Rechns Werke scheinen auf den ersten Blick von der Tierwelt dominiert zu sein: Hunde, Katzen, Affen, Eulen … – so ziemlich alle Tiere sind bei ihm vertreten. Das verwundert weniger, wenn man weiß, dass Günther Rechn sehr tierlieb ist und seit vielen Jahren Hunde seine Begleiter sind, sie demzufolge auch immer wieder im Mittelpunkt seiner künstlerischen Arbeiten stehen. Wenn es ihn manchmal des Nachts umtreibt, er keinen Schlaf findet, dann entstehen Skizzen in großer Vielzahl, sie zeigen in außergewöhnlich gekonnter Form die Tiere in Bewegung, in der Interaktion mit anderen Tieren oder in spannungsvoller Stille verharrend. Wenn sein Blick aus dem Fenster seines Ateliers geht, dann geht auch oft sein Blick zu „Joey“. Der Hütehund sitzt stoisch auf dem Balkon und beobachtet die Eichhörnchen – als ob er ahnt, dass sein Herrchen jetzt mit wichtigerem, eben mit Kunst, beschäftigt ist und nicht gestört werden möchte.
Günther Rechn, Jahrgang 1944, kam nach seinem Kunststudium in Halle 1973 in die Lausitz, nach Lauta. Hoch motiviert von seinen Lehrern Lothar Zitzmann und Willi Sitte, wollte er große Werke schaffen, und Botschaften in die Welt senden – wenn es da nicht die „Bremser“ gegeben hätte, wie er die Funktionäre der Partei und ihres Geheimorgans nennt. Erlaubt und Gefallen fanden nur Werke, die der Parteilinie entsprachen – für den Künstler Günther Rechn ein unmöglicher Zustand, eine Beschneidung der Kunst, die es nicht hinzunehmen galt. Letztlich waren es aber genau diese Restriktionen, die ihn und letztlich jeden Künstler, der sich nicht unterwarf, zu künstlerischer Entfaltung trieb – etwas, was so nicht im Studium gelehrt und auch nicht so gewollt ist. „Immer was offenlassen!“ Diese damals eher wenig beachtete Aussage seines Lehrers Zitzmann gewann plötzlich Bedeutung für ihn: Dinge im Kontext mit Gezeigtem nicht zeigen, fordern den Betrachter zu Interpretationen und Schlussfolgerungen auf. „Die Funktionäre waren oft überfordert, sie übersahen die subtilen Botschaften und ließen die Werke für die Öffentlichkeit zu, die sie in wahrer Kenntnis der Sachlage wohl eher nicht freigegeben hätten“, freut sich noch heute Günther Rechn, mit einem spitzbübischen Lächeln im Gesicht. Für DDR-Künstler war es fast so etwas wie ein Wettbewerb, durch Nichtsagen, Nichtzeigen dem Regime gekonnt den Spiegel vorzuhalten, ohne die Botschaft offen zu präsentieren. So gesehen haben viele Künstler und besonders auch Günther Rechn doch etwas ganz Besonderes geschaffen, wenn auch ganz anders, als es den Idealen der Kunstabsolventen von einst entsprach.
„Doch niemand soll denken, dass es heute keine Probleme gäbe“, sagt Günther Rechn rückblickend. „Alles darf heute gemacht und gezeigt werden, es gibt keine Grenzen – die einzige Grenze ist der Markt“, schätzt er die heutige Situation ein. Von der einstigen Förderung der Künste und der Künstler durch den Staat kann keine Rede mehr sein.
Sein neuestes Werk heißt „Affentanz“. Daran sitzt er schon geraume Zeit, verändert und übermalt immer wieder, wenn er an aktuelle Ereignisse denkt. Eigentlich soll es auf einem Schachbrett sehr geordnet zugehen, doch die Affen machen, was sie wollen, halten sich an keine Regeln. Günther Rechn nimmt sich da nicht raus: Auf einem Schachfeld sitzt er selbst, er wirkt als einer, der nicht weiß, ob er den „Affentanz“ mitmachen oder eher noch abwarten soll – die Metapher überlässt der Künstler dem Betrachter.
Günther Rechn zählt zu den überragenden Künstlern, nicht nur der Niederlausitz. Er und seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und ausgestellt – von Deutschland bis Italien. Er arbeitet mit den verschiedensten Techniken, benutzt gern Papier, weil es so vielseitig nutzbar ist: „Man kann Informationen darauf unterbringen, Kunstwerke auf Papier schaffen oder wenn alles nicht so erfolgreich ist, immerhin noch Fische darin einwickeln.“
Jahrzehntelange Wegbegleiter, wie der Cottbuser Staatsschauspieler Michael Becker, sagen über ihn: „Er ist für mich ein Malerfürst! Seine Kunst ist brauchbar und freundlich, nicht festgelegt auf ein bestimmtes Genre. Meine Wohnung ist voll mit seinen Bildern, ich kann nicht genug von ihm bekommen. Mein Gänsehautbild ist das ‚Narrenschiff‘ – ein überladenes Boot schwimmt in eine Richtung, die offensichtlich niemand der Insassen beeinflussen kann oder will.“
Der Cottbuser Fotograf Walter Schönenbröcher sagt über Günther Rechn: „Vor acht Jahren durfte ich ihn bei einem Kunstprojekt für die Lebenshilfe e. V. kennenlernen, bei dem er mit mir und zwei weiteren Künstlern teilnahm. Wir haben uns gleich gemocht und seitdem sind wir befreundet und ich dokumentiere auch seine Werke und sein Schaffen fotografisch. Günther ist ein klasse Maler und ein ganz besonderer Mensch.“
Und immer wieder sind es die Tiere, die Günther Rechn faszinieren, ihre gelebte Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Deshalb kommen sie auch in zahlreichen seiner Werke vor – es wirkt fast so, als ob sie den Menschen einen Spiegel vorhalten.
In einer Laudatio heißt es: „Der Meister der Zeichenkunst und der Zwischentöne gibt den Tieren ihre Eigenheiten wieder und lässt uns die Hitze mediterraner Häuserwände spüren. Vergnüglich und mit wachem Auge filtert Rechn Natur und Zwischenmenschliches. Er trifft genau den Punkt, in dem das Gezeichnete am spannungsreichsten und selbsterklärend ist.“ (Maike Rößiger, Kunsthistorikerin)
Günther Rechn im April 2023 bei der Arbeit am „Affentanz“ (Fotos: P. Becker):
https://www.guenther-rechn.de/home/
Peter Becker, 20.04.2023
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