Weihnachten bei den Spreewäldern

Bernd Pittkunings, sorbisch-wendischer Liederpoet, Dissen:

„Traditionell wurde bei mir zu Hause in Dollgen am Heiligen Abend zu Mittag möglichst fleischlos gegessen (saure Eier, Brühreis usw.). Abends gab es Kartoffelsalat mit Bockwurst. Bis 1988 war es üblich, daß die Dollgener Jugend zu Fuß zum Gottesdienst am Heiligen Abend nach Groß Leuthen ging. Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag gab es meistens Gans oder Ente. An diesen Tagen sind Besuche zwischen den Verwandten üblich. Ansonsten hat sich zu meiner Jugend der Heilige Abend schon nicht mehr von einem Heiligen Abend in Neuruppin oder anderswo unterschieden. Noch zu Ende der 1940er Jahre gab es im Cottbuser Raum die Weihnachtsgeschenke für die Kinder erst am Morgen des 1.Weihnachtsfeiertages, weil der Heilige Abend ein stiller, besinnlicher Abend sein sollte. Die deutsche Leitkultur hat das verändert.“

 

Günter Gollasch, Orchesterleiter a.D., Berlin

„Ich bin schon als Junge gern Schlittschuh gelaufen, besonders gern zu  Weihnachten, wenn in den Häusern schon die Lichter glänzten. Das habe ich noch bis vor wenigen Jahren getan, wenn mal die Spree, die nicht weit meines Berliner Hauses vorbeifließt, mal wieder zugefroren war. Dann bin ich auch in Gedanken bei meiner Spreewaldheimat. Früher war der Spreewald oft schon zu Weihnachten tief gefroren oder verschneit, meist fuhren wir dann in Familie auch mit dem Pferdeschlitten von Kaupen bis nach Burg Dorf zur Andacht. Traditionell gab es danach Kartoffelsalat und Bockwurst – und das ist so geblieben.“

Marlene Jedro, Unterhalterin, Leipe

„Für ist Weihnachten immer mit dem Geruch von Bohnerwachs und Elsterglanz verbunden, denn vor Weihnachten wurde immer alles auf Hochglanz poliert. Im Haus herrschte auch immer eine Atmosphäre zwischen Anspannung, Neugier und Furcht, denn immer wieder hörten wir im Flur das Schlurfen von Holzpantoffeln und klingende Glöckchen. Unsere Mutter konnte das perfekt inszenieren, nie haben wir sie als ‚Geräuschemacherin‘ ertappen können. Unvergessen auch die erste Weihnacht mit elektrischer Baumbeleuchtung, die ich bei den Großeltern erlebte. Unvergessen auch die Tatsache, dass nach gemeinsamen Abendessen immer erst noch das Geschirr abgewaschen werden musste, bevor es an die Bescherung ging.“

Georg Staritz, ehem. Vereinsvorsitzender und Spreewaldbauer, Leipe

„Ich kann mich an keine Weihnacht bei uns zu Hause erinnern, denn seit über 50 Jahren verbringen wir den Heiligen Abend bei Verwandten, bei meinen Geschwistern. Und da ist es auch schon genau so lange Brauch, dass es am ersten Weihnachtsfeiertag Gans gibt. Eigentlich sehr bequem für uns, aber wir revanchieren uns natürlich!“

Siegfried und Christa Janzen, Mundart-Künstler, Groß-Lübbenau

Die Vorweihnachtszeit geht bei dem Ehepaar mit viel Ausgestaltung einher, sie schmücken dann Veranda und Hof und stellen dann auch ihre zwei Weihnachtsbäume auf. „Ich kann das Schmücken nicht lassen, das habe ich schon immer gern getan, besonders auch in meiner Zeit als Erzieherin im Kindergarten. Und einfache Weihnachtskugeln machen es dann auch nicht, sie müssen schon kunstvoll umhäkelt sein“, gesteht Christa Janzen. Der Höhepunkt ist aber das Backen der Weihnachtstollen und – plätzchen, denn dies geschieht immer noch handgerührt. „An guten Kuchen darf keine Maschine ran“, so die überzeugte Hausfrau.

Hildegard Groß, Unterhalterin, Straupitz

Die aus Thiemendorf an der Oder Stammende kann sich eigentlich nur an die mageren Kriegsweihnachten erinnern und an die Strapazen aus Flucht und Vertreibung, die sich auch noch auf die Friedensweihnacht 1945 auswirkten. Die erste schöne Weihnacht erlebte sie achtjährig 1947: „Irgendwie hatte es unsere Mutter geschafft, Fleischmarken aufzusparen und so konnten wir am Heiligabend uns mal so richtig mit Bockwurst satt essen – ein unvergessliches Erlebnis in einer so schweren Zeit!“

Peter Becker

 

Über Peter Becker 397 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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