Radduscher Hofläden wieder am Start

Stefan Przewozny berät Kundin Josie Kopsch

„Zum Hofladen“ – diese örtliche Ausschilderung sorgte in den letzten Jahren für viel Ärger. Urlauber wollten sich mit Spreewaldtypischem versorgen, folgten den Hinweisen – und standen vor verschlossenen Türen. „Zu verpachten“ stand dort lediglich zu lesen. Auch den Einheimischen blieb nur das Kopfschütteln und die Frage, wie es denn mal weitergehen soll. Diese Frage hat sich nun beantwortet: Mehrere Pächter betreiben verschiedene Geschäftsbereiche und wollen verlorengegangenes Vertrauen, besonders auch bei den Einheimischen, zurückgewinnen. Stefan Przewozny unterhält den eigentlichen Hofladen, Mathias Kloss kümmert sich um den Geschäftsbereich Leinöl, die anderen Bereiche wie Gaststätte und Kleintierhof sind noch nicht fest vergeben.

Leinölschauproduktion: Mathias Kloss mit Kundin Anja Richter

Stefan Przewozny ist ein gelernter Fitnesstrainer. Die Liebe brachte den Forster nach Lübbenau, schnell fand er großen Gefallen am Spreewald. An den Wochenenden ging es für ihn nun nicht mehr nur auf den Fußballplatz, seiner ganz großen Leidenschaft. Sein Interesse galt zunehmend mehr den zahlreichen Spreewaldmärkten in der Region. Gesundes und Regionales selbst zu verkaufen, kam dem gesundheits- und fitnessbewussten jungen Vater immer öfter in den Sinn. Mit dem Radduscher Hofladen sollte sich dieser Traum erfüllen. Seine Familie steht hinter ihm, sogar Mutti Bettina Przewozny kommt beinahe täglich aus Forst und unterstützt ihn im Laden. Sie war früher in einem vom Publikumsverkehr abgeschottetem Büro tätig und genießt es nun, mit Menschen aus der Region und bald aus ganz Deutschland ins Gespräch zu kommen. Sie bringt selbsthergestellte Keramik ins Geschäft ein. Die Angebotspalette des Hofladens reicht von Spreewaldprodukten mit der bekannten Dachmarke bis hin zu Geflügel, Wildfleisch und -wurst, sowie Gewürzen, regionaler Kleinkunst und Kunstgewerblichem.

Mathias Kloss im Kundengespräch

Mathias Kloss ist ein Cottbusser und war bisher bundesweit in der Werbebranche tätig. Inzwischen verheiratet, zieht es ihn wieder näher an seine Heimatstadt heran. Der gesunden Lebensweise sehr zugetan, beschäftigt sich der junge Familienvater schon länger mit Lebensmitteln, ihrer Herstellung und Vermarktung. „Ich möchte den Verarbeitungsprozess wieder transparenter gestalten, den Kunden die Prozesse näherbringen, die Lebensmittel aus der Anonymität holen. Das Leinöl eignet sich dafür besonders, denn es ist ein uraltes regionales Produkt und bei den Spreewäldern besonders beliebt“, erzählt er. Bei ihm kann das Pressen und Abfüllen beobachtet werden. Seine Presse arbeitet bei Temperaturen von unter 39 Grad Celsius, damit zählt sein Produkt zu den kaltgepressten Ölen. „Bei höheren Presstemperaturen werden wertvolle Inhaltsstoffe wie die Omega-3-Fettsäuren abgebaut“, erklärt er Josie Kopsch und Anja Richter aus Lübbenau, die sich bei einem Hofladenbesuch Leinölherstellung und Verarbeitung erklären ließen. Selbstverständlich durften die beiden auch eine Verkostung vornehmen. Josie Kopsch: „Das Öl schmeckt angenehm mild, das hatte ich so nicht erwartet!“ Den Leinölsamen bezieht Mathias Kloss vorerst noch aus der Burger Mühle, er ist aber auf der Suche nach regionalen Erzeugern. Mit dem Spreewaldverein hat er schon Kontakt aufgenommen, von dort wurde ihm Unterstützung bei der Suche zugesagt. Bekanntlich gibt es kaum noch Leinen- oder Flachsanbauer in der Lausitz, nur wenige gehen das Wagnis ein. Die klimatischen Bedingungen habe sich verändert, der Flachs benötigt in der Aufgehphase viel Feuchtigkeit, die im Aufwuchsmonat April immer seltener ist – die Wirtschaftlichkeit ist nicht mehr gegeben.

Beide Ladenbetreiber wollen sich für die Zukunft einrichten, sich einbringen ins Dorfleben und den Kundenstamm wiederaufbauen. Eine der ersten vertrauensbildenden Maßnahme wird ein Hoffest sein, noch mitten im Winter, bei Glühwein und Grillwurst: Am 1. und 2. Februar begrüßen die beiden ab 9 Uhr ihre Gäste.  

Öffnungszeiten in der Vorsaison: Dienstag bis Samstag von 9 bis 17 Uhr.

Info-Box Leinöl:

Leinöl gehört zu den wenigen Ölen, in denen der Anteil der Omega-3-Fettsäuren den der Omega-6-Fettsäuren übersteigt. Da die Fette in Getreiden überwiegend aus Omega-6-Fettsäuren bestehen, stellt das Öl aus Leinsamen mit seinem hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren eine wichtige ernährungstechnische Errungenschaft dar. Insbesondere in der Lausitz wird Leinöl in milchhaltigen Speisen wie Quark mit Kartoffeln oder Pellkartoffeln, Gurkensalat oder saurem Hering in Sahnesauce verwendet. Durch die Ölschicht auf den Milchspeisen werden diese nicht so schnell sauer, ein Umstand, der früher im Sommer intensiv genutzt wurde.

Leinölverkostung

Peter Becker, 19.01.19

Über Peter Becker 361 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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