Sollte mal jemand gefragt werden, wo der beste Platz im Spreewald für eine Gaststätte mit sicherem Gästeaufkommen ist, so wird der Einheimische und Kenner des Spreewaldes sagen: Im Lübbenauer Kahnfährhafen in der Dammstraße. Hier kommen jährlich Hunderttausende hin, um mit Ausflugskähnen in den Spreewald zu starten. Zumindest eine Vorahnung muss der damalige Gründer Heinrich Moshake davon gehabt haben, denn so ganz langsam entwickelte sich durch die Errichtung der Bahnstrecke Berlin – Cottbus 1867 das zarte Pflänzchen Spreewaldtourismus in Lübbenau.
Heinrich Moshake wurde am 20. September 1835 in Salzdahlum bei Wolfenbüttel als Sohn einer Häuslerfamilie geboren. Sein Weg schien vorgezeichnet: Landwirt würde er werden, wie seine Väter und Vorväter, nichts deutete auf einen Bruch der Jahrhunderte alten Familientradition hin. Reitknecht war da eher eine Zwischenstation, bis er für die Übernahme des elterlichen Betriebes bereit war. In Seelow, beim Herrn von der Marwitz fand er eine feste Anstellung, bis ihn 1856 die Einberufung zum Militärdienst ereilte. In Braunschweig, dem Dienstort, lernte er den Lübbenauer Grafen Hermann Rochus zu Lynar kennen. Dieser holte ihn dann kurze Zeit später nach Lübbenau, er brauchte einen guten Kutscher.
Nach dem Tod seines Dienstherrn 1879 gab Heinrich Moshake den Dienst auf, mit dem Nachfolger Maximilian Graf zu Lynar stand er nicht so gut, zu unterschiedlich waren die Charaktere. Heinrich Moshake kaufte das Grundstück, das er schon ein Jahr zuvor von der Stadt für 100 Mark Jahresgebühr gepachtet hatte: In Sichtweite zum Schloss und am Ufer der Spree, unmittelbar an der städtischen Kahnabfahrtstelle in der Dammstraße. Schon wenige Monate später bekam er die Konzessionsurkunde zum Betrieb einer Schankwirtschaft. Heinrich Moshake pflanzte Bäume und Sträucher, baute einen Eiskeller, eine Kegelbahn entlang des Dammgrabens und erweiterte das Haus um zwei Fremdenzimmer und einen weiteren Gastraum.
Was so hoffnungsvoll begann, wendete bald das Schicksal: Zwei Jähre später verstarb sein Frau Maria gerade mal vierundvierzigjährig. Mit Tochter Ida betrieb er noch ein paar Jahre die Gaststätte und wurde dann selbst krank. Auf der Suche nach einem Pächter fand er Franz Windscheffel, der bis dahin ebenfalls im Dienste des Grafen stand. Am 27. April 1894 verstarb Heinrich Moshake.
Sein Nachfolger sollte der älteste Sohn Ernst werden, der war aber inzwischen Fleischer geworden und hatte sich in Triebel, jenseits der Neiße gelegen, niedergelassen. Der Zweitgeborene, Wilhelm Gottlieb Ernst, geboren am 2. Mai 1874 in Lübbenau, kam nun als Nachfolger infrage. Der war beim Lübbenauer Kaufmann Cuba in die Lehre gegangen und hatte anschließend in Altdöbern bei den Gebrüdern Lehmann gearbeitet. Die Übernahme der Gaststätte in Aussicht, aber sie noch eine Zeit in den guten Händen des Pächters Windscheffel wissend, nahm Wilhelm verschiedene Tätigkeiten in Hotels und Gaststätten in Leipzig und Halle auf, um sich Wissen anzueignen. Selbst bei seinem Bruder in Triebel, dem Fleischer und Gastwirt, machte er seine Erfahrungen im Gewerbe. Pächter Windscheffel bekam die Gelegenheit, kurzfristig das Lübbenauer Hotel „Zum Spreewald“ zu übernehmen – die vorfristige Auflösung des Pachtvertrages kam nun beiden Seiten entgegen. Am 1. März 1900 war es dann soweit: Wilhelm Gottlieb Moshake übernahm den Grünen Strand der Spree. Er war inzwischen mit Emilie Pötke aus Penzig verheiratet, die bis dahin im Hotel „Zur Sonne“ in Spremberg angestellt war. Beide hatten somit eine solide Ausbildung genossen, die sie für die Gaststätte im Spreewald nutzen konnten.
