DIE SLAWENBURG

Rückblick und Ausblick im 21. Jahr des Neu-Bestehens der eigentlich 1100 Jahre alten Wallanlage

Seit 2003 ist das kreisrunde Bauwerk als Slawenburg Raddusch bekannt, doch seit wenigen Wochen, seit dem Betreiberwechsel, trägt sie einen neuen Namen, besser gesagt, gleich mehrere: Wegen ihrer überregionalen Bedeutung trägt sie SLAVONIC CASTLE im Titel, sowie die nieder- und obersorbischen Bezeichnungen – oder im allgemeinen Sprachgebrauch einfach DIE SLAWENBURG und wohl noch lange Zeit, aber auslaufend, die gewohnte Bezeichnung Slawenburg Raddusch.

Das offizielle Burglogo, mit Familienwappen

Es ist das Wappen der Vorfahren Chmelíks, der alten tschechischen Adelsfamilie Wlassaty Edle von Vlastidol, urspr. von Domoslav, die jetzt in Baden-Württemberg lebt. Der Urgroßonkel, Carl Wlassaty Edler von Vlastidol war der persönliche Adjutant des späteren letzten österreichischen Kaisers Karls I.

Im 21. Jahr des Burgbestehens erfolgte nach der Trägerschaft durch die Stadt Vetschau eine Übernahme durch David Chmelík im Rahmen eines Pacht- und Nutzungsvertrages, mit dem Ziel, ihn in einen Erbbaurechtsvertrag umzuwandeln. Dieser Trägerwechsel war für die Stadt Vetschau ein Glücksfall, denn die hohen Kosten hätten auf längere Sicht von der Stadt nicht mehr getragen werden können – eine Schließung der Burg wurde immer öfter laut gedacht und ausgesprochen. s. 20 Jahre Slawenburg

Dass dies nicht eingetreten ist, ist einem Zufall zu verdanken: David Chmelík ist Präsident der 2016 in Brüssel gegründeten SLAVONIC EUROPE-Stiftung und auf Einladung des Serbski Sejms besuchte er am 18. November 2023 die Slawenburg in Raddusch. „Hier formte sich vor meinen Augen etwas, was ich schon lange wollte, aber noch nicht in die richtigen Bahnen lenken konnte. Mir als Bürger mit slawischen Wurzeln schwebte seit Jahren vor, etwas für die angestammte Bevölkerung zu tun, den Stolz auf ihre Herkunft zu stärken, sie zum Leuchten zu bringen. Es brauchte einen Ort, der dies repräsentieren konnte – und das war ganz einfach diese Burg!“, erinnert sich Chmelík an seine erste Begegnung, die ihn sofort in den Bann zog. Seine Ideen zur Nutzung der Burg fand sehr offene Ohren bei der Stadt und ihren Verantwortlichen. Innerhalb kurzer Zeit kam es durch intensiv geführte Verhandlungen zum Betreiberwechsel: Am 15. August 2024 übergab Vetschaus Bürgermeister Bengt Kanzler den symbolischen Schlüssel an David Chmelík – zehn Monate, nachdem dieser erstmalig den Burgwall betrat.

Übergabe der Trägerschaft von der Stadt Vetschau durch Bürgermeister Bengt Kanzler (li.) an David Chmelík.


Der Europäer David Chmelík

David Chmelík wurde 1968 in Kladno (damals Tschechoslowakei) geboren und verbrachte die frühe Kindheit mit seinen Eltern in Prag. Die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ in seinem Geburtsjahr wirkte bei der Familie noch lange nach, sie wollten dem System entrinnen. Eine Fluchtmöglichkeit ergab sich 1980 über Jugoslawien nach Deutschland, die Familie fand zunächst bei Verwandten in Augsburg Unterkunft.

