakspfeife und ein Päckchen Tabak eingebunden. Warum es gerade eine Tabakspfeife sein soll, wusste niemand zu erklären. Selbst eine Befragung unter den älteren Zuschauern erbrachte stets die gleiche Antwort: „Das war schon immer so!“. Jedenfalls durfte sich Jonas Lieske auf seinem nicht ganz so temperamentvollen „Fred“ am Ende des Wettkampfs über dieses Präsent freuen –  allerdings schon zum wiederholten Mal.

Max Gnädig stürmt auf „Seninia“ ins Ziel und belegt den ersten Platz.

Die schnellsten Reiter waren in der Reihenfolge Max Gnädig, Max Koppelt und Karl Koppelt, die „Seninia“, „Üchsen“ und „Bommel“ zu Höchstleistungen überzeugen konnten. Sieger Max Gnädig befand sich mit dem Pferd selbst im Wettkampf, denn es hatte einen starken Eigenwillen, den der Reiter im richtigen Moment allerdings zu nutzen wusste, damit er das Tier in die richtige Richtung, zum Ziel, lenken konnte. Pferd und Reiter bekamen je einen Eichenkranz, der Reiter noch dazu die namensgebende Stolle, je nach Leistung abgestuft in halbes, ganzes und eineinhalbes Kilogramm. Das eigentlich weihnachtliche Gebäck wurde von Harry Tietz gesponsert.  Dieses bekamen auch die Siegerinnen im Gummistiefelweitwurf.

Beim Gummistiefelweitwurf zeigten die jungen Damen ihre sportlichen Fähigkeiten, in dem sie zwei Gummistiefel verschiedenen Gewichts möglichst weit auf den Stoppelacker warfen. Es gab es die tollsten Ergebnisse, von Null (weil auf den eigenen Füßen gelandet), bis Minus (weil rückwärts in Zuschauernähe aufgeschlagen) bis hin zu einem sehr ordentlichen 20-Meter-Wurf. Amalia Kuhla war hier die Siegerin, sie krönte ihren Sieg mit einem Freudentanz auf dem Stoppelacker. Ihr folgten auf den Plätzen Sophie Richter und Laurina Thele.

Abschließendes Gruppenbild der Siegerinnen und Sieger: v.l. Amalia Kuhla, Sophie Richter, Laurina Thele, Karl Koppelt, Max Koppelt, Max Gnädig.

Zum Abschluss gab es noch einen Sackhüpf-Wettbewerb für die männliche Jugend. Mit einem viel zu kleinem Sack aus dem Supermarkt (die achselhohen Säcke von früher scheint es nicht mehr zu geben) musste ein Ziel in Bestzeit umrundet werden. Es gab einige harmlose Stürze, Dominik Kanter hieß am Ende der Sieger. Mit einem sehr sportlichen Zuschauereinsatz, geboten von den älteren Herren Dr. Gerhard Wangerin und Peter Arndt, endeten die Wettbewerbe. Beide nahmen sich beim Sackhüpfen kurz vor dem Ziel in die Hand und beendeten den Wettkampf als gemeinsame Sieger.

So geht Sportsgeist beim Zuschauereinsatz: Gemeinsam wird ins Ziel gehoppelt.

Zum Fotoalbum

Peter Becker, 05.08.25

Über Peter Becker 464 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf, Spreewaldkenner

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar zu Jürgen Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.