Lübbenauer Auswanderer in Amerika

Während Helga und Kurt Krügermann noch kurz vor dem Mauerbau den Spreewald in Richtung Kalifornien verließen, haben sich andere erst nach der Wende in die gleiche Richtung aufgemacht. Drei von ihnen, alles ehemalige Lübbenauerinnen, sollen hier vorgestellt werden. In einer Chatgruppe berichten sie von ihrem Leben in der Ferne:

Katharina Lehmann, gebn. Kolodziej, legte 1995 ihr Abitur ab und ging erst nach Heidelberg und 2010 nach Kalifornien. Ihr Partner fragte sie damals, ob sie sich zwei Jahre mit ihm in Silicon Valley vorstellen könnte. Sie konnte, nur sind die zwei Jahre längst vergangen, die Familie hat sich auf Dauer eingerichtet.  Die Kinder sind inzwischen 14 und 17 Jahre alt. Beruflich gab es für sie ein paar Veränderungen, denn der in Deutschland ausgeübte Beruf einer Rechtsanwaltsgehilfin war in Kalifornien nicht gefragt. Doch wer in der amerikanischen IT-Schmiede lebt und wohnt, findet ganz schnell eine andere Aufgabe. Bei Google arbeitete sie ebenso, wie aktuell bei einem Startup-Unternehmen, bei dem Sie Apps auf ihre Markteignung testet. Natürlich sind ihre Gedanken auch oft in der Heimat, bei ihrer Familie in Lübbenau. Bei Besuchen dort sieht sie ihre alte Heimat inzwischen etwas anders, mit „amerikanischen Augen“. Katharina Lehmann: „Wenn ich in Deutschland bin, fällt mir eine allgemeine Misslaune auf, ich vermisse die Freundlichkeit im Miteinander. Andererseits schätze ich die allgemeine Sicherheit, besonders im sozialen Bereich.“

In der aktuellen Corona-Krise hat sich auf den ersten Blick für ihre Familie nicht viel geändert. Home-Office ist für sie ohnehin schon lange Alltag. Die Kinder loggen sich in ihre Schulen ein und erledigen ihre Hausaufgaben online, was aber schon vor Corona üblich war.

Das Leben selbst hat sich schon etwas geändert. Nachdem die Welle der Hamsterkäufe (auch Klo-Papier!) abgeebbt war, ist etwas Ruhe eingekehrt. „Wir treffen uns online mit Freunden, wir tanzen zusammen -ja, das geht- oder wir spielen gegeneinander Brettspiele. Die frische Luft kommt nicht zu kurz, wir treffen uns in Parks, aber schön mit sechs Fuß (1,80 m) Abstand“, berichtet Katharina Lehmann. „Das entschleunigte Leben hat auch etwas Gutes, wir werden uns an diese Zeit, an den positiven Teil der Krise, vielleicht noch mal dankbar erinnern“, ergänzt sie im Chat.

Nancy Hopkins absolvierte 1994 die 10. Klasse. Eine amerikanische Austauschschülerin, mit der sie sich angefreundet hatte, lud sie zum Gegenbesuch ein, der auch erfolgte. Dabei lernte sie ihren ersten Ehemann kennen. „Es war keine einfache Zeit, mein Englisch war ebenso schlecht wie sein Deutsch – aber wir haben uns zusammengerauft und eine gemeinsame Existenz aufgebaut“, erzählt sie, die manchen in der Heimat noch unter dem Mädchennamen Nancy Brückner bekannt sein könnte. Es folgten Jobs wie Pizzalieferservice und Putzfrau, bevor sie sich ein festes Standbein schaffen konnte. Seit 2002 ist sie nach einer Qualifikation als Hundefriseurin tätig und besitzt selbst drei Hunde. „In Deutschland wäre das alles nicht so einfach gewesen, hier in Amerika ist alles flexibler und freier – jeder kann seinen Traum verwirklichen, wenn er nur will“, schreibt sie. Sie hat ein schönes Haus und ein zweites in Arizona, die Geschäfte gingen gut – bis Corona. Ihr zweiter Mann ist wie sie selbstständig, beide wissen gerade nicht, wie lange sie noch ihre Jobs ausüben dürfen. Eine Arbeitslosenversicherung haben sie nicht. „Glücklicherweise ist die Zeit der Hamsterkäufe vorbei, es gibt wieder fast alles in den Läden. Hoffentlich ist bald auch dieser ganz Albtraum Geschichte, damit wir wieder ohne Sorgen unseren Alltag leben können“, schreibt sie noch.

Riverside Kalifornien

Jana Mount, geborene Begoihn, zog 1999 nach Riverside (Kalifornien). Sie war in engem Kontakt mit ihrer Freundin Nancy Brückner geblieben, besuchte sie und verliebte sich in den Bruder von Nancys Ehemann. Noch im Umzugsjahr wurde geheiratet. Sie hatte es nicht ganz so schwer, wie manch anderer Aussiedler, denn ihre Freundin half bei der Integration – und tröstete, wenn etwas nicht gleich klappte. Im letzten Jahr ist die Familie nach Eugene (Oregon) gezogen. „Wir sind nach Oregon gezogen, weil mich das Leben hier mehr an meine Kindheit im Spreewald erinnert, und ich dieses einfachere Leben für uns als Familie und für meine Kinder (6 und 9 Jahre alt) besser finde.  Hier in Oregon wohnen weniger Leute, und daher gibt es viel weniger Verkehr“, schreibt sie.

Mit ihrem erlernten Beruf (Rechtsanwaltsgehilfin), konnte sie in den USA nichts anfangen. Nach verschiedenen Jobs arbeitet sie nun für eine Krankenversicherung. Wenn sie das Leben in ihrer alten mit dem in ihrer neuen Heimat vergleicht, kommt sie, wie ihre Freundinnen, zum nahezu gleichen Ergebnis: „Die Menschen sind hier freundlicher, es gibt mehr Möglichkeiten, vieles ist einfacher, aber auch sehr kommerzialisiert. Man ist allerdings nicht so gut abgesichert wie in Deutschland.“

Die aktuelle Krise verbringt die Familie im Homeoffice, Besuche bei ihrer Freundin in Kalifornien fallen aus, ebenso der Besuch ihrer Mutter aus Lübbenau, der für Ende April geplant war. „Die Zeit hat auch etwas Gutes, denn wir haben mehr von unseren Kindern und die von uns. Wir machen Fahrradtouren oder ausgedehnte Wanderungen in die waldreiche Umgebung.“

Peter Becker, 31.03.2020

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Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf