„Der kann sich eine Pfeife anzünden …!“

Männertaschentücher und Wendekjacken, Stollen und Tabakspfeifen – vom Neu Zaucher Brauchtum und seinen Wurzeln

In Neu Zauche pflegt die Jugend ein überkommenes Brauchtum, sie hat sich die seit Generationen angestammten Traditionen zu eigen macht. „Jugendchefin“ Romy Lehmann: „Wir sind kein Verein, aber wir sehen uns in der Pflicht, das fortzuführen, was wir von unseren Eltern und Großeltern vorgelebt bekommen haben.“

Die Fastnacht und das sommerliche Stollenreiten gehören zu den Höhepunkten im dörflichen Traditionsleben. Beim Fastnachtstanz zelebrieren die Neu Zaucher einen Brauch der besonderen Art: Die Mädchen tragen beim abendlichen Tanz ein verknotetes Taschentuch ihres Partners auf dem Kopf und dessen Jacke linksherum: Dies soll ein Zeichen der gegenseitigen Fürsorge sein, denn zur Fastnachtszeit ist es meist kalt und regnerisch. Ganz der modernen Zeit entsprechend, ging vorher eine „Warnung“ in der dörflichen WhatsApp-Gruppe voraus: „Jungs, sauberes Stofftaschentuch mitbringen!“ In Zeiten von Papiertaschentüchern eine verständliche Erinnerung und für den einen oder anderen jungen Mann eine gewisse Herausforderung, die aber mit familiärer Unterstützung gut zu bewältigen war.

Sonderbare Preise beim Stollenreiten

Eine weitere Zauch’sche Besonderheit ist das seit Urgroßväterzeiten bestehende Reglement beim Stollenreiten, jeweils die ersten aus den jeweiligen Runden erneut ins Rennen zu schicken. Die so ermittelten Sieger bekommen fürs Pferd und für sich einen Eichenkranz und dazu je einen Stollen, nach Leistung abgestuft in ein halbes, ganzes und eineinhalbes Kilogramm. Das Gebäck wurde vom ehemaligen Neu Zaucher Bäcker Harry Tietz gesponsert. Da auch die Mädchen ihre Wettbewerbe abhalten – früher das Junggesellenkarren, heute der Gummistiefelweitwurf –, bekommen diese die gleichen Preise.

Der Stollen war früher als Verpflegung für die Erntenden gedacht. Harry Tietz „Er war außen weder gebuttert noch gezuckert und somit in der Wärme besser zu handhaben, war lange haltbar, nahrhaft und fruchtig.“ Bei Frank Urban in Straupitz bäckt er die sechs Stollen im Steinbackofen, da die eigene Bäckereitechnik nicht mehr zur Verfügung steht. „Ich sehe dies als meinen kleinen Beitrag, die sehr aktive Dorfjugend zu unterstützen, ich will helfen, solange es geht“, sagt Harry Tietz.

Unter dem Spargelkraut befindet sich ein Stollen.
Die Stollensieger aus Pferderennen und Gummistiefelweitwurf.

Der „Pfeifenpreis

Eine wohl aus Erfahrung geborene Besonderheit ist der „Trostpreis“ für den letzten der Reiter. Zum Eichenkranz gibt es ein Päckchen Tabak und eine Tabakspfeife. Allerdings soll es früher vorgekommen sein, dass man lieber Letzter als Vorletzter geworden ist, denn in Zeiten knapper Kassen war dies ein durchaus begehrtes Geschenk. Damit aber niemand absichtlich verliert, kämpfen die drei Letzten aus den Vorrunden um den „Tabakspokal“. Damit ist auch in dieser Runde ein gewisser Wettkampfgeist vorhanden, denn nur der Sieger aus diesem Wettbewerb ist dann auch derjenige, der den Tabakspreis erhält und nicht einer seiner beiden Verfolger. (Es gibt bestimmt nicht viele Wettbewerbe, bei denen der Drittletzte einen Preis erhält!)

Annabel Neumann zeigt den „Pfeifenpreis“ für den Drittletzten beim Stollenreiten.

Warum es gerade eine Tabakspfeife ist, wusste niemand spontan zu erklären. Selbst eine Befragung unter den älteren Zuschauern des Wettrennens erbrachte die gleiche (bekannte) Antwort: „Das war schon immer so!“. Doch es gibt eine Redewendung, die sicher auch in Neu Zauche bekannt war: „Der kann sich eine Pfeife anbrennen!“ Gemeint ist damit fehlender Leistungswille oder Versagen. Im Kontext des Pferderennens wohl eine Art Drohung für den Letzten, sich doch beim nächsten Mal mehr Mühe zu geben. Die ehemalige Neu Zaucherin Hannelore Hecht, seit 1975 in Klein Leine lebend, kann dies bestätigen: „Als Jugendliche habe ich öfter mitbekommen, dass dem Letzten angeraten wurde, sich zukünftig mehr Mühe zu geben und mit dem Pferd zu üben. Er solle sich nun seine ‚gewonnene‘ Pfeife anzünden, in eine stille Ecke setzen und darüber nachdenken, was er falsch gemacht hat.“

Hannelore Hecht schwärmt heute noch von den Traditionsfesten in Neu Zauche und erinnert sich an viele Begebenheiten am Rande, wie etwa von Pferden, die samt Reiter vom Stoppelfeld in den heimischen Stall liefen oder an den Brauch, dass die Herren zum Fastnachtsessen in der Gaststätte zwei rohe Kartoffeln beizutragen hatten – etwas, was übrigens immer noch zelebriert wird.

Peter Becker, 14.08.2025

Über Peter Becker 464 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf, Spreewaldkenner

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