Wenn der Lübbenauer Peter Lehmann gefragt wird, wen oder was er so darstellt, was er eigentlich macht, zögert er kurz mit der Antwort: „Ja, was mache ich eigentlich …? Eigentlich bin ich mal der oder der andere; ich führe Gäste durch die Stadt und durch Lehde, mal bin ich Parkführer, mal ein Lutki als Sagenerzähler. In der Gewandung eines Lübbenauer Ackerbürgers zeige ich meine Stadt und schlüpfe dabei in die Rolle des Bürgermeisters Kemnitz, in Lehde bin ich der Nachtwächter Kamenke und im Park der gräfliche Landschaftsgärtner Freschke – alles reale historische Persönlichkeiten.“ Doch er ist noch mehr: Im Senftenberger Museum ist er der „Lehrer Lempel“, der eine Zeitreise durch die Schule für seine Gäste, zumeist Schüler, gestaltet. Es geht von der Schiefertafel zum Polylux, dem damaligen DDR-Hightechprodukt aller Schulen. Peter Lehmann weiß nicht mehr so genau, ob ihn in diesem Zusammenhang die Idee mit der Zuckertüte gekommen ist oder bei seinen zahlreichen Flechtkursen. „Man kann ja eigentlich jedes Behältnis – wenn’s nicht grad wasserdicht sein soll- aus Weidenruten herstellen, doch der diesjährige Antrieb es doch mal wieder mit einer Einschulungstüte, der allbekannten Zuckertüte, zu versuchen, kam ausgerechnet aus dem tiefsten Westen, aus Rheinland-Pfalz“, erzählt Peter Lehmann, während er die ersten der geschälten, zarten und somit federleichten Weidentriebe in Form bringt. Eine Rückkehrerfamilie wird sie in diesem Jahr bei der Einschulung in Lübbenau ihrem Niklas in die Hand drücken – es ist Peter Lehmanns 13. Tüte. „Möge sie ihm Glück und schulischen Erfolg bringen!“, sagt er.
Peter Lehmann ist Ur-Lübbenauer, Jahrgang 1962 und gelernter Zootechniker. „Manche sagen auch schlichtweg Melker“, erzählt er über seine beruflichen Anfänge, die damals nicht mal ansatzweise seine spätere Profession vermuten ließen. Mit der politischen Wende lebte auch die Vereinstätigkeit wieder auf und den heimatgeschichtlich Interessierten führte es zum örtlichen Rubiško-Verein. Dort wurde eine Art Zuständigkeitsregelung getroffen – Peter Lehmann übernahm die Sparte „Traditionelles Handwerk“. Die Web- und Flechtkunst, wie heute gesagt wird, war damals ein schlichtes Handwerk. Jahrelange Erfahrung ließ Werke entstehen, die Achtung abverlangen, aber auch deutlich werden lassen, dass diese Kunst in Vergessenheit geraten könnte. Peter Lehmann legte sich ins Zeug. „Ich hatte zwar eine Vorstellung davon, aber keine wirkliche Ahnung. Ich schaute mich um, las viel und ging in die ‚Lehre‘ bei den noch tätigen Handwerkern“, erzählt er über seine diesbezüglichen Anfänge.
Inzwischen gibt er selbst Flecht- und Webkurse, gestaltet Spinnabende und kreiert dabei immer wieder neue Ideen. Da die Besucher der oft gerade mal nur zweistündigen Kurse auch gern etwas mit nachhause nehmen möchten, entstehen manchmal auch nur kleinere Behältnisse wie Futterkörbchen für Vögel oder kleine Tischkörbchen.
Der Korbflechter ist immer wieder angetan von den Fertigkeiten der Vorfahren, die es verstanden, verschiedenfarbige Weiden kunstvoll und somit einfach schön aussehend, zu binden. Peter Lehmann: „Es ist nicht nur die Flechtkunst als solche, die es zu bewahren gilt, sondern auch das Wissen über die Weiden selbst, ihre Ernte, ihre Lagerung und Verarbeitung. Heute sehen wir auch den Nachhaltigkeitsaspekt, denn kaum eine andere Pflanze erzeugt jährlich so viel nachwachsenden Rohstoff, wie die Weide. Besonders hier im Spreewald mit seinen zahlreichen Gewässern.“ Er unterhält an der Stennewitzer Kahnfahrt seine eigene Pflanzung, die er bewirtschaftet und beerntet.
Sein neuestes Projekt sind Nistkörbe aus eher derberem Flechtmaterial für Störche – sie haben ein ganz anders Format als Zuckertüten, denn hier sind andere Abmessungen gefragt und sicher auch mehr Körperkraft. Nisthilfen aus Weide für Störche sind auch schon früher gefertigt worden, denn diese Tiere galten als Glücksbringer (und Kinderbringer!) schlechthin. Zuckertüten aus Pappe als Einschulungsbrauch sind eher moderneren Datums und erst seit der vorletzten Jahrhundertwende üblich geworden. Dennoch sind solche aus Weide eine Fortsetzung der alten Handwerks-Flechtkunst, sie sind mehrfach nutzbar und können noch lange als Behältnisse für vieles andere dienen.
Peter Becker, 01.08.24
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