Carsten Schmidt – ein Vetschauer Auswanderer in Myanmar
Kurz vor der Jahrtausendwende büffelte Carsten Schmidt noch am damaligen Vetschauer Gymnasium fürs Abitur. Um noch etwas Zeit für die berufliche Orientierung zu gewinnen, trat er anschließend erst einmal seinen Dienst bei der Bundewehr an. Er merkte bald, dass ihn die Ferne, die Neugier auf Unbekanntes, Fremdes anzog, er wollte reisen und die Welt kennenlernen. Aber es sollte mehr sein, als nur um den Globus zu jetten, er möchte auch später anderen zeigen, wie schön die Welt ist. So jedenfalls seine damalige Gefühlslage, an der sich auch nach 15 Jahren im Ausland, in Myanmar, nichts geändert hat.
Ein erster Baustein war für Carsten Schmidt eine Ausbildung zum Hotelfachmann, dem sich bald Mangementkurse anschlossen, zuerst im Sauerland, dann in Myanmar. Das asiatische Land hatte es ihm sofort angetan, hier konnte er sich sein berufliches wie privates Leben gut vorstellen. Hier hat er allerdings auch schwere Zeiten miterlebt, die seine Liebe zu dem Land allerdings keinen Abbruch taten. Er nennt die Saffron-Revolution von 2007, als tausende von buddhistischen Mönche in ihren safran-farbenen Roben durch die Straßen der 6-Millionen Stadt Yangon protestierten oder den Zyklon Nargis im Mai 2008, der schätzungsweise 85 000 Menschen das Leben kostete.
Seit 2011 arbeitet er für die ICS Travel Group, für die er Reisen im asiatischen Raum organsiert. Carsten Schmidt: „Es ist für mich spannend, die unterschiedlichsten Aufträge zu realisieren, egal ob Gruppen- oder Individualreisen, ob für Architekten oder nur traumhafte Flitterwochen am Strand, egal sehr private VIP-Reisen für Leute mit großem Namen, die unerkannt bleiben wollen.“ Auf seiner abgearbeiteten Liste befinden sich solche Namen wie Calvin Klein oder Beyoncé.
Inzwischen ist er als Group Director of Operations & Products für das operative Geschäft und die Entwicklung neuer Produkte und Touren verantwortlich. Dazu gehört auch die touristische Erschließung weniger bekannter Gebiete. In über 50 Länder führten ihn seine Reisen, immer dabei auf der Suche nach neuen Zielen. Carsten Schmidt reist allein oder mit ebenso entdeckungsfreudigen Touristen, die ihn von früher her kennen und ihm vertrauen. Darunter auch ehemalige Lehrer aus seiner Vetschauer Zeit. Joachim und Sabine Seeck waren mit Carsten Schmidt schon mehrmals in Asien unterwegs. Joachim Seeck: „Einige Rundreisen waren sehr abenteuerlich, da wir in Gebieten waren, die von Touristen nur selten besucht werden, wie in der Chinregion an der Grenze zu Indien oder im Shanstaat an der Grenze zu China. Carsten Schmidt hat uns stets ein Gefühl der Sicherheit gegeben, wir haben uns bei ihm gut aufgehoben gefühlt.“
Vor zwei Jahren hat er sich ein weiteres Standbein aufgebaut: „Ich habe das Unternehmen Vintage Vehicles Co. Ltd. gegründet. Mit einem alten Bus, ein Hino BM401, Baujahr 1981, bietet unser Team ein Tourenerlebnis in Yangon an“, berichtet Carsten Schmidt über seine beruflichen Pläne. Er weiß, wie empfindlich die Reisebranche auf Schwankungen jedweder Art reagiert und dass man gut beraten ist, wenn der eigene wirtschaftliche Hintergrund gut aufgestellt ist. Wie recht er damit hat, beweist die derzeitige Corona-Weltkrise, wobei ihm sein zweites touristisches Standbein auch nicht gerade die Stütze ist. Carsten Schmidt: „Ohne Gäste und ohne Einkommen haben wir gar keine Wahl und müssen die Krise aussitzen. Staatliche Regulierungen, wie Kurzarbeit, gibt es in Myanmar nicht. Wir haben ein kleines Krisen-Team zusammengestellt, das weiterhin E-Mails beantwortet und auf Anfragen für die kommende Hochsaison reagiert, welche nach dem Monsun im Oktober -hoffentlich!- beginnt.“
Seiner Einschätzung und Beobachtung nach hat die Regierung strenge Maßnahmen zur Regulierung des öffentlichen Lebens ergriffen: „Beim Besuch des Supermarktes gilt Masken-Pflicht und am Eingang wird die Temperatur gemessen, Schulen bleiben vorerst geschlossen, Restaurants dürfen nur liefern und in Yangon gibt es noch immer eine Ausgangssperre von 22:00 Uhr bis 04:00 Uhr morgens. Die Regierung muss dabei einen heiklen Balanceakt zwischen der Durchsetzung der Vorschriften mit strengen Maßnahmen zur sozialen Distanzierung auf der einen Seite und der Sicherung der Menschen andererseits, die ihren Lebensunterhalt irgendwie bestreiten müssen.“
Carsten Schmidt sieht auch Positives in der Krise: „Die Herausforderungen müssen als Chance begriffen werden, um das gesellschaftliche und politische Wertesysteme zu korrigieren und gemeinsam einen neuen Weg zu beschreiten. Dieses Gefühl von Gemeinschaft ist auch das, was mich dieser Tage wirklich positiv stimmt und ich wünsche mir, dass wir uns dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, egal wo auf der Welt, bewahren werden.“
Gerade in dieser Zeit geht sein Blick öfter zurück in die alte Heimat. „Ich vermisse schon so Einiges, besonders den Wechsel der Jahreszeiten, die kuscheligen Weihnachtsmärkte, die soziale Abfederung. Etwas Spezielles habe ich mir bis heute bewahrt: Ich lege selbst Gurken nach Spreewälder Art ein, höre dabei und auch sonst sehr oft Antenne Brandenburg. An meiner Seite sind zwei Kater und die Dogge Humboldt, die ist ebenso vom Entdeckerdrang betroffen wie ich. Manchmal gingen wir gemeinsam auf Reisen – und Humboldt spürt, dass es eigentlich schon längst hätte wieder mal losgehen müssen…!“
Carsten Schmidt unterscheidet zwischen der Heimat und dem Zuhause: Zuhause ist für ihn dort, wo gerade die Zahnbuerste ist, aber die Heimat wird immer die Heimat bleiben – und das sind Vetschau und der Spreewald. Eine Rückkehr kann er sich im Moment nicht vorstellen, denn dafür ist er zu fest in Myanmar verwurzelt. Auch sprachlich ist er angekommen, sein „Burmesisch“, wie er es nennt, reicht für den Alltag.
Peter Becker, 05.05.2020
Alle Fotos von Carsten Schmidt (privat)
Info-Box:
Myanmar, das frühere Burma, ist ein südostasiatischer Staat mit Grenzen zu Indien, Bangladesch, China, Laos und Thailand, in dem mehr als 100 ethnische Volksgruppen leben. Zu den Sehenswürdigkeiten in der größten Stadt Yangon (ehemals Rangun) gehören quirlige Märkte, zahlreiche Parks und Seen sowie die große vergoldete Shwedagon-Pagode aus dem 6. Jh., die buddhistische Reliquien beherbergt. Bis 2005 war Rangun die Hauptstadt Myanmars; der Regierungssitz wurde dann aber nach Naypyidaw verlegt. (Wikipedia)
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