Die Leiper hatten Ende der sechziger Jahre wohl nun langsam doch genug von ihrem Inseldasein. Alles, was nicht auf’s Fahrrad passte, musste mit dem Kahn transportiert werden, meist nach Lübbenau oder Burg. Die Ernte, das Vieh, Hochzeiten, Kindtaufen – alles wurde per Kahn erledigt, sogar der letzte Weg, zum Friedhof, nach Lübbenau.
Keine Straße, kein Kahn – Leiper Beerdigungszug um 1930
In Leipe wollte man wie anderswo auch, den motorisierten Fortschritt einziehen lassen. Die Gemeindevertreter hatten haben bei ihrem Antrag an die DDR-Regierung wohlweißlich und vordergründig die Leiper Kinder im Auge, denn diese mussten auch tatsächlich am meisten unter dem Inseldasein leiden. Gingen früher alle Kinder noch in die Leiper Dorfschule, mussten die Größeren ab 1965 die Schule in Lübbenau besuchen. Aber dahin bestand nur ein ziemlich schlecht ausgebauter Radweg auf dem Deich. So blieb nur die Kahnlösung: Ein Blechkahn wurde von dem damaligen Hausmeister der Schule Karl-Heinz Panzer geschickt mit einem Aufbau versehen und mit einem Motor ausgerüstet. Die Fahrt dauerte aber eineinhalb Stunden und im Winter war es oft gar nicht möglich, den Kahn einzusetzen, die Schule fiel dann eben aus. Um allen Kindern nun die gleichen Bildungschancen einzuräumen, wurde der Bau der Straße für den Schulbus- und auch den allgemeinen Versorgungsverkehr von den Oberen genehmigt und angewiesen. Bauausführende Firma war die Meliorationsgenossenschaft Burg. Ihr damaliger Betriebsleiter Fritz Selleng erinnert sich: „Das war die größte Herausforderung meines Lebens! Wir mussten bis zu sechs Meter tief die Torfschichten abtragen, die Seiten haben wir mit Faschinen und Spreesand verstärkt. Als der Sand nicht reichte, haben wir den Willischzaberg abgebaggert- so entstand übrigens der Burger Badesee. Den Schotter für das Packlager haben wir dann aus Koschenberg bezogen.“ Die vier 10-Tonnen-Brücken entstanden schon vorher, dazu haben die Leiper das Baumaterial mit dem Kahn herangefahren, insgesamt 500 solcher Fahrten sollen es gewesen sein, steht in der Dorfchronik vermerkt.
Und der erste, der ein Auto hatte, allerdings noch keine richtige Straße dafür, war Manfred Jedro. Der damals knapp Zwanzigjährige hatte irgendwie einen alten Opel „Olympia“ erlangt. Die gerade frisch geschotterte Straße nach Burg war noch mit Schlagbaum versehen, aber man wurde sich einig. Den Schlüssel zum Schlagbaum deponierten die Straßenbauer für Manfred Jedro an einer hohlen Weide, in der Nähe der neuen Abzweigung nach Vetschau und Burg. So wurde er zum ersten Straßenbenutzer, noch vor der offiziellen Eröffnung am 9. Januar 1969.
Somit war auch das letzte Dorf der DDR mit dem Straßennetz verbunden. Ein Segen für das Dorf, der Anschluss an die Welt war gegeben, die Welt kam aber nun auch ins Dorf. Manch ein Autofahrer wundert sich, dass die Straße ein Ende hat. Und somit bleibt Leipe doch noch etwas Besonderes: Es gibt eben nur die eine Straße ins und aus dem Dorf. Auch das vorausschauende Fahren will gelernt sein, denn Begegnungen sind nur im Bereich der Ausweichtaschen gefahrlos möglich. Inzwischen wurden die Straße saniert und neue tragfähigere Brücken wurden errichtet.
Peter Becker
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