Dass, was alle Kahnfährleute und Urlauber sehnlichst erwartet hatten, trat innerhalb weniger Stunden ein: Die drei betreffenden Landkreise gestatteten per Pressemitteilung vom Freitag, 16:38 Uhr, Kahnfahrten mit Gästen ab Samstag, allerdings unter entsprechenden Auflagen. Die Genehmigung wurde von der Öffentlichkeit wohlwollend aufgenommen und fand schnelle Verbreitung in den Medien. Weniger wohlwollend wurde es von den Betreffenden selbst -trotz aller Freude- wahrgenommen. Marko Schröter vom Kleinen Hafen am Spreeschlösschen: „Wir haben uns sofort nach Bekanntwerden in unserer ‚Lübbenauer Hafenrunde‘, wie wir unsere Vereinigung der größten Fähranbieter nennen, über die weitere Vorgehensweise verständigt. Neben der Überraschung über die sehr schnelle Freigabe mit entsprechender Verbreitung in den Medien, ging es um die Umsetzung der für alle verbindlichen Regelungen. Wir hatten bereits vor zwei Wochen eine Art Maßnahmenkatalog zu möglichen Hygienemaßnahmen definiert, deren konkrete verantwortungsbewusste Umsetzung jetzt ansteht.“
Von den in der „Hafenrunde“ vertretenen Häfen kam die Empfehlung, den offiziellen Start auf den 14. Mai zu verlegen, auch um mit dem Gastronomiestart einen Tag später einigermaßen konform zu gehen. Vier der fünf Häfen beschlossen dies auch so umzusetzen. Der Hafen „Am Holzgraben“ sah sich allerdings nicht an diese Absprache zur einheitlichen Vorgehensweise gebunden. Wieder einmal schien ein einheitliches Vorgehen der Lübbenauer Führleute nicht möglich zu sein.
Rainer Wendenburg vom Hafen „Am Holzgraben“: „Wir hatten die Zeit genutzt und schon mal vier Kähne vorbereitet, die sofort starten könnten. Die Gäste sitzen familienweise auf einer Bank, der Abstand zur nächsten Bank ist ein Meter fünfzig, wir Fährleute tragen bei der Einstiegshilfe Handschuhe und Mundschutz, nach der Fahrt werden alle Kontaktflächen desinfiziert und in einer Liste – wie von den öffentlichen Toiletten bekannt – dokumentiert.“ Noch während seiner Erklärung erscheinen zwei Beamte der Wasserschutzpolizei, die sich von dem Stand der Umsetzung der Hygienevorschriften überzeugen möchten. Polizeihauptmeister Raimond Strelow kontrolliert auch die Papiere und kommt zu dem Schluss: „Hier wurden alle Hygienebestimmungen vorbildlich eingehalten – hoffen wir, dass alle anderen, die wir noch kontrollieren werden, das auch so handhaben!“
Fährfrau Ulrike Konzagk ist dann auch die Erste, die mit einem Kahn voller Gäste starten darf. Diese sind zufrieden, doch noch einen Kahn gefunden zu haben, der ihre weite Anreise doch noch zu einem glücklichen Ende führt. Am Ende des Tages waren es dann 60 Gäste, wie von Rainer Wendenburg in Erfahrung zu bringen war.
