Vergurkte und verwichtelte Weihnachtsbräuche

Weihnachten und Geschenke – beides gehört zusammen. Für die einen, die Schenkenden, jedes Jahr ein großer Stress und für die anderen, die Beschenkten, neben Freude oft Enttäuschung über das Geschenk. Und da beide oft Beides sind, wird in vielen Familien immer öfter über eine Entkrampfung des Schenkenstresses nachgedacht.

Die Weihnachtsgurke – schwer zu finden, aber das ist Absicht!

In den USA hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Deutschen immer(!) eine Gurke im Weihnachtsbaum verstecken. Inzwischen ist das auch im angeblichen Ursprungsland angekommen und wird in manchen Familien – nun quasi nachträglich- vollzogen. Tatsächlich wurde mit dem Aufkommen des geblasenen Glasschmucks so manches Kuriosum in den deutschen Baum gehängt. Die Älteren kennen vielleicht noch solchen Schmuck in Form von Autos, Zeppelins, Früchten und hier und da tatsächlich auch in Form von Gurken. In einem Prenzlauer Katalog von 1909 sind beispielsweise diese Gurken enthalten. Irgendwie ist diese Art von Schmuck in Vergessenheit geraten, Anderes kam in Mode.

Bei der Familie von Anne Schuster in Beesdau bei Luckau hängt nun seit einiger Zeit ganz versteckt eine kleine Gewürzgurke im Baum. „Alles begann damit, dass mir eine meiner amerikanischen Kolleginnen erzählte, dass sie beim Weihnachtsshopping die Weihnachtsgurke (Christmas pickle) gesehen hat. Sie ging selbstverständlich davon aus, dass ich weiß, wovon sie redete. Dem war aber gar nicht so“, erzählt Anne Schuster. Die Amerikanerin klärte folglich die Deutsche über die angeblich deutsche Tradition auf. „Was nicht ist, soll werden und deshalb verstecken wir nun immer eine kleine Glasgurke im Baum. Wer sie als Erster am Bescherabend entdeckt, bekommt ein Extrageschenk“, ergänzt Anne Schuster noch, die in einem globalen Unternehmen der klinischen Forschung arbeitet.

Bei Bramers, in Naundorf (Stadt Vetschau), ist man sich des Schenkens ein wenig überdrüssig geworden und setzt mehr auf Unterhaltung und Freude – das Geschenk gibt es trotzdem, aber es wird zur Nebensache. Janine Bramer: „Wichtig ist die Einhaltung der vereinbarten Regeln, damit sich niemand bevor- oder benachteiligt fühlt. Inzwischen klappt das ausgezeichnet, alle halten sich daran, inzwischen auch Opa Walter, der das Wichteln zuerst als großen amerikanischen Quatsch abtat und es nun kaum erwarten kann, sich sein Geschenk zu erwürfeln.“ Beim Bramer-Wichteln bringt jeder ein Geschenk im Wert von zehn Euro gut verpackt mit und stellt es auf den Tisch. Beim nachfolgenden Würfeln gehen die Geschenke immer mal hin und her und erst nachdem alle Würfeloptionen ausgeschöpft sind, und das kann eine Stunde dauern bei entsprechendem Unterhaltungsfaktor, darf ausgepackt werden. Opa Walter kam so mal in den Genuss des größten Pakets: Waschpulver im Wert von 9,99 Euro! Eine Variante des Wichtelns ist das Schrottwichtel: Hier bringt jeder etwas mit, was er zuhause nicht gebrauchen kann. Es wird in Zeitungspapier(!) verpackt und findet dann vielleicht doch noch einen Besitzer, der es gebrauchen kann. Und wenn nicht: das nächste Schrottwichteln folgt ein Jahr später!

Wer des Schenkens innerhalb der Familie überdrüssig ist, nutzt „Weihnachten im Schuhkarton“, eine Aktion einiger Händler, um Pakete an bedürftige Familien zu verschicken. Bei aller, manchmal auch ausufernder, Schenkerei, darf das Los der Einkommensschwachen, der vielen Flüchtlinge, nicht übersehen werden. Viele Organisationen rufen auch zu Spenden auf – zumindest Weihnachten sollte das Teilen, besser das Anteilnehmen, Ehrensache sein.

 

Peter Becker/peb1, Dez. 2017

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Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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