Matt Fisher – ein Engländer in Raddusch

„German Schnitzel – i like it!” antwortet Matt Fisher spontan auf die Frage, was ihm an Deutschland am besten gefällt. Der 26-Jährige kommt aus Newcastle, er ist von Deutschland und seiner Geschichte angetan – und er will unbedingt die Sprache lernen. Für ihn geht das am besten durch einen längeren Aufenthalt in Deutschland. Ein erster Besuch in München und Frankfurt vor einiger Zeit verlief eher enttäuschend für ihn: „Sobald die in mir den Engländer erkannten, sprachen alle sofort Englisch mit mir – wie soll ich da Deutsch im Alltag lernen?“ Matt suchte weiter; von irgendjemand kam der Tipp, es doch mal im Osten zu versuchen, „da können längst nicht alle Englisch“, gab man ihm auf den Weg.

Über ein Internetportal fand er tief im Osten die Radduscher Alpaca Finca. Franziska Ast, die Farmerin, war auf der Suche nach saisonaler Unterstützung, besonders nach einem Englisch sprechenden Tourguide, denn die von ihr angebotenen Alpakawanderungen werden immer öfter auch von internationalen Gästen gebucht. Franziska Ast filterte unter den zahlreichen Bewerbern für Work & Travel  ihn heraus. Warum? „Viele schrieben in ihrem Profil, dass sie Tiere lieben und gern Sonnenuntergänge genießen. Matt schrieb, dass er als Engländer schlechtes Wetter gewohnt ist, schon mit Ziegen und Schafen in den USA gearbeitet hat und er Deutsch lernen möchte!“, erinnert sich Franziska Ast. „Den nehme ich gern, das probieren wir mal für die nächsten drei Monate aus.“ Mit ihrem Partner Marian Mende wurden die Details besprochen, Verpflegung und Unterkunft sollten kostenfrei sein, hinzu kommt ein Taschengeld.

Nach seiner Ankunft machte sich Matt sofort an die Arbeit, er scheut sich nicht vor den schmutzigsten Aufgaben und sieht auch die Arbeit.  Marian Mende: „Nach einem schweren und zudem noch verregneten gemeinsamen Arbeitstag war ich froh, Feierabend machen zu können. Matt aber zog es vor, erst mal einen Spaziergang in den Spreewald zu machen – zur Erholung.“  Mit dem „zwangsweisen“ Deutschlernen ist es auf dieser Farm so eine Sache, denn seine Arbeitgeber beherrschen beide die englische Sprache, aber schon außerhalb des Hofs darf und muss er seine erworbenen Deutschkenntnisse anwenden. Mit dem ihm überlassenen DDR-Fahrrad Marke „Diamant“ macht er sich in seiner Freizeit auf Entdeckungstouren. In Lübbenau war ihm kürzlich der Appetit auf ein Pint im Pub gekommen, „aber weit und breit gab es keinen Pub, allerdings sehr gutes Bier und unglaublich gute Schnitzel“, erinnert er sich an seinen ersten Ausflug in die „große Stadt“.

Die Gastgeberfamilie kann sich sehr gut vorstellen, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu beantragen – wenn Matt das auch möchte. „Ich bin für alles offen, ich kann mir alles vorstellen. Der Spreewald, der Familienanschluss und die Arbeit gefallen mir sehr – vielleicht entwickelt sich hier etwas, wovon ich heute noch gar keine Vorstellung habe“, lässt er durchblicken. Das kürzliche Dorffest, den großen Fastnachtsumzug, erlebte er nicht als Zuschauer, sondern mittendrin. Franziska Ast: „Wir haben ihn in einen schwarzen Anzug gesteckt und eine Laufpartnerin organisiert. Hannah Liebig war wegen Erkrankung ihres Partners ‚frei‘ und sagte sofort Ja zu ihrer englischen Begleitung.“ Matt steht immer noch unter dem Eindruck der geballten Traditionspflege und den vielen hübschen Mädchen in Tracht: „Ich habe bestimmt tausend Fotos nach Hause geschickt, meine Eltern sind begeistert und haben sich Deutschland so gar nicht vorgestellt!“ Ebenso gefühlt viele Fotos hat er von der Schneelandschaft gemacht, die für kurze Zeit auch die Alpaca Finca verzauberte. „Ich habe so etwas noch nie live erlebt, bei uns daheim gibt es keinen Schnee!“, sagt Matt. Er wirkt dabei etwas nachdenklich, so, als ob er vielleicht doch noch auf einen weiteren Winter im Spreewald setzt. Franziska Ast und Marian Mende werden ihm diesen Wunsch bestimmt nicht abschlagen.

Peter Becker, 13.03.25

Über Peter Becker 425 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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