Hunderte Auftritte hatten die beiden Mundartsprecher Christa und Siegfried Janzen in den zurückliegenden Jahren, meist auf Volks-, Dorf- und Familienfesten in der Spreewaldregion. Ihr gemeinsam erarbeitetes sechstes Mundartbuch lag druckfrisch vor, Christa Janzen hielt es noch in den Händen – bevor sie plötzlich und unerwartet am 26. September 2021 verstarb. Ihrem Ehemann hatte sie noch dessen 90. Geburtstag vorbereitet, beider 62. Hochzeitstag war ein Tag zuvor – plötzlich meinte das Schicksal es mit ihnen nicht gut, ihre plötzliche Erkrankung warf alle Pläne über den Haufen. Jahrzehnte waren sie gegenseitige Stichwortgeber, auf der Bühne wie im Leben – nun bleibt das für immer aus.
Mit dem „Spreiwälderdeitsch“ der beiden Mundartsprecher, eine Mischung aus wendischen und deutschen Begriffen, fühlen sich gerade die Älteren an ihre Kindheit und Jugend erinnert, während die Jüngeren heut so ihre liebe Müh’ haben, es zu verstehen. Christa Janzen konnte das gut nachvollziehen, schließlich war die 1941 geborene immer wieder Ohrenzeuge gewesen, wenn sich die Großeltern oder Nachbarn im heimischen Groß Lübbenau unterhielten. Neugierig wie sie war, wollte sie natürlich möglichst viel verstehen und fragte immer mal nach. Ihr lag bald diese eigenartige Sprache, es machte ihr Spaß, sie zu übernehmen. Mit ihren Freundinnen, ja sogar mit den Puppen sprach sie diesen Dialekt, der in den Dörfern rings um Lübbenau gepflegt wurde. „Mit de Sproache bin i glei kloa ekumm“, gab Christa gern eine Hörprobe zum Besten, wenn Sie nach den Anfängen gefragt wurde. Sie verwies bei jeder Gelegenheit darauf, dass es den älteren Spreewäldern immer noch ziemlich egal ist, ob es „die“, „der“ oder „das“ heißen muss. „Hier gehen die Leute auch ‚uffs Acka‘, nicht auf den Acker.“
Bis zu den gemeinsamen öffentlichen Auftritten nach der politischen Wende war es noch ein weiter Weg, in den ihr Gatte erst noch eingebunden werden musste. Der 1931 im westpreußischen Elbing geborene und zur hochdeutschen Sprache durch seine Mutter erzogene Siegfried Janzen, hätte es sich damals sicher nicht vorstellen können, dass er einmal genau das Gegenteil von Hochdeutsch pflegen würde. Siegfried folgte dem Ruf „Neue Lehrer braucht das Land“ und wurde in einem einjährigen Schnelldurchgang zum Pädagogen ausgebildet. Nach Groß Lübbenau versetzt, trafen sich beide Schicksalslinien, der schmucke Neulehrer war im Dorf bald bekannt und beliebt. Die achtzehnjährige Christa empfand sogar noch etwas mehr für ihn, es wurde auch bald geheiratet und zwei Kinder folgten kurz hintereinander. Christa Janzen arbeitete als Kindergärtnerin in Groß Lübbenau und Boblitz, sie nähte für die Kleinen Trachten, erzählte wendische Sagen und sang mit ihnen bei öffentlichen Auftritten, mal in Wendisch, mal in Deutsch.
Auf ihrem Hof hatten die Janzens eine kleine Heimatstube mit Backhaus eingerichtet. Der Ofen kommt zu Festen zu Ehren, Brote und Kuchen werden kräftig geschoben. „Aber vorher kam stets das lange Rühren: Meine Frau war überzeugt davon, dass an guten Kuchen keine Maschine darf. Deshalb rührte sie mit der Keule stundenlang den Teig, sie ließ sich auch nicht davon abbringen, eine sture Spreewald’sche eben. Aber irgendwie muss sie Recht damit gehabt haben, ich kenne keinen besseren Kuchen – und werde ihn wie so vieles andere, was ihre Handschrift trug, vermissen.“
Der Radduscher Manfred Kliche trat oft mit den beiden auf, er waren ihnen seit Jahrzehnten verbunden: „Wir haben uns gegenseitig geholfen, Kostüme ausgetauscht und immer wieder an den Programmen gefeilt. Christas Engagement bleibt mir unvergessen“. Auch Marlene Jedro war oft mit ihnen auf der Bühne, meist als leip’sche Maika. „Ich half Christa bei der Erfassung der Mundarten, die sich durchaus von Ort zu Ort manchmal unterschieden. Christas Verdienst ist es, dies alles für die Nachwelt in den zahlreichen Mundart-Büchern festgehalten zu haben, der Unterstützung ihres Ehemanns konnte sie sich dabei stets sicher sein. Sie wird den immer weniger werdenden Mundartlern sehr fehlen“, sagt Marlene Jedro.
Peter Becker, 20.10.21
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