Burger Bootshaus Conrad im neuen Fahrwasser
Burger Bootshaus Conrad im neuen Fahrwasser
Der erste Eindruck des Besuchers ist etwas anders, als man es von einem Paddelbootsverleiher erwarten könnte – besonders für die Kinder. Gleich am Eingang mümmeln ihnen Kaninchen entgegen, zwar eingezäunt, aber die vielen Grabungslöcher zeugen vom Ausbruchswillen der Tiere in Richtung saftige Wiese. Die Kinder nehmen sich spontan der Tiere an, holen Gras und reichen es durch den Maschendraht. Manch Großstadtkind kommt so erstmals in direkten Kontakt mit Tieren, ein Kontakt, der sich nicht nur auf die Kaninchen beschränkt, denn von hinten schnurren sich „Helmut“ und „Lucky“, zwei der vier Hofkatzen, an die Kinder heran und verlangen eifersüchtig ebenfalls Aufmerksamkeit. Ein großer Buddelkasten lockt mit Spielzeug diejenigen Kinder, die im Umgang mit Tieren noch etwas fremdeln…
Inzwischen haben die Eltern die Verleihprozedur abgeschlossen und sammeln ihre Kinder ein, um ein Paddelboot zu besteigen und den Spreewald zu erkunden. Das Bootshaus liegt in der Nähe der Ringchaussee und unmittelbar an der Spree, von hier aus ist jeder Spreewaldort erreichbar – je nach Kondition und Zeitmanagement.
Das Verleih-Unternehmen wurde 1990 von Rainer Conrad gegründet und wird seit 2020 von Carmen Gerke und ihrem Ehemann Rocco geführt. Die 1985 Geborene ist ein echtes Spreewälder Kind: Es zog sie zwar erst einmal in die Ferne, nach Berlin und später nach Marienberg ins Erzgebirge, wo Ehemann Rocco aufgewachsen war und dort mit ihr eine Immobilienfirma führte. Carmens Blick in die Spreewälder Heimat war dennoch im Hintergrund stets vorhanden, er wurde sogar immer stärker. Für Carmen war es eine Heimkehr, für Rocco eine „Verpflanzung“ aus seinem geliebten Erzgebirge. „Ich habe ihn in den Spreewald entführt – und nun will er nicht mehr weg, er ist von der Landschaft begeistert“, sagt Carmen Gerke. Beide kommen aus dem Finanz- und Immobilienwesen, beide wissen, wie ein Unternehmen zu führen ist. Das junge Paar wollte damals sogar auswandern, das Glück in der Ferne suchen. Ägypten stand eine Zeit ganz oben auf der Wunschliste! „Bitte macht das nicht!“, signalisierten Mutter Martina und Stiefvater Rainer Conrad aus Burg ins Erzgebirgische. Sie hatten aus gesundheitlichen Gründen ihren Betrieb bereits verpachten müssen. Eher sind wir bereit, euch unser Geschäft abzutreten, aber bitte geht nicht fort!“
Doch der Start im Spreewald gestaltete sich alles andere als leicht, denn Corona hebelte zeitweise den Tourismus aus. Das junge Paar musste sich was einfallen lassen, als später mit Auflagen das Tourismusgeschäft wieder gestattet wurde. „Wir haben vom Ufer Getränke und Grillwurst in die Boote verkauft, um wenigstens etwas dazu zu verdienen“, erinnert sich Carmen Gerke an die überaus schwierige Zeit des beruflichen Neustarts in ihrem geliebten Spreewald.
Neben der Kinder- und Familienfreundlichkeit sind es die modernen Kommunikationsverfahren, die sie in den Vordergrund stellen. Paddelboote können beispielsweise online gebucht werden, das verkürzt das Anmeldeverfahren vor Ort und dient vor allen Dingen der Verlässlichkeit auf beiden Seiten: Gerkes wissen, wann wie viele Boote gebraucht werden, der Kunde kann sich sicher sein, dass er auch sein Boot zur Wunschzeit bekommt. Für Kurzentschlossene besteht dennoch die Möglichkeit, ein Boot auszuleihen. Im Anmelde- und Kassenhäuschen sitzt Martina, Carmens Mutter. Sie managt die Tagesgeschäfte und behält souverän den Überblick. Hungrige und durstige Gäste werden von ihr ebenfalls bewirtet. Stiefvater Rainer Conrad schaut auch immer wieder mal vorbei, was sich Neues tut, kann aber nicht mehr aktiv mithelfen.
Immer stärker wird die Unterstützung der Söhne von Carmen und Rocco Gerke spürbar: Die beiden Zwölf- und Zehnjährigen, Massimo und Alessio, helfen bei der Verleihung, kümmern sich um die Sonnenschirme und um die Hoftiere. Mit sehr viel Empathie setzen sie sich für sie ein und sorgen für sie. Auf beiden, die Neu-Spreewälder, die aus einer Stadtwohnung in Marienberg kommen, wirkt die sie umgebende und prägende Spreewaldnatur besonders stark. Alessio konnte es beispielsweise nicht mit ansehen, dass Kater „Helmut“ mit einer gefangenen Maus spielte und jagte sie ihm ab. Behutsam entließ er das offensichtlich unverletzte Tier ins Gebüsch.
Gerkes haben sich viel vorgenommen, einige Modernisierungsmaßnahmen stehen noch an, aber dafür ist im Sommer keine Zeit. Zusätzlich zum Verleihgeschäft bieten sie neben dem Imbiss mit Biergarten auch Kahnfahrten an. Carmen Gerke hat im letzten Jahr ihre Kahnfahrerlaubnis erworben und stakt die Gäste durch den Spreewald. Hier tritt sie in die Fußstapfen ihrer Mutter, die jahrelang und in Tracht den Kahn durch den Spreewald stakte.
Peter Becker, 15.07.22
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