„Kindchen, male doch nicht immer deine Schulhefte voll, das gibt Ärger und schlechte Noten!“ Die besorgte Mutter hatte natürlich etwas gegen die „Verunstaltung“, erkannte oder erahnte aber gleichzeitig das in Ingrid schlummernde Talent. Die 1945 in Finsterwalde Geborene zeichnete liebend gern ihre Mitschüler*innen – und das zunehmend besser, besonders in langweiligen Unterrichtsphasen. „Ich liebte es und liebe es noch immer, Gesichter zu zeichnen“, blickt sie heute auf ihr damals aufkeimendes Talent zurück. Ihre Mutter tat etwas sehr Richtiges und Wichtiges: Sie kaufte ihr „Malhefte“, die sie nach Belieben benutzen konnte. Ingrid Groschke: „Das Malen und Zeichnen, der Umgang mit Farben, das alles faszinierte mich von frühester Kindheit an, das wollte ich auch zu meinem Beruf machen“. Nach der zehnten Klasse erlernte sie einen Beruf – natürlich den der Malerin. Wenn auch das Anstreichen der Wände nicht sonderlich kreativ war und ihrer innenwohnenden Muse weniger entsprach, so hatte doch dieser Beruf mit Farben zu tun. In der Berufsschulklasse war sie das einzige Mädchen, sie war damit der Mittelpunkt der um sie herumschwärmenden Jungens. Der Lübbener Hans Groschke war der erfolgreichste von allen, ihn heiratete sie.
Kindererziehung, der große Gemüsegarten sowie der eine oder andere Malerjob, füllten das Leben der jungen Frau aus. Bis sie eines Tages von der Möglichkeit erfuhr, an einer Abendschule ihr künstlerisches Talent wiederaufleben lassen zu können. Dieser folgten weitere Kurse, von Künstlern geleitet, die sie gern und regelmäßig besuchte – und die sie an die Wurzeln ihrer Niederlausitzer Heimat brachten. Bei Pleinairs in Bautzen oder in anderen Orten der Ober- und Niederlausitz lernte sie die Trachtenvielfalt, besonders deren Details kennen. Ihre Lehrer und Lehrerinnen legten Wert auf die Herausarbeitung dieser feinen und oft erst auf den zweiten Blick erkennbaren Unterschiede. Dennoch galt es bei aller „Dokumentation“ die Kunst nicht aus den Augen zu verlieren. Hier kam ihr schon früh ausgeprägtes Talent zum Tragen: Jedes ihrer Frauengesichter ist ausgeprägt, lässt einen Blick auf Seele und gelebtes Leben zu.
Beispiele ihres Schaffens:
Es folgten mehrere Fernstudien, die ihr halfen, ihr künstlerisches Profil zu schärfen und die es erlaubten, ab 1991 als freischaffende Künstlerin zu arbeiten.
In den folgenden Jahrzehnten entstanden zahlreiche Werke, oft Spreewaldlandschaften, aber auch aussagekräftige Porträts, besonders von Spreewälderinnen in Tracht, Sagengestalten, Buchillustrationen, Wandmalereien und Putzarbeiten.
Das Sorbisch/Wendische fasziniert sie, ihre Kunstwerke legen zahlreich Zeugnis ab. Sie sind identitätsstiftend geprägt und tragen dazu bei, dem kleinen slawischen Volk ein „Gesicht“ zu geben, es stolz auf seine Herkunft, Tradition und Geschichte zu machen. Ein folgerichtiger Schritt war 2006 die Mitgliedschaft im sorbischen Künstlerbund und 2022 im Freien Deutschen Autorenverband.
Ingrid Groschke ist nicht nur bildnerisch tätig sondern publiziert auch Texte. „Seit 1997 arbeite ich für die sorbische Kinderzeitschrift Plomje. Auch im Nowy Casnik und im Pratyja erscheinen von mir Arbeiten in Wort und Bild.
In den Geschichten und Gedichten geht es oft um die wendischen/sorbischen Sagengestalten. Seit einiger Zeit entstehen auch immer mehr Geschichten und Gedichte für Erwachsene“, sagt sie mit Blick auf ihr aktuelles Schaffen.
Kurzbiografie:
1945 in Finsterwalde geboren
1951 – 1961 Schulbesuch
1961 – 1963 Malerausbildung
1966 Meisterprüfung im Malerhandwerk
1970 – 1973 Abendschule an der Hochschule für Bildende Künste Dresden
1974 – 1991 Leiterin des Mal- und Zeichenzirkels Lübben
Seit 1991 freischaffend tätig
1997 Fernstudium für Belletristik
2001 Fernstudium für Karikatur und Comic
2004 Fernstudium für Kinder- und Jugendliteratur
Peter Becker, 16.04.23
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