Ulrich Lagemann blickt zurück

Der Radduscher Ortsvorsteher Ulrich Lagemann leitete von 2006 an maßgeblich die Geschicke des Spreewalddorfes. Er übergibt nun das Amt an Udo Saaro und widmet sich neuen kommunalpolitischen Aufgaben – Zeit und Gelegenheit für einen Rückblick.

Ulrich Lagemann

Herr Lagemann, was fällt ihnen als Erstes ein, wenn es darum geht, Radduscher Fortschritte zu beschreiben:

Da gibt es gleich mehrere „1. Plätze“: Der Bestand des Radduscher Kindergartens wird von der Verwaltung nicht mehr in Frage gestellt. Dies war in den ersten Jahren anders. Es ist unser Kindergarten, der mit dem Schwung von Frau Murrer und Ihrem Team das Bildungskonzept weiterentwickelt hat. Dabei spielt das Umweltbildungsprojekt als wöchentlicher Waldprojekttag für die 4- bis 6-jährigen eine wichtige Rolle. Mit viel Elan, persönlichen Einsatz der Mitglieder des Fördervereins, entsteht nun eine neue Schutzhütte auf dem Schwarzen Berg.

Weiterhin: Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Naturhafens Raddusch, mit dem Toilettenhäuschen, der Komplettsanierung der beiden Brücken im Hafenbereich, dem Errichten des Skulpturenweges und mit dem Engagement einiger Aktiver im Tourismusvereins und des Kulturvereins, konnten Themenpfade angelegt, ein Spielplatz geschaffen werden und Kunstobjekte an der Radduscher Kahnfahrt installiert werden. Leider gab es für die Kunstobjekte nur temporär eine Genehmigung durch den Landkreis.

Die Radduscher Sport- und Kulturscheune ist inzwischen durch zahlreiche Veranstaltungen auch überregional bekannt. Wie gelang es, dieses Projekt auf die Beine zu stellen?

Seit 2008 haben wir begonnen an der Sport- und Kulturscheune konzeptionell zu arbeiten und haben Fördermittel akquiriert. Mit vielen Helferinnen und Helfern entstand nach und nach in unzähligen Aufbaustunden die „Scheune“ wie wir sie heute kennen. Ganz vorn dabei war Maik Moll mit der Anzahl seiner ehrenamtlichen Helferstunden. Erst die nutzbare Kalthalle, dann Installation der Heizung, Schallschutzplatten und schließlich der Sozialtrakt. Matthias Hantscher zieht die Fäden und hat auch immer neue Ideen, die dann erfolgreich umgesetzt werden. Den heutigen Stellenwert dieser Einrichtung mit der sehr guten Auslastung unterschiedlichster Aktivitäten – davon hätten wir anfangs nicht einmal zu träumen gewagt.

Überhaupt sind es die Menschen, die die Entwicklungen voranbringen, ob im Verein oder durch Einzelinitiativen. Wie schätzen Sie die Bereitschaft zur Mitwirkung ein?

Die positive Entwicklung in allen Vereinen kann man nur hervorheben, besonders natürlich die im Sportverein, der mit seinen über 200 Mitgliedern kürzlich sein 100-jähriges Bestehen feierte. Ohne das aktive Vereinsleben und Engagement wäre vieles nicht realisierbar gewesen. Viele Punkte, die damals 2006 in der Bürgerversammlung von den Bürgern angesprochen wurde, konnten wir abarbeiten. Nicht umsonst konnte Raddusch zwei Mal den ersten Platz im Kreiswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ belegen. Viele, wenn auch nicht alle, haben verstanden, dass nur Anpacken hilft. Raddusch hat eine aktive Feuerwehr, aber dennoch fehlen hier immer noch Männer und Frauen, die bereit sind, die Wehr zu stärken und die Altersabgänge zu kompensieren. Jeder Vereinsvorstand freut sich über aktive Mitglieder. Die vier, fünf Handvoll wirklich permanent Aktiven benötigen Unterstützung, damit auch künftig in Raddusch Traditionen gelebt, Sport- und Freizeitaktivitäten auf einem hohen Niveau gehalten und weiterentwickelt werden und die Feuerwehr zum Einsatz ausrücken kann. Meckern und Stammtischparolen gehen leicht von den Lippen. Anpacken ist gefragt.

Damit sprechen Sie den Bahnhalt Raddusch an, der seit über zehn Jahren die Gemüter bewegt?

