Holger Bartsch – eine Institution übergibt eine Institution

Holger Bartsch war zuletzt fast zwei Jahrzehnte Vorsitzender der Bürgerstiftung Kulturlandschaft Spreewald, er übergibt das Amt nun in jüngere Hände. Hinter dem fast 84-Jährigen liegt ein bewegtes und erfülltes Leben für die Gemeinschaft, besonders für die in Umbrüchen befindliche Lausitz.

Der gewaltsame Verlust der Heimat gehört zu den schlimmsten Ereignissen im Leben einer Familie. Im Falle des damals vierjährigen Holger Bartsch hat dies allerdings seine Eltern viel mehr als ihn betroffen gemacht, als sie 1945 ihr heimisches Breslau verlassen mussten. Die Nazi-Führung hatte die Stadt an der Oder zur Festung erklärt und die Bevölkerung anfangs noch einigermaßen geordnet evakuiert. „Ich selbst kann mich nur noch an eine lange Lkw-Fahrt erinnern, die meine Mutter und mich ins Osterzgebirge führte, wie ich später von ihr erfuhr“, erinnert er sich heute an die schlimme Zeit, die seine Eltern durchmachen mussten.

Wegen einer langwierigen Erkrankung konnte Holger erst ab 1948 die Grundschule besuchen. Häufiger Wohnortwechsel der Eltern führte auch zu mehreren Schulorten, das Abitur legte er 1960 in Radebeul ab. Technisch interessiert wie er war, der Vater war Elektromeister, wollte er ein Physikstudium aufnehmen, aber die Staatsführung der DDR verlangte damals, dass sich die zukünftige Intelligenz erst einmal ein Jahr in der Produktion zu bewähren hätte. Im Zementwerk Rüdersdorf sollte 1960 die „Bewährung in der Praxis“ stattfinden. Er erinnert sich aber auch an seine ersten Erfahrungen „mit dem Kapitalismus“, denn an den Wochenenden fuhr er nicht jedes Mal heim ins Sächsische, sondern auch mal ins Kino nach Westberlin …!

Das Physikstudium an der TU Dresden brach er 1963 ab, weil es ihm „zu theoretisch“ geworden war. Er erlernte dafür den Beruf eines Hochspannungsmonteurs, um anschließend in Zittau ein Ingenieursstudium der Elektrotechnik aufzunehmen. Inzwischen verheiratet und Vater geworden, spielte die Wohnungssuche – wie bei allen jungen Familien damals in der DDR- eine sehr große Rolle. Ein Freund gab ihm den entscheidenden, lebensverändernden Tipp, wie sich später herausstellen sollte: In Lübbenau, im neuen Kraftwerk, suchen sie für den Aufbau eines Rechenzentrums Ingenieure – und dort soll es Neubauwohnungen geben! „An einem grauen Novembertag kam ich in der damals noch sehr grauen Stadt Lübbenau mit den rauchenden Schloten an und fühlte mich erst mal gar nicht wohl – nicht vorstellbar, dass diese Stadt für meine Familie und mich dann doch der Lebensmittelpunkt werden sollte“, erinnert sich Holger Bartsch an seine Ankunft 1967 in der Kraftwerkerstadt.

Bis zur politischen Wende 1990 blieb er Kraftwerker, doch dann reizten ihn die sich plötzlich auftuenden politischen Mitgestaltungsmöglichkeiten. Noch im selben Jahr wurde er in den Kreistag des Landkreises Calau gewählt und führte dort bis zu seinem Eintritt in den Bundestag im Dezember 1990 die SPD-Fraktion an. Vom 20. Dezember 1990 bis zum 10. November 1994 war Bartsch Mitglied des Deutschen Bundestages, nachdem er über die Landesliste der SPD in Brandenburg gewählt worden war. Mit dem Zusammenschluss der Landkreise Calau und Senftenberg 1994 wurde er Landrat und blieb dies bis zum Renteneintritt 2006.

Holger Bartsch ist nicht der Typ, der sich von einem Termin, wie etwa dem Renteneintritt, von dem ablenken lässt, was er gern tun möchte, nämlich sich weiterhin in die Gestaltung der Gesellschaft einzubringen. Der Brandenburger Landtagsabgeordnete Werner-Siegwart Schippel, ein Spreewälder, hatte dies damals wohl erkannt und bat Holger Bartsch, sich für eine Spreewaldstiftung zu engagieren, die vom Biosphärenreservat auf den Weg gebracht werden sollte. Wegbrechende jahrhundertealte Strukturen und Bewirtschaftungsmethoden drohten die Spreewald-Kultur-Landschaft zum Nachteil zu verändern, wenn nicht gegengesteuert wird. Holger Bartsch: „Ich hatte mich schon im Leben als Techniker eingebracht, habe Politik gestaltet – und nun erwartete mich ein weiteres Betätigungsgebiet, der Schutz der Natur und Landschaft: Ich habe es angenommen!“

Noch im selben Jahr, am 19. Dezember 2006, erfolgte der erste Schritt zur Gründung einer Stiftung. Inzwischen ist sie nicht mehr im Spreewald wegzudenken, ihr Kapital ist angewachsen, doch die Zinserträge sind für die zahlreichen Aufgaben jedoch nicht ausreichend. „Als Stiftung können wir allerdings Fördermittel aus dem Vertragsnaturschutz beantragen. Um 50 Hektar Feuchtwiesen zu pflegen, sind weitere Anstrengungen nötig. Mit der Wiesenaktie ist uns gelungen, mehr Bürger einzubeziehen: Mit nur 50 EUR Investition kann geholfen werden, der ‚Zinsertrag‘ ist für den Erwerbenden eine gesundende Spreewaldlandschaft zum Wohle aller“, sagt Holger Bartsch, der eine Idee von Michael Petschick, seinem Stellvertreter, aufgegriffen und mit ihm gemeinsam umgesetzt hat.

Für sein Wirken für die Gemeinschaft, besonders für die in Umbrüchen befindliche Lausitz, als Bundestagsabgeordneter, als Landrat und Stiftungsvorsitzender, erhielt Holger Bartsch 2012 aus den Händen des damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck den Verdienstorden des Landes Brandenburg.

Die Spreewaldstiftung

Die Spreewaldstiftung ist eine Bürgerstiftung, sie wurde mit dem Ziel der Erhaltung der Spreewaldkulturlandschaft geschaffen („Bürger engagieren sich für die Region“). Am 7. Mai 2007 wurde sie vom Innenministerium des Landes Brandenburg per Stiftungsurkunde anerkannt. Ein Kuratorium steht der Stiftung vor, ein Vorstand regelt die Geschäfte. Das (unantastbare) Stiftungskapital betrug anfangs 50 000 Euro und wurde von den drei Spreewaldlandkreisen, Kommunen sowie Einrichtungen und Privatspendern eingebracht; es beträgt inzwischen durch weitere Spenden 129 000 Euro. Die Zinseinnahmen, jährlich etwa 2000 Euro, werden satzungsgemäß für Pflege und Erhalt der Spreewaldlandschaft verwandt.

spreewaldstiftung.de/die-stiftung

Peter Becker, 30.01.25

Über Peter Becker 417 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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