Großes Chinaprogramm auf der Kleinkunstbühne

Niemand ist zu klein, um Großes zu tun – wie Deutschland und China kooperieren können 

Das kleine Lübbenau und das große China: Was kann der Einzelne tun, um Großes auf den Weg zu bringen? Wie kann jeder zur Völkerverständigung und Frieden beitragen? Diese und ähnliche Fragen versuchte Gerard Pieper zu beantworten. Und er kam nicht allein: Sein in Deutschland lebender Partner Gang Wu aktivierte die in Berlin und Cottbus lebende chinesische Community, die innerhalb sehr kurzer Zeit ihr Erscheinen zusagte und ein Folkloreprogramm auf die Bunte Bühne und zum Maifest nach Senftenberg brachte. Es gab chinesische Kost, Kunst zum Mitnehmen und einen Teekochkurs obendrauf. 

Die Koordinierungsstelle am GLEIS 3 hatte den Lausitzer Unternehmer eingeladen, über seine Erfahrungen zu sprechen, seine Sicht auf die Probleme der Gegenwart darzulegen. Gerard Pieper gründete 1996 das Lübbenauer Unternehmen GP-Innovation GmbH, es entwickelte sich in Zusammenarbeit mit der IHK und der Wirtschaftsförderung Brandenburg zur „Technologiebrücke der Hauptstadtregion“ und stellt Wirtschaftskontakte zu China her. Seit über einem Jahrzehnt ist Gerard Pieper Dauerpendler zwischen China und Deutschland, er knüpft Kontakte zwischen den Unternehmen und bereitet den Technologietransfer vor. Sein Unternehmen und der chinesische Partner hat die Kooperation der Deutsche Bahn ST mit dem chinesischen Bahnkonzern CRRC Tangshan angebahnt und betreut.  Dort wird die Kompetenz deutscher Firmen geschätzt, obwohl die Chinesen in einigen Bereichen uns längst voraus sind. Täglich fahren die Schnellzüge dort auf die Minute genau mit über 300 km/h zwischen den chinesischen Großstädten. Diese sind sauber, es gibt ein ausgefeiltes Einsteigmanagement ohne Drängeln. Pieper war auch an Umweltprojekten beteiligt, etwa bei der Installation von Klärtechnik von LKT Duben in chinesischen Dörfern. 

In seinem Vortrag ging er auch auf die Mentalität seiner chinesischen Partner ein. „Für sie sind gute Kontakte, geprägt von Freundschaft und gegenseitige Achtung, oft von höherem Stellenwert als jedes noch so schön ausformulierte Papier. Stimmt die Chemie nicht, wird es auch mit dem Geschäft nichts“, fast Pieper seine Erkenntnisse zusammen. „Chinesen sind überaus fleißig und schauen nicht auf die Uhr, höchstens aufs Handy. Ihre Netzwerke werden ihren Namen gerecht und umfassen große Bereiche, nicht so wie in Deutschland, wo sich Netzwerk neben Netzwerk befindet und manchmal nicht der eine vom anderen weiß“, ergänzt er noch seine Ausführungen. Seine Fotos zeigen klinisch reine Werkhallen (Pieper: „Beim Gegenbesuch der Chinesen in Deutschland habe ich mich manchmal für den Dreck in jeder Ecke geschämt!“), sie zeigen aber auch die anstrengenden Verhandlungstage, die oft bis zur Erschöpfung, bis weit nach Mitternacht, gingen. 

In der anschließenden Fragerunde ging Pieper auf die aktuelle Situation ein. Er bedauert, dass es praktisch keine persönlichen Begegnungen mehr gibt und man sich auf Videokonferenzen beschränken muss. Dies erschwere die Schaffung neuer Geschäftsbeziehungen, denn die für Chinesen so wichtige persönliche Komponente ist bei aller moderner Technik nicht wirklich ersetzbar. Gerard Pieper beobachtet ohnehin eine gewisse Abflachung in der Zusammenarbeit mit China, die durch den Ukrainekrieg noch einen zusätzlichen Schub bekommt. Der Krieg gegen die Ukraine wird von seinen chinesischen Partnern unterschiedlich reflektiert. Einig sind sie sich darin, dass er verbrecherisch ist und das Leid gemindert werden muss. „Deshalb haben meine chinesischen Partner und die ‚Technologiebrücke der Hauptstadtregion‘ Geld für die Flüchtlinge gespendet“, sagt Pieper. 

„Mein Chinabild hat sich nicht verändert“, sagt Gerard Pieper, „denn China hat einen Plan für die nächsten Jahrzehnte und verfolgt seine Ziele konsequent. Was sich verändert, ist Europa und mein Bild von Europa. Die Spitzenpolitiker Europas sollten endlich aus der endlosen Reihe von heißen und kalten Kriegen lernen. Nur eine Geschlossenheit Europas gegenüber Russland könnte den Krieg stoppen. Die aktuell praktizierte Einigkeit in der Außenpolitik ist dafür schon mal ein guter Anfang. Angesichts der derzeitigen Kritik und gar Anfeindungen gegenüber unserem Präsidenten Steinmeier und Kanzler Scholz ist deren Vor- und Umsicht bemerkenswert und zu bewundern“. 

Piepers Resümee seines Vortrags: „China hat in kurzer Zeit geschafft, 700 Mio. Menschen aus Hunger und Armut zu befreien. Auch wir haben einen wesentlichen Teil unseres Wohlstandes der Kooperation mit China zu verdanken! Chinesen sind bildungshungrig – etwas, was den Deutschen zu verlieren gehen scheint. Ein gebildeter Mensch versteht die Welt besser – und ist mutiger. Wir Deutschen sind zu sehr Bedenkenträger, die Chinesen sind offener für Innovation und tun es einfach – ein Korrigieren des Weges ist dabei eingeschlossen und wird als normal angesehen.“ 

Peter Becker, 02.05.22

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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