Was isst eigentlich der Spreewälder am liebsten? Also – was aß er früher….?

Der Spreewälder isst den Fisch wie eine Suppe – und ohne neumodisches Besteck 😉

Um das zu erfahren, reicht oft ein Blick in eine akribisch geführte Dorfchronik[1], in der praktisch alles festgehalten wurde. Oder man befragt einen der Älteren, der sich noch gut an seine Kindheit und an geliebtes oder weniger geliebtes Gericht erinnert. Dabei gab es durchaus Unterschiede zwischen den Familien – je nach Wohlstand. Aber um es vorwegzunehmen: So sehr unterschied sich die Ernährung der Spreewälder nicht von der der Bevölkerung in den anderen Teilen des Landes. Dennoch ragen zwei/drei Besonderheiten heraus: das Leinöl, der Fisch und die Hefeplinse.

Im Spreewald, mehr an seinen Rändern, war der Flachsanbau zur Leinengewinnung und somit zur Stoffherstellung üblich. Das aus den Samen gewonnene Leinöl ist eher ein Nebenprodukt, aber ein sehr gesundes. Es enthält die meisten mehrfach ungesättigten Öle (Omega-3-Fettsäuren) aller üblichen Speiseöle, mehr als das hochgepriesene Olivenöl! Ohne dass die Spreewälder jemals davon wussten, haben sie sich durch die nahezu tägliche Aufnahme von Leinöl sehr gesund ernährt[2]. Hinzu kam noch die einfachen, von Chemie völlig unbelasteten und nur wenigen Bearbeitungsstufen unterliegenden anderen Nahrungsmittel. Damals war es auch nicht das Ziel, möglichst viel Kalorien zu sparen, wobei niemand mit dem Begriff hätte etwas anfangen können. Ziel war eher, sich richtig satt zu essen, um genügend Kraft für die Alltagsbewältigung zu haben. Anders als der Kutsche auf dem flachen Land, der seine Pferde und Ochsen seinen Erntewagen ziehen ließ, musste der Spreewälder seinen vollgefrachteten Kahn durch Strömung und oft über lange Strecken kräftezehrend staken!

Kräuterquark mit Leinöl – wie es heute gereicht wird
Hefeplinse, klassisch

Noch vor etwa 50 – 100 Jahren gab es im Spreewald Milchsuppe mit trockenem Roggenbrot zum Frühstück. Auf dem Feld dann „Schnieten“ mit Griebenfett, manchmal auch mit selbstgemachter Wurst. Mittags gab es Pellkartoffeln, oft vom Schweinfutter abgezweigt. Es wurde nicht immer für die Menschen extra gekocht: die Hausfrau nahm die besten garen Kartoffeln aus dem Dämpfer, dem Schweinefutterzubereiter, heraus. Dazu gab es Quark mit Leinöl oder Speckstippe. Manchmal gab es auch sauren Hering oder einen einfachen Gemüseeintopf. Auf dem Feld dann wieder die „Schnieten“ zur Vesper. Abends wiederholte sich praktisch die Vesper noch einmal oder es gab Pellkartoffeln  mit Quark. Die beste Zeit war die Zeit nach dem Schweinschlachten: Da nicht alles gepökelt, geräuchert und eingeweckt werden konnte, gab es eine kurze Zeit Wurst, Speck, Schmalz und Grützwurst im Überfluss. Da das Schlachten fast immer im Spätherbst/Frühwinter erfolgte, war so auch eine gute „Grundlage“ für den Winter geschaffen. Es war eine an sich eintönige, aber sehr natürliche Ernährung mit dem, was Garten, Feld und Stall lieferten. Der Jahreshöhepunkt war das eben beschriebene Schlachten. Gern wurde auch den Nachbarn und den Helfern bei der Ernte etwas abgegeben, meist Grützwurst und Wellfleisch – mit dem Effekt, dass diese es ebenso handhabten. So gab es über mehrere Wochen immer mal wieder Frischgeschlachtetes auf dem sonst wenig Abwechslung bietendem Esstisch.

Noch heute wird im Spreewald die traditionelle Schlachtung durchgeführt. Mit einem Schnaps wird auf das Gelingen, besonders der Wurst, angestoßen!

Die Sonn- und Feiertage bildeten immer eine Ausnahme, jedenfalls wenn nicht gerade eine große Knappheit durch Missernten, Hochwasser u.a. Ereignissen anstand. Es gab mal keine Pellkartoffeln, sondern geschälte Salzkartoffeln mit Schweinbraten oder Pökelfleisch mit Sauerkraut. Manchmal auch Huhn, Gans oder Ente, gelegentlich auch Wild. Zur Vesper gehörte sonntags stets der Hefeplinz, mit viel Butter, Zimt und Zucker – und einer Tasse Kaffee, meist Malzkaffee.