David Chmelík studierte nach dem Abitur in München, Berlin, Bonn und Luxemburg Klassische Philologie (Latein, Altgriechisch) und Volkswirtschaftslehre und legte 2003 das Diplom in Luxemburg ab. Ab 2005 war er für Haushaltsfragen als EU-Beamter in Brüssel tätig, zwischenzeitlich auch 2009 für mehrere Monate in Prag, als das Land die EU-Ratspräsidentschaft innehatte.

Mit der Gründung der Stiftung SLAVONIC EUROPE und seiner Präsidentschaft stieg er 2016 aus dem ihm „zu eng gewordenen Korsett einer Beamtenlaufbahn“, wie er es begründete, aus.

David Chmelík widmete sich nahezu ausschließlich nur noch der Aufgabe, die slawischen Kulturen zu verbinden, um besonders dabei auch Osteuropa mehr in das europäische Interesse zu rücken. Chmelík: „Das gelingt eher über die Regionen als über die Hauptstädte. Die Lausitz mit den angrenzenden Nachbarländern, besonders das Dreiländereck, ist dafür bestens geeignet – mit der Slawenburg als dem kulturellem Zentrum! Ich möchte von hier aus helfen, eine Brücke zwischen Ost- und Westeuropa bauen, denn Europa wird immer noch zu sehr als Westeuropa gesehen und gedacht und weniger von seiner slawischen Geschichte her.“ Mit seiner Initiative Lausitzer Leuchten, dem LUSATIA GLOW, hat er schon ein bedeutendes Resultat aufzuweisen.

David Chmelík ist ein breitaufgestellter Mensch, denn er beherrscht mehrere Sprachen: Tschechisch, Slowakisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Latein und Altgriechisch. Dank seiner slawischen Sprachkenntnisse des Tschechischen und Slowakischen kann er sich auch mit den Lausitzer Sorben / Wenden in ihrer Muttersprache verständigen. Er ist Komponist und Autor.

Die Burggeschichte

880 – 930

Der Wall wurde als Trutzburg gegen Feinde, besonders gegen die anrückenden Christianisierungsheere der deutschen Kaiser, errichtet. Sie hatte einen 10 Meter breiten eichenen Wall in Rostbauweise und einen breiten Sohlgraben. Es gab zwei Zugänge durch Tortunnel.

950 – 963

Die Burg wurde weiter ausgebaut und verstärkt. Im Inneren wurden vier Brunnen in Kastenbauweise errichtet.

963

Der sächsische Markgraf Gero unterwarf die Slawen vom Stamme der Lusitzi. Die Burg wurde aufgegeben und verfiel mit der Zeit.

Der Burgwall war noch jahrhundertelang als ringförmige Erhebung erkennbar, wurde aber durch landwirtschaftliche Nutzung überschliffen.

1984 – 1990

im Rahmen von Tagebauvorfelderkundungen fanden Rettungsgrabungen statt, bevor der Braunkohle-Tagebau Seese Ost die Stelle erreichten sollte. Die politische Wende bedeutete das Aus für den Tagebau. Heute befinden sich in unmittelbarer Burgnähe die Tagebaurestseen Bischdorfer und Kahnsdorfer See, die noch auf eine touristische Erschließung nach Freigabe durch den Bergbaubetrieb warten.

1999 – 2003

Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) wurde vom Bergbaubetrieb LMBV neben den Terrassen in Großräschen und der Abraumförderbrücke F 60 in Lichterfeld die Slawenburg Raddusch (wieder)errichtet. In der äußeren Hülle ist sie wie einst, aber im Inneren mit einem Hohlkörper aus Beton versehen, der ebenfalls ringförmig ist und Raum für die Exponate bietet und weitere Nutzungen ermöglicht.

In der Burg sollten besonders die Zeugnisse aus 10 000 Jahren Lausitzer Geschichte, die im Rahmen des Bergbaus gesichert wurden, ausgestellt werden. Das Projekt wurde „Archäologie der Niederlausitz“ genannt. Im Rahmen der Umgestaltung kamen 2020 weitere Exponate hinzu, sodass jetzt 130 000 Jahre Menschheitsgeschichte abgedeckt werden konnten. Um die Dimensionen der Besiedlungsgeschichte zu verdeutlichen, wurde ein Zeitsteg um die Burg angelegt, auf dem der Besucher maßstäblich die Entwicklungsepochen „ergehen“ kann. So wird deutlich, dass die Steinzeit über 200 Meter „gedauert“ hat, die neuzeitlich Einwicklung aber nur wenige Meter, nur wenige Tippelschritte „dauert“.

