Gipfelkreuz im Spreewald?

Spreewald und Berge? Auf den ersten Blick schließt sich das sofort aus, dennoch gibt es den einen oder anderen Hügel im Biosphärenreservat, wegen der Seltenheit von den Spreewäldern gern Berg genannt. 

Der Radduscher Ortschronist Manfred Kliche erklärt: „Zu den Bergen im Spreewald gehören die Dubrauer Höhe mit 93 Meter über NN, der Neu Zaucher Weinberg mit 88 Meter und dann folgt schon  der Schwarze Berg von Raddusch mit nur 65 Meter Höhe, der aber mit 700 Meter Länge und 500 Meter Breite für Spreewälder Verhältnisse beachtliche Ausmaße annimmt“. Der Ort Raddusch liegt unmittelbar am Rand des Baruther Urstromtals auf einer Grundmoränenplatte. In einem Teil des Bergrückens wurde Sand für den Deichbau, später für die Kraftwerke Lübbenau und Vetschau abgebaut.  „Bei den Abbaggerungsarbeiten wurden zahlreiche historische Funde ausgegraben, so unter anderem mittelsteinzeitliche Feuersteinklingen, Spitzen, Schaber, Spalter und Pfeilspitzen“, weiß Kliche zu berichten. Auf dem Schwarzen Berg bestand eine Siedlung, deren Herdstellen untersucht wurden. Es wurden dort 66 Urnengefäßen in einer Grube gefunden, die eine weitere Bestätigung für eine frühzeitliche Siedlung darstellen.

Kliche ist auch Gästeführer, der seinen Gästen das Dorf mit den 20 Stationen, darunter auch der Schwarze Berg, zeigt. Gern erzählt er ihnen auch die Sage vom Riesen, der einst dort gelebt haben soll. Sein Sand im Stiefel reichte aus, um einen Schneider, der gegen ihn eine Wette verlor, zuzuschütten – der Schwarze Berg war geboren. Eine Informationstafel zur Sage steht schon länger auf dem Schwarzen Berg, auf dem sich die Radduscher Kita-Kinder im Rahmen ihres Waldprojektes aufhalten. In den letzten Jahren hatte ein Schweizer Reiseunternehmen Raddusch für sich entdeckt und regelmäßig Reisegruppen in den Spreewaldort entsandt. Bei den Führungen auf den „Berg“ kam es hin und wieder zu „Sticheleien“ der Schweizer Urlauber: Für sie ist ein Berg nur einer, der auch ein Gipfelkreuz hat. Manfred Kliche: „Das Schweizer Reiseunternehmen Twerenbold griff die Idee auf und übergab mir eine wetterfeste Kassette mit einem Gipfelbuch, verbunden mit der Bitte auf dem Schwarzen Berg ein Gipfelkreuz zu errichten.“

Der Radduscher Schmied Bernd Klinkmüller fertigte auf seine Kosten ein stählernes Gipfelkreuz an, welches dieser Tage aufgestellt wurde. Bauer Buchan gestattete die Nutzung seines Grundstückes, Richter-Werbung übernahm die Beschilderung – alles kostenlos. Manfred Kliche, Frank Zeugner, Matthias Mutschke und Peter Schapp griffen zu Hacke und Spaten und betonierten das Kreuz ein. Letzte Hand legten die Kinder an: Sie schleppten Steine heran und schichtete sie am Kreuz auf, ganz so wie es die Bilder von den hohen Alpengipfeln zeigen. Mit Eifer sammelten sie die Steine in der Umgebung und trugen sie, teilweise unter Aufbietung all ihrer kleinen Kräfte, zum schmiedeeisernen Kreuz. „Darunter ist bestimmt der Schneider begraben“, zischelte keuchend ein Junge seinem Freund zu. Glücklicherweise haben das keine Erwachsenen gehört, sonst hätte das Gipfelkreuz schon am Tage seiner Errichtung seinen Spitznamen gehabt: Schneiderkreuz. Oder hat es sich doch schon rumgesprochen? 

Jedenfalls ist die Fertigstellung des Gipfelkreuzes für alle eine gute Gelegenheit, sich nach getaner Arbeit die Sage noch einmal anzuhören, diesmal direkt aus dem Munde des Ortschronisten. Und wenn der es sagt, wird das wohl schon stimmen, dass mit dem Riesen, mit dem Schneider und dass mit dem Kreuz …

Nun hat der Spreewald einen echten Berg im schweizerischen Sinne, mit Gipfelkreuz und Gipfelbuch. „Auf die Gesichter der Schweizer Urlauber, die hoffentlich bald kommen können, freue ich mich heute schon“, sagt der Gästeführer Manfred Kliche. Besonders auch auf den Tag, an dem der erste Schweizer Urlauber sich im Gipfelbuch eintragen kann, nach dem so beschwerlichen Aufstieg in die Radduscher Höhen.

Die Radduscher Touristiker haben in diesen Zeiten bewiesen, dass sie auch noch Humor haben und etwas augenzwinkernd auf die Wünsche der Urlauber eingehen können. Und die Kinder werden auch später sich noch daran erinnern, dass sie dabei kräftig geholfen haben.

Peter Becker, 23.03.2021

Über Peter Becker 361 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

2 Kommentare

  1. Lieber Herr Peter Becker,
    gerade waren wir mit unseren WoMo in Lübbenau, da finde ich durch Zufall Ihre wunderschöne Geschichte vom Gipfelkreuz auf den Schwarzen Berg. Leider haben wir diese Kuriosität nicht selbst bestaunen können. Aber ich habe trotzdem eine Frage. Wäre es Ihnen recht, wenn wir diese Geschichte frei nach ihrer Erzählung im Facebook veröffentlichen? Leider haben wir kein eigenes Foto. Aber eines bin ich mir schon heute ganz sicher. Beim nächsten Mal werden wir das Gipfelkreuz besuchen.

    Mit freundlichen Grüßen
    A. W. vom Radio DDReins, Studio Mansfeld

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