Um 1900 begann der Ausflugsverkehr stetig anzusteigen, Umbauten und Anbauten an der Gaststätte wurden zwingend erforderlich, wie eine Veranda und ein Biergarten. Hinderlich wirkte sich aus, dass dieser jenseits der Zufahrtsstraße zur Anliegestelle lag und die Bedienung sich mit ihren vollen Tabletts erst ihren Weg durch Besucher und Fahrzeuge suchen musste.
Wilhelm Gottlieb Moshake machte der Stadt ein Angebot und nahm dabei bewusst einen Nachteil in Kauf: Er erwarb ein jenseits des damaligen Dammgrabens gelegenes größeres Wiesenstück und bot dieses der Stadt zum Tausch gegen die flächenmäßig viel kleinere Straße an. Bürgermeister Weidner war damit einverstanden, er ließ die Straße verlegen, allerdings auf Moshakes Kosten (so stand es im Tauschvertrag) und konnte nun seinerseits die dringend notwendige Erweiterung des Hafens vornehmen. Dazu wurde der Dammgraben vorm Hafen umgeleitet und das Reststück verfüllt. Wilhelm Moshake zäunte den Biergarten inklusive ehemalige Straße ein und hatte nun vortreffliche Bedingungen für Personal und Gäste. Es folgten erneut Erweiterungen, wie eine Trinkhalle, eine Veranda und vier zusätzliche Ferienzimmer.
Die Geschäfte gingen gut und immer besser – bis zum 1. Weltkrieg. Wilhelm Moshake wurde 1915 einberufen, aber wegen einer Herzerkrankung ein Jahr später entlassen. Die Lage war ernst und das kaiserliche Militär musste 1917 auch die außer Dienst Gestellten reaktivieren. Inzwischen war er so krank, dass er noch vor Kriegsende wieder entlassen wurde und am 30. Oktober 1918 in Lübbenau verstarb. Seine Frau Emilie und Sohn Wilhelm Heinrich führten die nun die Gaststätte durch schwierige Zeiten.
Wilhelm Heinrich Moshake wurde am 8. Januar 1901 in Lübbenau geboren und half schon frühzeitig im elterlichen Geschäft mit. Nach der Schule belegte er eine Volontärstelle in einer Berliner Weinstube und holte sich dort das Rüstzeug für die spätere Führung einer eigenen Gaststätte. Mutter Emilie musste ihn allerdings bald zurück nach Lübbenau holen, denn Inflation und Wirtschaftskrise führten zu Personalentlassungen – die Familie war mehr denn je auf sich selbst und ihre eigenen Kräfte angewiesen. Wilhelm heiratete 1925 die Gutsbesitzerstochter Katharina (Käthe) Zschalig, die eine Ausbildung in einer Liegnitzer Hotelküche erfahren hatte.