Am 28. Mai 2003 war die offizielle Eröffnung. Unter großer Beachtung der Öffentlichkeit und der Medien wurde von der damaligen Brandenburger Kultur- und Wissenschaftsministerin Johanna Wanka der Wiederaufbau der Slawenburg ihrer Bestimmung übergeben. Erster Betreiber war der Förderverein Slawenburg Raddusch e.V. mit seinem Vorsitzenden Peter Stephan. Von der Presse hochgelobt wurde die Burg anfangs regelrecht von Besuchern, besonders aus der Region, überrollt. In den letzten Jahren pegelte sich in die Gästezahl bei etwa 50 000 pro Jahr ein – etwa 70 000 wären allerdings nötig, um die Burg wirtschaftlich betreiben zu können. Mitmachangebote, Museumspädagogik, Mittelaltermärkte, Ausstellungsumbau und Funduserweiterungen stehen für das Bemühen um die Besucherwerbung.

Dass Besucherzahlen für den Fortbestand der Burg von großer Bedeutung sind, ist auch David Chmelík bewusst. Schon kurz nach seiner Übernahme organisierte er mit seinem Team eine Reihe von Veranstaltungen, wie Mittelalterfeste, Herbstwochen, Kammermusikkonzerte und einen ersten Stammtisch. „Es muss nicht alles ‚slawisch‘ sein, was wir anbieten: Wir wollen Menschen zusammenbringen, den Stolz auf ihre slawische Heimat hervorheben oder einfach nur Freude verbreiten“, fasst Chmelík sein Programm zur Burgbelebung zusammen. Mit der Premiere des „ŁUŽYSKE PIWO“ wurde ein weiterer Akzent gesetzt. Es trägt ein vollständig niedersorbisches Etikett – ein Unikat in Deutschland und Europa und wird in der Burg vertrieben. Um auch noch mehr in der Region verankert zu sein, dürfen Vetschauer Bürger – dazu zählen auch die der angegliederten Gemeinden – das Burggelände (und somit das Restaurant) ohne Eintrittskosten besuchen.

Die Burg in der Zukunft

David Chmelík weiß, dass eine Reihe von Aufgaben vor ihm steht, damit die Burg wieder in wirtschaftlich ruhigeres Fahrwasser kommt.

Zu den wichtigsten Aufgaben zählt er:

  • Die Schaffung einer Überdachung im Burginnern, damit wetterunabhängig Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden können.
  • Zwecks Erweiterung der kulturellen Angebote wird das Niedersorbische Gymnasium Cottbus eingebunden, dazu gehört auch deren jährliches Sommerlager auf dem Burggelände.
  • Um die Bausubstanz zu sanieren, wird eine dauerhafte „Burgbaustelle“ in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Cottbus von Handwerkern und Auszubildenden eingerichtet.
  • Zur Besucherbindung gehört der Ausbau der Infrastruktur für einen Stellplatz für Wohnmobile. Der unmittelbar am Burggelände anliegende Bischdorfer See wird nach seiner Freigabe zahlreiche Touristen anlocken.
  • Die Schaffung eines slawischen Dorfes, um die Lebensweise der früheren Bewohner anschaulicher zu machen, ist ebenfalls eine zentrale Aufgabe.
  • Die Verbesserung der Zuwegung, die Schaffung eines sicheren Fuß- und Radweges zur Burg, steht schon länger als Aufgabe, soll aber nun endlich umgesetzt werden.

Aktuelle Veranstaltungen und Informationen unter Slavonic Castle

Text und Fotos von Peter Becker, 19.11.24

Über Peter Becker 404 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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