Wie der Wagen auf die Eiche kam …

Was hat der Burger Bismarckturm (Baubeginn 1915) mit der 100 Jahre später errichteten Stele mit dem stilisierten Bronzewägelchen zu tun? Auf den ersten Blick wohl gar nichts, doch der forschende, neugierige und in die Tiefen der Lausitzer Besiedlungsgeschichte eintauchen wollende Betrachter  kann sich ein Bild machen – dank der Informationstafeln neben dem Denkmal zur Lausitzer Frühgeschichte.

Stele und Bismarckturm – dazwischen verlief die Trasse der Spreewaldbahn, heute ein Wanderweg.

Der Initiator dieser Stele, die Spreewälder Kulturstiftung, hat sich zum Ziel gestellt „Kunst und Kultur, Heimatpflege und -kunde, den Umwelt- und Naturschutz sowie die Landschaftspflege in der Spreewaldregion zu fördern.“ Was ziemlich global und thesenhaft klingt, ist auf das Fundobjekt „Bronzewägelchen“ herunterprojiziert: Die Skulptur ist ein stark vergrößertes Abbild, dem Original nachempfunden. Im Auftrag der Kulturstiftung schuf der Mecklenburger Künstler Oliver Guse den Entwurf, der in der Berliner Bronzegießerei Flierl in Form gebracht wurde. Burger Betriebe wie die Metallbaufirma Jakubik oder der Bau- und Möbeltischler Netzker brachten sich vor Ort ein. Der Spreewälder Eichenstamm ist etwa 400 Jahre alt, hat eine Masse von zwei Tonnen und musste erst mal bewegt, aufgestellt und mit der Skulptur gekrönt werden.

Am 1. Mai 2015 wurde die Stele als einer von sechs „Zentralen Archäologischen Orten“ der Niederlausitz mit einem kleinen Fest eingeweiht. Gefördert wurde das Projekt vom Brandenburgischen Amt für Denkmalpflege und der ELA Brandenburg sowie vom Spreewaldverein.

Stilisiertes Bronzewägelchen, Entwurf: Oliver Giese, Bronzegießerei Flierl, Berlin (Foto: P. Becker)

Das Denkmal-Bronzewägelchen symbolisiert eines der sieben gefundenen und der Wissenschaft immer noch Rätsel aufgebenden bronzenen Geräte. Das Original ist viel kleiner und passt in jeden Schuhkarton. Zwei davon sind als Kriegsbeutekunst 1945 aus dem Berliner Museum ins Moskauer Puschkinmuseum gebracht worden, der Verbleib der anderen Bronzewägelchen ist unbekannt. Die Bundeskanzlerin forderte 2013 bei einem Besuch in St. Petersburg die Rückgabe aller seit Kriegsende in Russland gelagerter Kunstwerke – leider vergeblich. Professor Menghin vom Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte leitete seinerzeit die deutsch-russische Arbeitsgemeinschaft, er hat die Wägelchen gesehen und weiter beforscht.

In den Jahren von 1848 bis 1935 wurden die Wägelchen gefunden, allerdings von Laien, die sich um die Auffindesituation wenig Gedanken machten und den Fundort nicht sicherten. Als sich ergab, dass die Trassenführung der Spreewaldbahn den Burger Schlossberg durchschneiden sollte, regte sich erst mal Widerstand bei Besitzern wie Archäologen. Die einen fürchteten den Verlust ihrer Ländereien, die anderen den Verlust historischer Zeugnisse. Der Burger Schlossberg ist im Bewusstsein der Spreewälder von je her ein mystischer Ort, allein schon durch seine erhöhte und hochwassersichere Lage. Hier soll der Wendenkönig gelebt haben, hier soll ein Gemetzel unter den Wendenfürsten stattgefunden haben und hier sollen unterirdische Gewölbe voller Geheimnisse sein. Wenn es dafür auch keine Beweise gibt, so steht doch das Überlieferte für das Besondere des Ortes, der mit Sicherheit von frühesten Besiedlern zumindest als sicherer Ort wahrgenommen wurde – und demzufolge Besiedlungsspuren hinterlassen haben dürfte.

Der Radweg führt über die ehemalige Trasse der Spreewaldbahn. Links die Stele, rechts der Bismarckturm.

