Der 10. September wird für Simone Brüggemann-Riemer kein gewöhnlicher Ateliertag in der Lübbenauer Fischerstraße 5 sein. Dieser Dienstag ist ihr letzter offizieller Verkaufstag, danach soll aber auch noch nicht gänzlich Schluss sein. „Nach so langer Zeit, nach 29 Jahren, drängt es mich zu Veränderungen. Mir geht es da wie vielen anderen auch: man hinterfragt sich nach einer längeren Lebensetappe und klopft Alternativen ab. Ich bin 63 Jahre alt, sehe der Rente entgegen und könnte mich mal von allen Zwängen wie Öffnungszeiten und andauernder künstlerischer Präsenz lösen“, fasst Simone Brüggemann-Riemer ihre Beweggründe zusammen. Sie sieht sich am Scheideweg, ihr Leben verlangt nach Neuorientierung. Schwere Erkrankungen haben sie letztlich stark für ein aktiveres Leben gemacht, Körpersignale nimmt sie ernster als früher, achtet mehr auf sich und auf das, was ihr guttut.
Simone Brüggemann-Riemer fühlt einfach, dass es Zeit für Veränderung ist – ohne ganz genau zu wissen, wie die Veränderungen aussehen werden. „Ich muss nicht mehr Müssen müssen, das Wollen oder Nichtwollen soll zukünftig im Vordergrund meines künstlerischen Handelns stehen.“ Eigentlich wollte sie noch das dreißigjährige Jubiläum abwarten, aber ihr Gefühl sagt ihr, dass die Zeit jetzt reif für Neues ist: „Und was ist schon 30…? Es ist auch nur eine Zahl…!“
Zu den Sehnsüchten der Künstlerin gehört das Reisen, die Neugier auf ferne Länder, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Steffen Riemer auf ganz individuelle Art stillt: Mit dem Fahrrad geht es quer durch exotische Länder. Simone Brüggemann-Riemer: „So erleben wir alles viel intensiver, sind dicht dran an den Menschen, erleben deren Herzenswärme und Gastfreundlichkeit. Wir denken dann oft über unsere Situation und unsere heimische Geborgenheit nach, und wir lernen unser Leben schätzen und sehen die Nichtigkeit mancher ‚Probleme‘.“ Diese Reisen wird es nach wie vor geben, „solange es geht“, die Vorbereitungen für Nepal im Oktober sind in vollem Gange. „Dazu gehört auch, dass ich die Landesprache so gut es geht lerne, denn die Menschen sind viel offener, wenn sie vertraute Laute hören, besonders wenn sie von uns Europäern kommen“, sagt Simone Brüggemann-Riemer. Inzwischen sind es 17 Sprachen, deren Basis-Kommunikation sie sich angeeignet hat, zuletzt waren es Wolof, die Landessprache Senegals und das kambodschanische Khmer.
siehe Reisen ist auch Kunst
Die anstehende Atelierschließung ist zwar nicht das Ende ihrer künstlerischen Laufbahn, denn „Künstler ist man immer, solange der Pinsel geführt werden kann und die Inspiration da ist“, so die Malerin. Ihr Malstil ist unverwechselbar: In einem Italienurlaub hat sie die dortige Lichtfülle beeindruckt, es entstanden erste Werke, die sie selbst als „kubistischen Realismus, realistischen Kubismus oder etwas irgendwie dazwischen“ einordnet. Kreuzende Linien unterschiedlicher Farbintensität machen ihre Kunstwerke einmalig
Ihr Atelier besteht seit 1995, damals noch in der Karl-Marx-Straße 3, im Mai 2000 zog sie in das stadtbekannte gelbe Fachwerkhaus in die Fischerstraße um. Das denkmalgeschützte und dann aufwändig sanierte Haus hatte das Paar 1999 erworben. Hier entstanden Hunderte Kunstwerke, die in die Welt gingen. Meist sind es Spreewaldmotive, die sich Freunde der Region mit nach Hause nahmen. Simone Brüggemann-Riemer hat neben ihrer Malerei auch bei der Gestaltung von Büroräumen, Arztpraxen und bei Fassadengestaltungen, etwa in Frankfurt/Oder, mitgewirkt.
Ihre künstlerischen Anfänge waren profan und begannen in nahen Bischdorf, wo die ganz junge Urlaubsvertretung aus der Stadt deren Dorf-Konsum aufhübschte. „Dabei habe ich nur getan, was getan werden musste: Fensterrahmen farbig gestrichen und Kühlschrank angemalt!“, sagt sie rückblickend sie auf ihre erste öffentlichkeitswirksame Aktion.
Simone Brüggemann-Riemer sieht den 10. September mit gespaltenen Gefühlen und Erwartungen entgegen. Eigentlich wollte sie einen ganz normalen Tag haben, aber irgendwie ist ihr das letztlich dem Anlass nicht angemessen. „Ich will nichts zelebrieren, ich würde mich aber freuen, wenn unsere Freunde, Kunden und Bekannte ab 14 Uhr doch mal kurz vorbeischauen würden, mit mir mal auf eine schöne Zeit anstoßend – ganz zwanglos und ohne Tagesordnung“.
Peter Becker, 24.08.24
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