Imkerei im Spreewald

Auszug aus dem Manuskript zum Buch „Bewährtes bewahren“ – Spreewälder Gärten früher und heute“ (Erscheinungstermin März 2023; für Hinweise und alte Fotos bin ich dankbar)

Dass Insekten und besonders Bienen für eine gute Ernte sorgen, ist hinlänglich bekannt. Deshalb haben auch schon seit jeher die Menschen darauf geachtet, diese Insekten in ihrem Umfeld zu haben. Neben der Bedeutung für die Befruchtung kam und kommt den Bienen noch die Bedeutung zu, Zuckerlieferant zu sein. In Zeiten, als dieser Süßstoff vielen nicht zugänglich war und bestenfalls aus Rüben (Rübenzucker) gewonnen werden konnte, war der Honig ein sehr geschätztes und gesundes Lebensmittel – besonders wegen des Zuckers, aber auch wegen der, den breiten Bevölkerungskreisen früher sicher kaum bekannten anderen Inhaltsstoffen: Er enthält entzündungshemmende Enzyme, bioaktive Stoffe und Antioxidantien.  Die Antioxidantien können sich positiv auf die Herzgesundheit auswirken und den Blutdruck senken. Deshalb kommt Honig in alten Hausrezepten, Haushaltstipps und bei der Tiergesundheit häufig vor.

Leider sind die Bienenbestände der Hausbienen stark gefährdet, die Ursachen sind hinlänglich bekannt. Hinzu kommen Überzüchtungsaspekte und eine größere Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Milben. Der Bestand der heimischen Wildbienen ist nicht ausreichend, um die Ausfälle an Hausbienen zu kompensieren.

Inzwischen hat sich die Wahrnehmung dieses Problems, des Insektensterbens allgemein, geändert. Die scheinbar „unwichtigen und manchmal lästigen“ Insekten werden zunehmend mehr als wichtiges Glied im Ökosystem gesehen – ohne Befruchtung, keine Ernte, ohne Ernte keine Sicherung der Ernährung. Es ist bekannt, dass etwa 20 000 Pflanzenarten von der Bestäubungstätigkeit der Bienen abhängig sind – ein Aussterben der Bienen hätte somit nicht absehbare Folgen für die Welternährung. Das beginnende Umdenken ist allerdings noch nicht in der Praxis vollends angekommen, viel zu häufig werden, wirtschaftlichen Erwägungen folgend, noch Chemikalien in der Landwirtschaft eingesetzt, die das Bienensterben befördern.

Ohne all diese Zusammenhänge im Detail zu kennen, haben die Vorfahren die Bienen wie Haustiere gehalten, sie wurden in Beuten gehalten, im Winter gefüttert und umsorgt – und natürlich gern beerntet. Es kann davon ausgegangen werden, dass fast jeder Haushalt auch Bienen hielt, wenngleich das nicht erforderlich war, denn Bienen haben einen großen Aktionsradius, der weit über die Grundstücksgrenzen hinausgeht.

Schon sehr viel früher, dann zunehmend immer mehr nebenbei, wurde die Waldimkerei betrieben, auch Zeidlerei genannt. Hier ging es vorrangig um den Honig, der von Wildbienen produziert wurde. Mit dem Rückgang der Wildbienen verlor sich dann auch diese Form der Imkerei.

Die Bienenkörbe oder -beuten mussten bestimmte Kriterien erfüllen, wenn ein Bienenvolk bleiben und erfolgreiche für Honig sorgen sollte. Aus anfangs hohlen Bäumen wurden mit der Zeit handgeflochtene Strohbeuten, später entstanden die Bienenkästen in der heute bekannten Form. Die Strohbeuten mussten sehr exakt gefertigt werden, wegen der Wärmeregulierung nicht zu dünn und nicht zu dick, die Größe dem Schwarm angepasst sein und an einem luftigen, aber trockenen Standort aufgestellt sein. Wenigstens einmal am Tag sollten sie auch von der Sonne direkt beschienen werden.

Die Honigernte sollte Ende Juli beendet sein, damit den Bienen genug bleibt, um über den Winter zu kommen. Erfahrene Imker geben zusätzlich eine Schale mit eingekochtem Sirup und etwas Bierwürze in die Beute.

Neben dem Honig, wurde seit jeher das Wachs genutzt, um daraus Kerzen, Hautpflegemittel, Leder- und Schuhpflegemittel herzustellen.