Genau! Den Frust, den wir seit 2012 geschoben haben, um den Bahnhalt Raddusch zu erhalten, hat sehr viel Kraft gekostet. Und zum Schluss waren wir nur noch ein kleines Häuflein, dass weiterhin unsere Fahne in Potsdam hochgehalten hat. Die zuständigen Minister der letzten Jahre kennen alle die hausgemachten Probleme und wollen es nur nicht wahrhaben.  

Neu ist nun das Desaster um das 2. Gleis: Ein inzwischen knapp 300 Millionen teures Projekt wird aufgelegt, ein vernünftiger Erschütterungsschutz für die Anlieger kostet vergleichsweise mit 1 Million Euro zusätzlich, relativ wenig. Ich bedauere hier sehr, dass viele, selbst unmittelbar Betroffene, es sich nicht stärker zu Herzen genommen haben, um die Bürgerinitiative zu unterstützen. Dies ist sehr bedauerlich und ich hoffe, dass nun, bei der erneuten Auslage der Pläne, sich mehr Betroffene melden und ihre Rechte einfordern.

Herr Lagemann, sie übergeben den Ortsvorstand ein intaktes lebendiges Dorf, vieles haben Sie noch auf den Weg bringen können. Was steht an?

Die Radduscher Feuerwehr mit dem engagierten Team um Tobias Kienz bekommt im kommenden Jahr ein neues Einsatzfahrzeug. Sanierungen der Brücken an der Radduscher Buschmühle und an der Dupkow-Mühle sind vorzunehmen, bei entsprechenden Fördermittelzusagen will der Landkreis hier tätig werden. Mit dem Ausbau des 2. Gleises soll nun ein Konzept für Bahnhofsgebäudes angegangen werden.

Raddusch mit der Slawenburg als Besuchermagnet und den Ort zum staatlich anerkannten Erholungsort zu entwickeln, war eine Maxime des Tourismuskonzeptes. Es bedarf nun dringend größerer Anstrengungen derjenigen, die im Tourismus Geld verdienen. Viel zu oft profitieren einige nur von Mitnahmeeffekten und wundern sich, warum beispielsweise eine Touristinfo in Betreibung der Stadt in Vetschau geschlossen wird. Im aktuellen Zeitgeist wird dieser Zusammenhang häufig nicht gesehen, vieles wird für selbstverständlich angenommen.

Was geben Sie dem neuen Ortsbeirat mit auf den Weg, wie wollen Sie sich persönlich weiterhin einbringen?

Auch der neue Ortsbeirat wird sich über einen regen Besuch in den Beiratssitzungen freuen. Udo Saaro ist seit 2006 im Ortsvorstand und ein Aktivposten, ohne den Raddusch an vielen Stellen nicht so weiterentwickelt hätte werden können. Dank sei auch an Peter Schapp gesagt für die 18-jährige vertrauensvolle Zusammenarbeit. Es freut mich, dass Thomas Schubert und Viola Grabitz nun aktiv mit im Ortsbeirat arbeiten und gemeinsam sicherlich vieles voranbringen werden.

In der Stadtpolitik werde ich mich weiterhin einbringen und sage allen Dank, die der WGO zu 5 von 17 Sitzen im Stadtparlament verholfen haben. Auf diesem Vertrauensvorschuss werden wir uns gewiss nicht ausruhen. Wir werden versuchen, mit dem Elan aus den Dörfern mehr auch für und in der Stadt zu erreichen. Ich sehe aber auch die Schwierigkeiten: Vor der nun leeren Haushaltskasse stehend, wird dies ein Mammutprojekt.

Zum Schluss geben Sie den Leserinnen und Lesern bitte noch einen persönlichen Rückblick: Sie sind nach der Wende aus Niederachsen zugezogen, haben eine Niederländerin als Ehefrau, ihre Kinder sind hier aufgewachsen. Wie lebt es sich so im Osten, wie sehen Sie sich heute – haben Sie eine neue Heimat gefunden?

Seit 1992 wohne ich nun mit meiner Familie in Raddusch. Unsere drei Kinder sind nach der Lehre bzw. Studium in Thüringen, Niedersachen und in den Niederlanden nun ansässig geworden. Ob uns es irgendwann auch dort hinziehen wird oder die Faszination der Spreewälder Kultur- und Naturlandschaft doch weiterhin noch mehr fesselt, dass wird die Zukunft zeigen. Wir sind jedenfalls glückliche hier in der Region viele Freunde gefunden zu haben.

Das Interview führte Peter Becker am 20.07.24

Über Peter Becker 404 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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