Rudolf Virchow, der berühmte Berliner Arzt und Archäologe, weilte bereits 1890 das erste Mal am Schlossberg und ließ Grabungen vornehmen. Er begleitete die Durchsticharbeiten 1897, konnte sich aber nur wenig ins Baugeschehen einbringen, da dies unter Zeitdruck geschah. Für Unterbrechungen, so wie es heute bei archäologischen Funden der Fall wäre, war damals weder Zeit noch das Verständnis vorhanden gewesen. Virchow versprach daher den mit Spaten und Schaufel vorgehenden Arbeitern einen Finderlohn – was sich als gut und richtig erwies. Entlang der Trasse gab es dann auch reichlich Funde, die in 44 Kisten nach Berlin verbracht wurden. Darunter Webegewichte, Trensen, Sporn und Steinäxte – nur keine Bronzewägelchen.

Die Skizze darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der eingezeichnete Bismarckturm zu Zeiten des Eisenbahnbaus noch gar nicht vorhanden war, er wurde erst 20 Jahre später (1917) eingeweiht.

Auf jeden Fall waren alle Funde so bedeutsam, dass Virchow 1900 zu einer Fachtagung nach Burg einlud. In Ergebnis dessen kam das Gremium zur Erkenntnis, dass einige Funde, darunter die Wägelchen, sich weder der germanischen, noch der slawischen Besiedlungsepoche zuordnen ließen. Der Fachbegriff „Lausitzer Kultur“ wurde geboren, er steht für eine Epoche der Hochkultur – vor den genannten Siedlungsepochen. Anlässlich dieser Tagung wurde auch die Idee geäußert, zur Förderung des Tourismus und des Kulturverständnisses an dieser geschichtlich bedeutenden Stelle einen Aussichtsturm zu errichten.

Die Funktion und Bedeutung der eigenartigen Wägelchen sind immer noch rätselhaft. Einige Wissenschaftler vermuten ein Kultobjekt, andere ein Mess – oder Maßgerät, andere nur ein Kinderspielzeug oder Grabbeigabe für Ranghöhere. Eine originalgetreue Nachbildung ist in der Radduscher Slawenburg zu sehen.

Der Burger Schlossberg ist vom Bismarckturm geprägt. Dieser wurde zwischen 1915 und 1917 nach Plänen von Carl Schuchardt zu Ehren des Reichskanzlers gebaut. In der DDR wurde er Jugendturm genannt und nach der politischen Wende wieder zurückbenannt. Er besteht aus 1,5 Millionen Klinkersteinen und ist 28 Meter hoch. Seit 1957 steht das gesamte Areal des Schlossbergs unter Denkmalschutz.

Zeittafel1:

6000 – 2000 v. Chr.Besiedlung in der jüngeren Steinzeit
500 – 400 v. Chr.Ältere vorslawische Siedlungsepoche
400 v. Chr.Besiedlung in der vorrömischen Metallzeit
937Markgraf Gero soll 30 wendische Fürsten auf dem Schlossberg ermordet haben (Sage)
1786Erster Bericht über Ausgrabungen
1811Ausgrabungen auf dem Schlossberg
1840Erste wissenschaftliche Untersuchungen
1890Untersuchungen durch Rudolf Virchow
1897Durchstich zum Bahnbau
1909Untersuchungen durch Götze
1915Bau des Bismarkturms
1917Einweihung des Bismarckturms

„Wir wollen Bewohnern wie Gästen des Spreewaldes neue Einblicke in die kulturellen Wurzeln des Spreewaldes
geben, mehr über die Quellen der andauernden Inspirationen und Ur-Botschaften des Spreewaldes erfahren und hoffen so, sie dem heutigen Bewusstsein näher zu bringen.“
Heinrich Michael Clausing, Stifter und Vorstandsvorsitzender, Hotelier, Burg im Spreewald

https://www.spreewaelder-kulturstiftung.de

Antje Zimprich: Ein Denkmal für den Schlossberg von Burg

Peter Becker, 30.01.2021


[1] Unsere Heimat – Der Heimatwanderer, G. Haneberg, Burg, Nr. 58, 31.07.1930, Cottbus

Über Peter Becker 404 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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