  • In jüngerer Zeit, aber vermutlich auch schon früher, hat sich bei ernährungsbewussten Menschen die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein weiterer Bestandteil der Waben, praktisch das Klebemittel für Waben, sehr gesund ist. Der Propolis genannte Stoff stärkt das Immunsystem nachhaltig. Es kann in Reformhäusern erworben werden oder direkt beim Imker. Wobei bei selbst hergestellter Propolis eine gewisse Vorsicht geboten ist: einmal wegen der Reinheit, zum anderen wegen Überdosierungen, die besonders für Allergiker problematisch werden könnten. 

Verantwortungsbewusste Imker werden immer das Wohl ihrer Bienenvölker im Blick haben und sie nur wenig stören, etwa bei der Wabenentnahme zur Honiggewinnung. Wachs und Propolis werden nur in vertretbaren Mengen entnommen.

Viele Menschen scheuen Bienen, sie haben Angst vor deren Stichen, manche reagieren tatsächlich mit einer lebensbedrohlichen allergischen Reaktion (anaphylaktischer Schock). Bienenstiche sind in der Regel aber ziemlich harmlos, wenn auch unangenehm und schmerzhaft. 

  • Ein bewährtes Hausmittel gegen Bienen- und Wespenstiche war früher, die Einstichstelle etwa eine Viertel Stunde mit Baumöl (Olivenöl) oder eigenen Speichel zu massieren. Wurden stechende Insekten verschluckt, sollte sofort ein Teelöffel Salz eingenommen werden, um das Insekt sofort zu töten – heute eine ziemlich fragwürdige Methode.

Erich Schwiderski, der Imker am Fließ – ein Leben für die Bienen

Einer der erfahrensten Imker im Spreewald war der inzwischen verstorbene Erich Schwiderski aus Lübbenau, der 1927 in Ostpreußen auf die Welt kam und der schon als Kind wusste, dass er mal Imker wird – und es ein Leben lang auch blieb. Seine Schule war drei Kilometer entfernt im Nachbarort und musste sommers wie winters zu Fuß erreicht werden. Auf dem Schulweg befanden sich am Feldrand einige Strohbeuten eines Imkers, die er im Sommer täglich inspizierte, auch mal verbotenerweise ausräuberte und sich dem Honiggenuss hingab. 

Ostpreußische Bienenbeuten

Die harten ostpreußischen Winter sind dem Jungen, der 1927 geboren wurde und der Zweitälteste von neun Geschwistern war, noch heute in Erinnerung: „Schlechtes Schuhwerk, abgetragene Kleidung und oft lausig-kalte Schneestürme – da habe ich manchmal vor Wut und Verzweiflung geweint. Der Unterricht war nur ein Notbehelf, denn der einzige Lehrer war zur Wehrmacht eingezogen. Lediglich seine Frau beschäftigte uns, oft mehr schlecht als recht.“ Nach der Schule begann er zielstrebig seine Lehre –als Imker. Erich war seinem Ziel nun ganz nah, er konnte die Ausbildung auf dem Bienengut Steinhof abschließen, wurde dann aber sogleich, als Siebzehnjähriger, zum Volkssturm einberufen. Hier bekam er unmittelbar die Schrecken des Krieges zu spüren, denn er und seine Kameraden wurden Zeugen des sowjetischen Massakers in Nemmersdorf. „Diese Bilder vergesse ich nie – und der Schneid zur Verteidigung des Reiches war weg! Wir wollten einfach nur nach Hause!“ Glück im Unglück: Sein Imker-Lehrmeister war zugleich im Wehrkommando tätig und konnte ihm einen Marschbefehl ausstellen: Als Treckführer in Richtung Westen. Über das zugefrorene Frische Haff führte er den Konvoi, wurde aber Tage später vom Kessel um Kolberg aufgehalten und kam dabei in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach drei Jahren im sibirischen Steinkohlenbergwerk führte ihn sein Weg nach der Entlassung erst nach Berlin, dann nach Erfurt. „Ich wusste nicht wohin und nahm einfach den nächsten Zug – und der fuhr nach Thüringen. Dort in der Bahnhofsmission traf ich einen Bauern, der für seinen gefallenen Sohn dringend Hilfe auf dem Hof suchte. Ich nahm die Stelle an, konnte mich dort auch erst mal satt essen und bekam ordentliche Kleidung. Mir ging es gut, aber ich blieb nur zwei Jahre und folgte einem Aufruf in die Lausitzer Kohle.“ Eigentlich sollte er dort die E-Lok fahren, wurde aber dann zum Baggerfahrer ausgebildet. „Ich hatte von beidem keine Ahnung, da wars mir auch egal.“ In Lauchhammer fand er eine gut bezahlte Arbeit mit besseren Lebensmittelkarten. Hier fand er in Vera, einer Pommer’schen, die Frau fürs Leben, die Töchter Jutta und Christa wurden geboren.

