27. Lehdefest – oder wie sich Ausflugspläne ändern können

Zum Abschluss des Lehdefestes fand ein Korso mit 41 Kähnen statt. Gezeigt wurden Bilder aus dem dörflich-kulturellen Leben und aus dem Leben der Vorfahren.
Zum Abschluss des Lehdefestes fand ein Korso mit 42 Kähnen statt. Gezeigt wurden Bilder aus dem dörflich-kulturellen Leben und aus dem Leben der Vorfahren.

„Eigentlich wollten wir mit den Fahrrädern von Lübben zur Slawenburg fahren, aber das wird wohl heute nichts mehr!“ So wie es Christine Tivador aus Königswusterhausen erging, ging es vielen anderen ebenfalls: Mehr oder weniger durch Zufall in Lehde gestrandet, fesselten die zahlreichen Angebote und das unterhaltsame Programm. Besonders die Kinder waren kaum weiterzubewegen. Erst recht nicht, wenn Preise winken, so wie beim Hechtstechen. Ein am Pendel hängendes Blechabbild eines Hechtes mit Nagelspitze sollte möglichst ins Schwarze treffen. Der sechsjährige Theo Tivador schafft das nach wenigen Anläufen und freut sich über den Preis. Derart motiviert wollte er auch noch beim Kinderpukalle gewinnen. Ein Kürbispfropfen -bei den Erwachsenen wird das etwas härtere Kalmus verwandt-  muss nach dem Luftpumpenprinzip möglichst viele Blechbüchsen abräumen. Für Kinder keine leichte Aufgabe, da dürfen auch schon mal die Eltern beim Laden und Abdrücken Hilfestellung geben. Anja Kilka tat dies für ihre kleine Greta, die sicherheitshalber bei jedem Schuss die Augen schließt. Bei den Erwachsenen entwickelt sich ein regelrechter Wettkampf, besonders die Urlauber ließen sich auf diesen sehr alten Wettbewerb ein. Gerhard Belaschk aus Hindenberg war am Ende der Beste.

Anita Storch, die Vorsitzende des Lehder Fördervereins, geht gelassen über das Festgelände. Zur Gelassenheit hatte sich auch allen Grund: „Das Fest läuft! Unser größtes Sorgenkind war das Wetter. Schließlich ist unser Fest immer fürs letzte Septemberwochenende gesetzt, da können wir keine Rücksicht auf irgendwelche Prognosen nehmen“, sagt eine sichtlich erleichterte Vereinschefin mit Blick zum blauen Himmel. Sie hat die 115 Mitglieder, die Feuerwehr und zahlreiche Helfer im Rücken und kann sich auf sie verlassen. Es gibt sehr viel vorzubereiten und abzustimmen. „Hier muss jeder Einzelne kreativ dabei sein, Pannen wollen und können wir uns nicht erlauben, das sind wir unseren Gästen und letztlich unseren Vereinszielen schuldig“, ergänzt sie noch. Mit den Einnahmen werden Landschaftspflegemaßnahmen unterstützt, um die ursprüngliche Kulturlandschaft zu erhalten.

Zahlreiche Stände auf dem Gelände nahe der Feuerwehr zeigen traditionelles Handwerk ebenso, wie traditionell hergestellt Produkte. Dicht umlagert der Stand von „Hanni“, „Nanni“ und „Mumps“. Die drei bestens bekannten Spreewälder Originale Bettina Schulz, Roswitha Winter und Peter Lehmann flechten fast im Akkord bunte Herbstgestecke aus dem, was die Natur zu bieten hat. Gleich neben ihnen hat Kurt Vorwachs seinen Stand. Hier basteln Kinder mit Naturmaterialien. „Eigentlich wollte ich das nicht mehr machen, aber das sage ich schon seit Jahren“, erzählt der 84-Jährige mit leichtem Schmunzeln. Bei Anja Koal malen die Kinder mit Kaseinfarben. „Ich habe in Düsseldorf Kunst studiert und möchte wieder in meiner alten Heimat Fuß fassen,“ erzählt sie, während sie Valentino Domain bei der Pinselführung Unterstützung gibt.

Im prall gefüllten Festzelt tanzen Paare zur Musik der Niewitzer Blasmusikanten. Da Musiker wie Tänzer auch mal verschnaufen müssen, ist der Auftritt der Lübbenauer Designerin Sarah Gwiszcz vorgesehen. Etwa 20 verschiedene Outfits hat die Modegestalterin mitgebracht, die von ihren Models gekonnt auf den Laufsteg gebracht werden. „Meine Mode ist von der traditionellen sorbischen-wendischen Tracht inspiriert und alltagstauglich“, erzählt sie den Zuhörerinnen, darunter auch nicht wenige Zuhörer. „Auch für Männer habe ich Ähnliches im Programm“, richtet sie ihre Worte aufmunternd an diese.

Der Tag geht langsam in den Abend über, aber ein hochbrisanter Programmpunkt steht noch an: das Einbaumwettfahren. Dieses uralte Gefährt der Spreewälder ist schwer zu steuern und noch schwerer in Balance zu halten. Lehder hatten es 2001 nachgebaut und inzwischen rekonstruiert. „Eigentlich muss bald ein neuer ran“, erzählt Wolfgang Gahl, einer der Erbauer von damals, „mal sehen, ob sich unsere Jugend dazu aufrafft!“ Inzwischen haben sich die Wettkämpfer präpariert, die Schuhe ausgezogen, etwas Sand in den Einbaum geschippt, damit die Füsse festen Halt auf dem ansonsten glitschigen Boden haben. Anfangs geht alles gut, die Zeiten werden überboten, doch dann zeigt das Duo Andreas Harms (Lübbenau) und Mirco Schmitt (Chemnitz) einen Abgang aus dem Einbaum. Während Harms sich noch kunstvoll und einigermaßen galant an Bord halten kann, geht der Sachse über Bord. Nach einem Vollbad im 15 Grad kalten Wasser (Lufttemperatur gleich Wassertemperatur) und Wiedereinstig vor hunderten applaudieren Zuschauern, wurde das Gefährt doch noch ins Ziel gebracht, natürlich unter „ferner liefen…“. Als Sieger werden später Günter Brandt und Wolfgang Gahl genannt – wenig verwunderlich für die Lehd’schen, denn es sind alte Hasen im Geschäft.

Peter Becker/peb1 30.09.18

Über Peter Becker 396 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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