Mit „Welch‘ Licht in unserer Hütte!“ begrüßte Frank Zeugner, der Kino-Verantwortliche, die Schauspielerin Sabine Waibel. Monatlich wird in der Radduscher Kulturscheune ein Film der etwas anderen, der anspruchsvolleren, Art gezeigt. Dies hat sich inzwischen in der Region rumgesprochen und lässt immer mehr Besucher in die langsam an die Kapazitätsgrenzen stoßende Sport- und Kulturscheune strömen. Es ist auch nicht nur einfach eine Kinovorstellung, es ist ein Zusammentreffen der Menschen beim Backofenbrot und -schinken, denn dies wird zusätzlich zum -übrigens sehr preiswerten- Kinobesuch geboten. Es wird gemeinsam gegessen und beim Bier über die Welt im Großen und Kleinen gesprochen – genau wie an diesem Vorabend der Brandenburgwahl. Die Organisatoren hätten keinen besseren Griff in die Filmkiste tun können, als diesen Film zu wählen: „Über Leben in Brandenburg“!
In Anwesenheit von Sabine Waibel, die über die Verleihagentur den Kontakt nach Raddusch fand, wurde in dem Film den Besuchern quasi der Spiegel vorgehalten. Etwas introvertiert, zweifelnd und für schnelle Lösungen leicht zu haben, wird der Brandenburger dargestellt – filmisch zwar überhöht, aber in seinem Kern erkennbar.
Im Film geht es um eine Bürgermeisterwahl in einem fiktiven Dorf, die beiden Kandidaten verkörpern die aktuellen Strömungen. Einer steht rechts, da andere darüber, wie sich Hauptdarsteller Zoltan Paul politisch einordnet. Seine Kandidatur war eher zufällig und von außen getrieben erfolgt, denn eigentlich wollte er im Dorf in Ruhe an seinem neuesten Filmprojekt arbeiten. Aber da dessen Finanzierung wegbrach, blieb Zeit für anderes. Zoltan Paul, der im Film Lazlo heißt, ist in einer On-Off-Affäre mit einer im Dorf gestrandeten Unternehmerin (Sabine Waibel), die am Borderlinesyndrom leidet, liiert. Seine Gattin (Adele Neuhäuser) ist ebenfalls in der Filmbranche tätig, aber wegen Dreharbeiten die meiste Zeit in Kanada unterwegs. Ansonsten nimmt sie als ehemalige „68iger“ ohnehin alles gelassen.
Im Brandenburger Dorf treffen nun die (echten) Einheimischen auf Künstlernaturen aus aller Welt oder zumindest mit Welterfahrung. Diese Mischung ergab einen Film mit Selbstreflektierung beim Zuschauer, egal ob gewollt oder ungewollt – und gezeigt am Vorabend der Brandenburgwahl. Es kann hier nur vermutet werden, aber vielleicht hat das die Stimmabgabe am nächsten Morgen doch irgendwie beeinflusst. Sind schnelle und einfache Lösungen in dieser komplizierten Welt überhaupt möglich, kommt es nicht auf gemeinsame Anstrengungen die Welt zu verändern an?
Im anschließenden Gespräch erzählte Sabine Waibel, im Film die „Lisa“, die etwas überdrehte Unternehmerin, ihre Sicht auf den Film und das Thema und bediente die fragenden Zuschauer mit Hintergrunddetails zum Film. So erfuhren sie, dass Zoltan Paul diesen Film mit wenig finanziellen Mitteln ausgestattet drehte, auch weil er ein Stück seines eigenen Lebens darstellen wollte. Ergriffenheit erfasste die Zuschauer, als sie von Sabine Waibel erfuhren, dass Zoltan Paul kurz nach den Dreharbeiten 69-jährig verstarb. Sabin Waibel, eine gebürtige Wienerin, sprach über ihren schauspielerischen Werdegang von Wien bis Forst (Lausitz). Hier nahm sie am dreijährigen Projekt Lausitzer Kultur teil – eine Wienerin in einem scheinbar von der Welt abgeschlossen kulturarmen Ort. „Wo bin ich hier gelandet?“ stellte sie sich anfangs immer wieder diese Frage. „So nach und nach empfand ich die äußere Spröde gar nicht mehr so schlimm – im Gegenteil: ich lernte sympathische und interessierte Menschen kennen, und das etwas Spröde ist mir als Wienerin doch sehr vertraut,“ sagte die seit 20 Jahren in Berlin lebende Schauspielerin. Ihre Auftrittsorte sind inzwischen wieder die Bühnen Berlins, Kölns und anderer Orte. Im Oktober spielt sie im Wiener Burgtheater, quasi ein Heimspiel für die Wienerin, die trotz größter Bemühungen hochdeutsch zu sprechen, ein ganz leichtes sympathisches Wienerl’n nicht verstecken kann.
Peter Becker, 27.09.24
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