Malen mit Radduscher Ockerschlamm

Lusici

Der Ockerschlamm bewegt die Gemüter: Er wird als Problem angesehen, er lässt ganze Flussläufe absterben, sieht unschön aus und schreckt ab. Aber er übt auch seinen Reiz aus – auf Künstler beispielsweise.
Ockerablagerungen sind in der Niederlausitz keine neue Erscheinung. Der über weiten Flächen unmittelbar unter der Erdoberfläche liegende Raseneisenstein führte schon immer zur Braunfärbung des Grundwassers. Dies war meist jahreszeitlich bedingt – je nach Niederschlagsmengen. Neu sind die Dimensionen: Durch die Einstellung der tagebaubedingten Grundwasserabsenkungen werden die Jahrzehnte trockenliegenden Erzvorkommen wieder vom Grundwasser erreicht.
Hier und da wurde früher der Ockerschlamm vom Grund der Gräben geholt, in der Sonne getrocknet, gereinigt und zerstampft. Mit verschiedenen Zusätzen (Bindemitteln) und mit Wasser versehen, diente er als durchaus brauchbarer Anstrich. Er war lichtecht, farbintensiv und einigermaßen haltbar – eine preiswerte Farbe aus der Natur.
Einer, der sich an das Malen mit dem, was die Erde an Farbe hergibt, erinnern kann, ist der Lübbenauer Künstler Dietrich Lusici. „In meiner Kreuzberger Zeit hatte ich -typisch Künstler- wieder mal kein Geld für Farbe“, erinnert sich der 1942 in Ragow Geborene und seit Jahrzehnten heute wieder im Spreewald lebende Lusici. Damals experimentierte er mit Asche, schwarzer wie ockerfarbener. Viele seiner Werke sind daraus entstanden, auch seine 1988 erschienenen Studien „Wie Asche im Wind“ für einen Katalog. Das damalige Erdbeben in Armenien regte ihn an zu zeigen, dass der Mensch ein vergängliches, der Natur ausgesetztes Wesen ist. „Die Aschetechnik selbst hat eine Vorgeschichte, denn als Spreewälder Junge habe ich frühzeitig mit verschiedenen Schlämmen erste Malversuche gemacht. Geld für Farbe bekam ich von meinen Eltern damals kaum“, ergänzt er noch.
Es ist logisch für ihn, dass das aktuelle Ockerproblem einer künstlerischen Umsetzung bedarf. Mit Ockerschlamm aus Raddusch, gewonnen aus dem Kahnsdorfer Feldgraben, experimentierte er. Verschiedene Zusätze wurden ausprobiert und wieder verworfen. Lusizi: „Ich habe den Schlamm getrocknet, wie die Vorfahren mit einem Stein zerstoßen und das Pulver mit einem modernen Bindemittel aus dem Baumarkt versetzt – entstanden ist eine wunderbare kräftige Farbe“, so der Künstler über sein Vorgehen. Lediglich die daraus zu schaffenden Kunstwerke fehlten noch, aber beim Umgang mit der Farbe zeichnete sich schon das eine oder andere Motiv in seinem Kopf ab. Und es wurden immer mehr: Nahezu besessen machte sich Lusici an die Arbeit. Aus kleineren Studien wurde immer umfangreichere Bilder. Sein Zerkwitzer Atelier sah aus „wie ein Schlachtfeld, überall Ocker“. Lusici hatte beim Malen seinen Urgroßvater vor Augen, der sich manchmal für Tage von der Familie verabschiedete, um im tiefsten Inneren des Spreewaldes Wiesen zu mähen. Er hatte alles Nötige (Brot und Speck) dabei, geschlafen hat er im Kahn. „Es blüht noch“, heißt das in der Erinnerung an ihn entstandene Kunstwerk: Überall Grünes und Buntes, ganz wie früher im Spreewald. Doch es ist bedroht durch den überall durchquellenden Ocker. „Keiner hat es kommen sehen…“ heißt ein weiteres Werk: Zwei große Augen schauen auf die anrollenden Ockerwellen.
Diese und noch weitere Werke sind in der Kunstscheune Raddusch, Bahnhofstraße 1, ausgestellt. Zu sehen sind sie zu den üblichen Öffnungszeiten der dort ansässigen Alten Backstube.

Peb1, 16.07.17

Über Peter Becker 361 Artikel
Jahrgang 1948, Diplomlehrer, Freier Journalist und Fotograf

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