Ein Mann und ein Leben für’s Holz

Jeden Montag, seit Jahrzehnten, schwingt sich der 84-jährige Kurt Vorwachs auf sein Fahrrad und radelt zur „Station“ in Lübbenau. „Ich kann doch meine Jungs nicht im Stich lassen! Und ich bin froh, mein Wissen und mein Können noch einbringen zu können, auch wenn ich dafür keinen Cent bekomme“, erklärt der rüstige Rentner. Die „Station“ ist in der Dammstraße, sie ist in Teilen noch fast genauso erhalten, wie sie vor über 50 Jahren als „Station der Jungen Naturwissenschaftler und Techniker“ erbaut wurde. Inzwischen ist sie in der Trägerschaft der AWO Integrations- und Service GmbH „AWO Tours“. Die Wände und Decken der Werkstätten sind im fast vergessenem DDR-Sprelacart gehalten. Der alte Kachelofen verschlingt Unmengen an Briketts und Holzabfälle, um die großen Räume einigermaßen zu erwärmen. Hier baut Kurt Vorwachs mit „seinen Jungs“ Holzmodelle von Spreewaldhäusern, Brücken und was sonst noch von seinen Bastlern erdacht und erwünscht wird.

Modellbau, Holzbearbeitung und knifflige Nachbauten von Flugzeugen im korrekten Maßstab machten einen großen Teil des Lebens von Kurt Vorwachs aus. Geboren jenseits der Neiße, die Eltern betrieben eine Schneiderei, faszinierte ihn schon früh alles, was aus Holz war. Seine ersten Arbeiten waren noch etwas gröber, aber sehr zweckmäßig. Seine Kaninchenställe dienten letztlich auch der Versorgung der fünfköpfigen Familie. Kurt konnte in Lübbenau, dem Zufluchtsort der Familie nach 1945, die Schule beenden und in der Vetschauer LOWA eine Tischlerlehre machen. Holz war sein Ding, er sog alles auf, was ihm seine Lehrherren an Tipps und Tricks beibrachten. Noch heute ist er im Besitz seines Lehrlingskoffers, darin die seltensten Hölzer für Intarsienarbeiten. In der LOWA leitete er eine Arbeitsgruppe Flugmodellbau, die aber erst noch genehmigt werden musste. „Da kam Militärisches ins Spiel und davon wollten die Behörden damals gar nichts wissen“, erinnert er sich. Später, bei der Kasernierten Volkspolizei, setzte er diese Tätigkeit fort. Im Auftrag der Vorgesetzten fertigte er maßstabs- und detailgetreue Modelle der MIG 15, dem damaligen Düsenjäger der DDR-Luftwaffe. Er wäre gern selbst Pilot geworden, aber „wegen der Augen“ ging das nicht. Nach dem Grundwehrdienst folgten Tischler-Tätigkeiten im Möbelwerk Calau und im Kraftwerk Lübbenau. Über die damals obligatorische Patenbrigadentätigkeit kam er mit Schulen in Kontakt. Er übernahm bald eine Arbeitsgruppe Modellbau. Als in der „Station“ eine Stelle ausgeschrieben wurde, bewarb er sich dafür. Er bekam diese auch, allerdings mit der Auflage, sich zum Fachlehrer für Werken zu qualifizieren. Neben der außerschulischen Kinderbetreuung im Modellbau, kümmerte er sich besonders um den Schulkahn. Eigentlich war der mal als Ersatz für den inzwischen ausgedienten Kahn gedacht, der die Leiper Kinder zur Schule bringen sollte. Der neue Kahn wurde ein Stationskahn und kam für Expeditionen zum Einsatz. „Wir haben den sogar manchmal zum ‚Kreuzfahrtschiff‘ umgebaut. Die Kinder konnten darin schlafen, was ihnen riesigen Spaß gemacht hat“, erinnert sich Kurt Vorwachs, dem dabei ein Lächeln über das Gesicht huscht. „Das war eine sehr schöne und erlebnisreiche Zeit!“ Mit dem 6-PS-Außenbordmotor ging es quer durch den Spreewald, um die Hirschbrunft zu beobachten oder um irgendwo zu zelten. Alles was gebraucht wurde, von der Grillwurst bis zum Grill, war an Bord.

Kurt Vorwachs freut sich immer noch auf den Montag, wenn er wieder in die Station kann und von seinen „Jungs“ erwartet wird. Aus seinem eigenem Bastelkeller bringt er das Holz mit. Er blüht noch mal auf, wenn er sein Wissen und sein Geschick weitergeben kann. „Die Kinder halten mich jung, sie fordern mich und denken gar nicht an mein Alter und nehmen darauf auch keine Rücksicht“, erzählt Kurt Vorwachs. Viele Flugzeugmodelle hängen immer noch an der Werkstattdecke. Manchmal holt er eins runter und wischt gedankenverloren den Staub von den Tragflächen …

Peter Becker, 10.12.18

Info zur Station: In zwei Gebäuderiegeln ist die Unterbringung von bis zu 56 Gästen mit Teil- oder Vollverpflegung möglich. Die zentralen Gemeinschaftsräume mit Selbstversorgerküche dienen dabei dem Aufenthalt und der Versorgung.

Alle Zimmer sind barrierefrei ausgestattet und für 1-6 Personen variabel eingerichtet. Einige Zimmer verfügen mit der direkten Lage über einen Ausblick auf die Spree. 

Ansprechpartner: Sebastian Liedtke, Telefon: (03542) 2179

Dammstraße 72 | 03222 Lübbenau/Spreewald

Über Peter Becker 361 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.