Marga Morgenstern, ein Spreewälder Original, erinnert sich: „Was schmeckt dem Spreewälder zur Sonntagsruh? Kaffee und Plinse dazu!“, dichtete der Heimatdichter Otto Lucas aus den Byhleguhrer Kaupen. Genauso war das auch bei uns zu Hause. Wenn Großmutter nach dem Mittagessen ihre Kirchgangstracht ablegte, sich eine Sonntagsbluse anzog und die große blaue Schürze über den schwarzen Rock band wurde der Sonntag erst so richtig gemütlich.
So stand sie dann, natürlich ohne Haube, nur ein Samtband im grauen Haar. Das Haar war sowieso immer straff gescheitelt, in Zöpfe geflochten und zu einem Knoten im Nacken aufgesteckt. Die feinen schwarzen Lederpantoffeln glänzten heute besonders.

Dann holte sie, mitunter erst auf unsere Bitten, ein kleines Wassereimerchen hervor und es wurde Plinsteig aus Milch, Mehl, Eier und Hefe eingerührt. Der Herd wurde angeheizt, die eisernen Ringe aufgelegt, damit sie das Ofenloch völlig zudeckten – und es wurde der Plinsstein geholt.
War der Teig ausreichend gegangen, wurde der „Plinsstein“, eine ganz flache gusseiserne Pfanne, auf den Herd gesetzt. Mit einer dicken Schwarte vom Speck wurde der Plinsstein eingefettet. War er heiß genug, ging das Backen los. Plins für Plins wurde auf den warmen Teller, der ebenfalls auf dem großen Herd Platz gefunden hatte, abgelegt. Aufgeregt verfolgten wir Kinder das Geschehen und konnten das große Schmausen kaum erwarten. Mutter spendierte saure Sahne und hatte Butter zerlassen. Der Zucker stand auch schon bereit. Dann wurden die Plinse mit einem Pinsel mit Butter oder Sahne bestrichen und mit Zucker bestreut. Fein zusammengerollt lagen sie dann auf dem Teller.
Es wurde Kaffee gekocht – manchmal sogar Bohnenkaffee für die Erwachsenen, den Großmutter und Mutter vorher im Kaffeebrenner sorgfältig rösteten.
Dann endlich durften wir am Tisch Platz nehmen. Unsere Spielgefährten aus der Nachbarschaft durften wir manchmal dazu einladen. Darunter die Kinder vom Bäckermeister, der eigentlich feinen Kuchen buk. Aber gab es bei uns frische Plinse, ließen sie zu Hause den Kuchen stehen.
Großmutters Worte klingen in ihrer Spreewälder Mundart noch heute in meinen Ohren: “Du kannst mit eene Speckschwarte ganzn Wassereemer Plinsteeg ausbackn.“

Marga Morgenstern und „ihre“ Hefeplinse

 

 

Großmutters Hefeplinse

1 Liter Milch und
30 g Hefe verquirlen.
1 Prise Salz
40 g Zucker und
4 Eier hinzufügen.
500 g Mehl löffelweise darunter geben.
Den Teig 1 Stunde gehen lassen und in einer mit
Speckschwarte (oder Öl) eingefetteten möglichst flachen Pfanne die Plinse goldgelb backen.
Plinse mit zerlassener
Butter (oder saurer Sahne) und mit Zucker bestreuen, zusammenrollen und auf vorgewärmte Teller geben.

 

An den Fest- und Feiertagen gab es mittags eigentlich immer nur Fisch in Spreewaldsoße. Fisch schwamm vor der Haustür, war reichlich und fast alle Landwirte waren gleichzeitig auch Fischer. Gefangen wurden alle Fische, die größeren zum Braten oder Kochen, die kleineren wurde für die Soße benötigt.

https://www.lr-online.de/lausitz/luebbenau/arme-leute-festtagsessen-fisch-in-spreewaldsosse_aid-4290722

Früher war es ein großes Problem, Nahrungsmittel zu bevorraten. Zeiten des Überflusses – nach der Ernte oder nach Schlachtungen- mussten möglichst lange gestreckt werden. Zur Aufbewahrung standen Tonkrüge zur Verfügung. Hier kam praktisch alles rein, von den Gurken bis zum Sauerkraut, von der Wurst bis zum Pökelfleisch. Letzteres bekam noch eine Fettschicht darüber, so dass alles luftdicht abgeschlossen war. Keller gab es im Spreewald meist nicht, denn der wäre sehr schnell vom Grundwasser überflutet worden. Zum Kühlen an sehr heißen Tagen stand nur das am Haus vorbeifließende Wasser zur Verfügung. Manchmal kamen dann die Fleischkrüge in den Fischkasten, oft zu den dort noch lebenden Fischvorräten. Im Winter waren die Fischkästen rechtzeitig zu leeren und anzuheben, denn einmal eingefroren, wären sie nur schwer (mit den dann gefrorenen Fischen) zu bergen gewesen. Gemüse kam zur Aufbewahrung in eine Sandkiste, die meist im relativ warmen Stall, natürlich unerreichbar für die Tiere, stand.

[1] Chronik Leipe, geführt von Georg Staritz

[2] Gern wird die Geschichte des Burger Fotografen Heinrich Steffen erzählt, der einst als Berliner arbeitsloser Arzt im Spreewald eine Praxis eröffnen wollte, aber kaum mit Kranken zu tun hatte. „Die mit ihrem Leinöl, die sind alle so furchtbar gesund“, soll er gesagt haben. Er wechselte beruflich um und wurde Fotograf.

Über Peter Becker 365 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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