Ein Schwarm für eine Königin
Die Luft schwirrt und brummt plötzlich, der erfahrene Imker sitzt in seinem Lübbenauer Garten am Lehder Fließ, hebt den Kopf und unterbricht seine Erzählungen. „Das gibt es doch nicht! Genau jetzt beginnt ein Volk auszuschwärmen und sucht sich eine neue Bleibe! Da muss ich mich gleich drum kümmern!“ Sprachs und verschwand, um mit einer langen Leiter wiederzukommen. Der Schwarm hatte sich inzwischen im hohen Birnbaum niedergelassen. Der damals Dreiundachtzigjährige schnappte sich Schwarmkasten und Sicherungsleine und fing in großer Höhe, mit dem Baum bedenklich schwankend, die Bienen samt Königin ein. Ein Stich einer Biene bringt ihn dabei nicht aus der Ruhe und die Haut nicht mal zum Schwellen. „In den Jahrzehnten sind schon einige Liter Bienengift durch meinen Körper geflossen. Ich spüre da nur noch ein angenehmes Kribbeln“, erklärt er sichtlich gelassen die Attacke.
Den Garten, entstanden auf dem Aushub der Lübbenauer Alten Badeanstalt hatte er sich gleich besorgt, als er mit seiner jungen Familie 1961 in die Stadt zog. Zuvor hatte er den Spreewald bei einer Kahnfahrt kennengelernt und war begeistert: „Das ist ja ein Bienenparadies, hier möchte ich wohnen und Bienen züchten“ entfuhr es ihm damals spontan. Arbeit und Wohnung wurde bald gefunden. „Die Neubauwohnung war ebenfalls paradiesisch. Zuvor hatten wir in Kostebrau nur anderthalb Zimmer mit Brunnen und Klo auf dem Hof“, kann er sich erinnern. Bienen hatte er aber auch schon dort. Sein alter Lehrmeister, inzwischen in der Uckermark wohnend, hatte ihm vor seiner Republikflucht noch schnell alle Völker übergeben.

Den Spreewald im Glas


Der Bienenschwarm ist gerade untergebracht, da ertönt vom Fließ her ein Ruf. Mit „ich muss mal kurz Honig verkaufen“ geht Erich Schwiderski an seinen kleinen Verkaufsstand am Ufer. „Ich kann mir damit ein wenig die Rente aufbessern. Meine Kunden kommen aus aller Welt. Mit dem Honig nehmen sie ein Stück Spreewald mit nach Hause “, freut sich der Imker. Etwas wehmütig blickt er auf Zeiten zurück, in denen die Imker eine Abnahmegarantie durch den Handel mit garantierten und stabilen Preisen hatten: „Das war eine gute Zeit für uns Imker. Wir waren ständig mit den Bienenwagen unterwegs. Schließlich haben wir mit unseren Bienen auch der Landwirtschaft geholfen, ihre Erträge zu sichern.“
Inzwischen ist wieder Ruhe am Ufer eingekehrt, das Schwarmvolk versorgt und Erich Schwiderski kann sich wieder um seine anderen Bienen kümmern. Mit der Wabenzange hebt er ganz ruhig Wabe für Wabe ab, spricht sogar mit den Bienen und kontrolliert dabei die Zellen. Er ist bei dieser Arbeit sichtlich zufrieden. Nach schweren Erkrankungen hat er wieder Kraft geschöpft und sieht zudem noch einen Sinn in seinem Dasein. „Ich habe mit den Bienen gelebt, sie sind mein Leben so lange, bis mir die Wabenzange aus der Hand fällt!“ Und so kam es dann auch: Erich Schwiderski verstarb 2020 in Lübbenau.

Peter Becker, 06.11.22

Über Peter Becker 359 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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