555 Jahre Guhrow – wie Erntebräuche fortleben

555 Jahre Guhrow – wenn das kein Grund zum Feiern ist! Anlässlich dieses Jubiläums hat sich ein Organisationskomitee mit der Dorfjugend und der Ortsgruppe der Domowina zusammengetan und ein zweitägiges Fest auf die Beine gestellt. Der ehrenamtliche Bürgermeister Frank Engelking, selbst gerade mal „etwas mehr als 55 Tagen im Amt“, wie er in seiner Begrüßung sagte, hielt die Fäden zusammen und war sichtlich stolz auf das „Fest des Zusammenkommens und Zurückschauens“. Zum Zurückschauen gehört auch der Blick auf jahrhundertealte Traditionen, besonders auf die Erntebräuche. Die Guhrener belebten 2010 den alten Brauch des Topf- oder Hahnschlagens neu und führten es zum Dorffest vor. Einst wurde der Hahn, der als Fruchtbarkeitssymbol ausgedient hatte und nicht mehr benötigt wurde (nur einer blieb fürs Frühjahr auf dem Hühnerhof) unter einem Topf gefangengehalten. Junge Männer versuchten nun mit einem Dreschpflegel den Topf zu treffen – mit verbundenen Augen! Der Hahn unterm Topf dürfte die heftigen Einschläge nicht lange überlebt haben und verstarb wohl bald voller Panik. Den Brauch in dieser Form wiederzubeleben, verbot sich nahezu selbstverständlich. Dennoch war ein Hahn, gesponsert und später versteigert von Eva-Maria Stecklina, dabei: Aus sicherer Entfernung konnte er das Geschehen aus seinem geräumigen Käfig beobachten. Wenig beeindruckt von dem, was eigentlich ihm galt, hielt er sich mehr an das beigelegte Futter und das bei der Tageshitze ohnehin notwendige Wasser. Die Guhrower stellten das Tierwohl allem voran und zelebrierten somit einen alten Brauch erstmalig in neuer Form – ganz den heutigen Auffassungen und Einstellungen dem Tier gegenüber.

Tristan Troppa hieß der 1. Erntekönig, denn er traf den Topf bei drei Versuchen auch gleich dreimal. Den Sieger umtanzten die Mädchen und er durfte – wieder mit verbundenen Augen- in den den Kreis greifen und sich ein Mädchen holen. Jasmin Kielwein wurde somit 1. Erntekönigin. Die 2. Erntekönigin wurde innerhalb der Mädchen beim Eierlaufwettbewerb ermittelt, allerdings mussten sie dazu ihre Schuhe gegen Holzpantoffeln tauschen. Manche verloren die Eier beim Slalomlauf ebenso wie die Pantoffeln – dennoch gab es eine Siegerin: Jolina Troppa.

Zum Schluss kam dann wieder ein Hahn ins Spiel: Früher mag es wohl der tote Hahn gewesen sein, der ähnlich einem Brautstrauß hinterrücks in die Gruppe der jungen Männer geworfen wurde – in Guhrow, wiederum dem Zeitverständnis geschuldet, war es ein Stoffhahn, der von Nico Pfennig gefangen wurde und der sich „blind“ Annabelle Kluge zur 3. Erntekönigin wählte.

Im Dorf war überall die Feststimmung zu spüren, man hatte sich herausgeputzt und präsentierte sich von der besten Seite. Siegfried Pehla ließ seinen Taubenschwarm zum Beginn des Wettkampfs aufsteigen, welcher zweisprachig von Amy Krause und Maria Massalsui moderiert wurde, die gutgelaunten Spreewälder Musikanten spielten auf, treffend zum Topfschlagen: „Wenn der Topf aber nun ein Loch hat….“

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Peter Becker, 08.09.24

Über Peter Becker 396 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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