Meerrettich – des Spreewälders Lieblingswürze und Allheilmittel

Sigrid Konzack aus Leipe bei der Wurzelpflege

„Uff’s Ei schmeckt er besonders, aber n‘ poar Kriem‘l Salz missen och noch ruff, sunst iss’es zu brennig“, lautet Sigrid Konzacks Tipp für die Hausfrau. Der in schönster Spreewälder Mundart gegebene Tipp zur Verwendung des scharfen Wurzelgemüses kommt von einer der erfahrendsten Meerrettichanbauerinnen des Spreewalds. Die Leiperin baute mit ihrem Mann Jahrzehnte lang Meerrettich an, und dem Alter ist es geschuldet, dass sie nun diese Tätigkeit eingestellt haben. Ein wenig aber auch der Marktsituation, denn Meerrettich gibt es in jedem Supermarkt, hergestellt von Billiganbietern aus anderen Regionen.

Das Mikroklima des Spreewaldes lässt seit jeher jegliches Gemüse, besonders Gurken und Kürbisse, hervorragend gedeihen – und eben auch den Meerrettich. Die humosen feuchten Böden sind ideal dafür geeignet. Sigrid Konzack erinnert sich: „Früher wurden die Schwiegatze, die Seitentriebe aus dem Vorjahr, noch mit dem Setzstock in die Erde verbracht. Heute hilft die Technik in der Form, dass die Triebe nur noch in die Furche gelegt zu werden brauchen. Ist dies vollbracht, kommen noch die regelmäßigen Hege- und Pflegemaßnahmen übers Jahr, wozu besonders das Anheben der Pflanzen und das Entfernen der überzähligen Seitentriebe gehört. In der Julihitze, bei Tausenden Mücken und unter den Augen der neugierigen Urlauber, die immer wieder wissen wollen, was wir da eigentlich machen, ist das die unangenehmste Arbeit eines Meerrettichbauern.

Im Herbst werden die Pflanzen gerodet, auf dem Hof gereinigt, von den Seitentrieben, eben den Schwiegatzen, befreit, in Säcke verpackt und anschließend vom Verarbeitungsbetrieb abgeholt.“ Der Meerrettichanbau war auch eine Alternative zum Kartoffelanbau, denn im wildreichen Spreewald wurde so manche Ernte durch Wildschweine vernichtet. Den scharfen Meerrettich meiden die Wildtiere offensichtlich, hier gibt es kaum Verluste, auch nicht durch Schadinsekten. Kürzere Trockenheiten oder Hochwässer werden ebenfalls relativ gut überstanden, wenn dann auch die Ernte etwas schwächer ausfällt. Dafür „rächt“ sich das Wurzelgemüse mit hohem Anbau – und Pflegeaufwand!

Früher wurden die Meerrettichstangen vor dem Verkauf mit Sand abgerieben, um ihnen eine gefälligeres, helleres, Aussehen zu geben, um letztlich höhere Preise auf dem Markt erzielen zu können. Der Markt der Spreewälder fand in Lübbenau statt. Hier legten auch Kähne, voll mit gebündelten Meerrettich, an, von hier ging es zu den örtlichen Reibereien, die die Weiterverarbeitung übernahmen. Frischer Meerrettich kam auch in den Gurkenverarbeitungsbetrieben zur Anwendung. Manche Ernte gelangte mit dem Kahn bis Berlin und Stettin, dort zur Weiterverfrachtung Richtung Amerika. Meerrettich aus dem Spreewald war sehr begehrt, so mancher Spreewälder – Erzeuger wie Verarbeiter-  gelangte so zu einem gewissen Wohlstand.

In Gläsern konserviert wurde er gern zu Eisbein und Grützwurst genommen – oder aufs Ei (s. oben). Beliebt war er auch als Meerrettichsoße zu Rindfleisch, einem beliebten sorbischen/wendischen Hochzeitsgericht.

Rinderbrust mit Meerrettichsoße (Rezept von Peter Franke):

1,5 kg Rinderbrust in Wasser mit
Salz, 1 Bd. Suppengrün, 2 Lorbeerblätter, 5 Gewürzkörner bedeckt ansetzen und weich kochen. Aus
100 g Butter, 120 g Mehl eine Mehlschmitze zubereiten die man mit
100 g Milch ablöscht und mit Rinderbrühe auffüllt und lässt dies gut durchkochen. Gib dann den
Meerrettich frisch gerieben dazu -je nach eigenem Ermessen. Mit
Salz, Essig, Zucker abschmecken.

 

Heut weiß man auch um die gesundheitliche Bedeutung des scharfen Gemüses. Die Wurzel des Meerrettichs hilft gegen allerlei Infektionskrankheiten und auch gegen Schmerzen. Sogar Grippeerregern bietet der Meerrettich Paroli, was ihn zu einem unschätzbaren Helfer in der Hausapotheke macht.

Über Peter Becker 367 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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