Aus der Sicht der Tagesausflügler stellt sich der Kahnfährstart nämlich anders dar: Durch die Medien und das schöne Wetter inspiriert, geht es endlich mal wieder in den „schönen Spreewald“, wie eine Senftenbergerin erklärte. Ingo Pröhl aus Leipzig: „Ich habe gestern vom Start der Kahnfahrten im Internet gelesen und mit meiner Familie einen Spontanbesuch im Spreewald beschlossen. Unsere Enttäuschung war riesig, als im Großen Hafen überhaupt keine fahrbereiten Kähne angetroffen wurden. Eine Dame gab uns dann den Tipp mit dem Hafen hier.“
So nach und nach kamen immer mehr Gäste, der Parkplatz füllte sich fast wie in besten Zeiten. Das Ausscheren des Einen aus der Vereinbarung über einen späteren Beginn erwies sich im Nachhinein als Glücksfall für den Lübbenauer Kahnfahrtourismus: Offensichtlich niemand musste ohne Kahnfahrt wieder die Heimreise antreten – der Ruf des Spreewalds war gerettet. Den Urlaubern selbst dürfte es sogar gefallen haben, denn der große Abstand mit großer Beinfreiheit, das Sitzen in Fahrtrichtung, wird als sehr angenehm empfunden. Der Preis ist wie immer, es gibt keinen „Coronaaufschlag“, wie manche vermuten würden. Nur eine Einschränkung müssen die Gäste in Kauf nehmen: Das Durchreichen der Getränke aus der Kühlbox nach vorn ist wegen der vielen Kontaktmöglichkeiten verboten. Der Gast muss sich also schon beim Einsteigen entscheiden, was und wie viel er trinken möchte – ein zumutbarer Aufwand.
Info-Box:
Die „Lübbenauer Hafenrunde“ ist ein loser Zusammenschluss, ihm gehören die beiden städtischen Häfen Großer Hafen, Kleiner Hafen am Spreeschlößchen, die privaten Häfen Frank‘s Kahnfahrten, Schwertners Kahnfahrten und Hafen Am Holzgraben sowie die Touristinformation Lübbenau an. Zu den dort vereinbarten Maßnahmen gehört:
– Sicherheitsabstand von mindestens 1,50 m zwischen den Gästen
– mögl. Entfall von Bankbesetzungen um den Abstand zu gewährleisten
– Einzelpersonen, Pärchen oder Familien (Hausstand) auf einer Bank (die reguläre, zugelassene Besetzung des Kahnes wird damit drastisch reduziert)
– Abstandsmarkierungen an der Abfahrtsstelle
– Begegnungen auf dem Wasser vermeiden (in Kooperation mit anderen Fährunternehmen z.B. Einbahnstraßenregelungen etc.)
– sanitäre Einrichtungen in der Nähe der Abfahrtsstelle
– Reinigungsmaßnahmen der Berührungspunkte der Gäste am/auf dem Kahn in erforderlichem Umfang
Zu den aktuellen Kahnstarts in anderen Orten:
Der Burger Hafen ist am Samstag gestartet.
Raddusch startete erst mal nur symbolisch mit einer Rudelübergabe, die am 9. Mai ohnehin anlässlich des 21. Hafenfestes stattgefunden hätte. Mangels Publikums, aber weil die Rudelübergabe nicht ausfallen sollte, wurde dies im familiären Rahmen vorgenommen: Manuela Mecke übergab das Rudel an den Vorsitzenden der Radduscher Kahnfährgemeinschaft, ihrem Ehemann Detlef Mecke. Die Radduscher planen ihren offiziellen Start für den 16. Mai, wenn alle Kähne entsprechend den Hygienevorschriften umgerüstet worden sind.
In Leipe finden ab Sonntag schon erste, schon länger gebuchte, Fahrten statt. Ansonsten orientieren sich die Fährleute am Lübbenauer Vorgehen und starten offiziell am 14. Mai.
In Schlepzig standen am Samstag ab 11 Uhr die Kähne bereit! Yvonne Huber: “ Wir sind begeistert, nun den Spreewaldgästen den Wonnemonat Mai auf den Fließen zeigen zu können. Es sind so viele Pirole zu hören, der Seeadler zeigt sich, Entenkinder, Nutriababies und auch die Sumpf- Lilien blühen schon. Natürlich werden Hygieneregeln und der Abstand eingehalten und die Gäste freuen sich über die sparsam besetzten Kähne, sowie über das geöffnete Hafenstübchen. Ich muss aber auch sagen, daß bei uns nicht mehr Bedarf an Plätzen bestand. So sind wir durchschnittlich mit 5-6 Gästen gefahren“.
Peter Becker, 09.05.2020
Hinterlasse jetzt einen Kommentar