Allmählich ging es aufwärts, die Ausflügler kamen wieder öfter und sorgten für wirtschaftlichen Aufschwung. Die beiden bisher offenen Terrassen wurden 1925 mit Öfen und Fenstern versehen, um auch bei schlechterem Wetter genutzt werden zu können. Die Küche wurde 1927 modernisiert. Mit Berliner Reisebüros wurden Verträge geschlossen, ebenso mit der Hamburg-Amerika-Linie und der dänischen Nordtourist. Die Deutsche Reichbahn setzte Sonderzüge ein und sorgte somit für einen Besucheransturm, der viel Arbeit nach sich zog, aber auch für ein gutes Auskommen der Wirtsleute und ihrer Angestellten sorgte: Weit über 20 Mitarbeiter fanden in der Saison bei Moshake, wie die Lübbenauer kurz die Gaststätte nannten, Arbeit – bis zum Zweiten Weltkrieg. Fast alle männlichen Kräfte wurden eingezogen, die wenigen Frauen sicherten den ohnehin kaum noch vorhandenen Ausflugsverkehr ab. Das Kriegsende in Lübbenau schildert Käthe Moshake in ihren Briefen an den Sohn Wilhelm Paul, der gerade 17-jährig zu dieser Zeit in britischer Gefangenschaft auf Sylt ist, in allen Einzelheiten. Sie schreibt von einem Artillerieeinschlag neben der Veranda und den zerstörten Fenstern, von der Einquartierung sowjetischer und polnischer Soldaten und von den zahllosen Flüchtlingen, die eine Bleibe suchten. Den Einmarsch selbst hat sie, wie viele andere Lübbenauer auch, im inneren Spreewald abgewartet: „Die Kähne nach dem Spreewald rein waren nicht zu zählen. In Leipe waren Menschen über Menschen … unterwegs immer wieder Tieffliegerangriffe, die haben aber nur in die Wiesen geschossen.“ Die Menschen waren völlig verängstigt, mussten dann aber doch in ihre Häuser zurück und fanden das Chaos vor. „In den Gaststuben hausten die Polen. Am Abend kamen noch Russen und quartierten sich ein. Die Suppe, die wir ihnen kochen mussten, servierten wir in den emaillen Nachttöpfen (vermutlich, weil alles Geschirr zerschlagen war). Nach zehn Tagen rückten sie endlich ab. Wochenlang haben wir nicht aufgeräumt, denn die große Unordnung wirkte abschreckend auf die immer wieder vorbeikommenden Trupps.“ Käthe Moshake beschreibt die Tage Ende April und Anfang Mai 1945 in viele Einzelheiten und zeigt so authentisch die ganze Grausamkeit, die über die Menschen hereinbrach. Viele Lübbenauer verzweifelten und kamen nicht mehr mit dem Leben klar. Sie schreibt: „Herr Wernike hat sich und seine Familie erschossen, ebenso Helmut Döring mit Frau und zwei Kindern… Frau Strubel ist auch tot.“ [21] Erst im Herbst verließen die letzten Flüchtlinge die Gaststätte, dafür wurde in der hinteren Veranda von 1946 bis 1948 ein Ambulatorium für Geschlechtskranke betrieben.
Ganz langsam kam das Geschäftsleben wieder in Gang. Anfangs gab es nur Selters, Tee und Malzkaffee. Gelegentlich auch einen Eintopf gegen Lebensmittelmarke oder Kartoffeln. Lübbenauer Gastwirte taten sich zusammen und organisierten einen LKW. Damit wurde Bier aus der Berliner Schultheiss-Brauerei geholt. Hochprozentiges wurde mit dem Fahrrad oder dem Handwagen aus Klessow oder Altdöbern geholt, allerdings nur selten und in Kleinstmengen, darunter das 15%-ige Alkolat, ein Ersatzschnaps.
Erschwerend auf den Neustart wirkte sich aus, dass Wilhelm Heinrich Moshake 1946 denunziert und durch den Geheimdienst NKWD verhaftete wurde. „Es gibt so viele schlechte Menschen, die haben ihn zu einen großen Parteigenossen gemacht und gemeldet“, schreibt die Mutter in einem Brief. Sie musste nun allein das Geschäft führen, Sohn Wilhelm kam erst im April 1946 aus der Gefangenschaft zurück, ihr Mann wurde erst 1950 aus Buchenwald entlassen.
Inzwischen war die DDR gegründet worden, größerer Privatbesitz wurde verstaatlicht. Auch Moshakes bekamen seitens der Handelsorganisation (HO) das Angebot, das in Wirklichkeit ein Ultimatum darstellte, an den staatlichen Handel zu verpachten. Wilhelm Heinrich Moshake sah darin eine Chance, der völligen Enteignung zu entgehen, und stimmte zu. So wurde er am 1. April 1953 leitender Angestellter im eigenen Haus, übergab aber intern an seinen Sohn Wilhelm Paul, geboren 1928, der seit seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft ohnehin schon im Geschäft mithalf. Wilhelm Moshake sen. war nun der Bonkontrolleur, Wilhelm Moshake jun. der Gaststättenleiter. Er hatte die von Partei und Staat gestellte Versorgungsaufgabe der Spreewaldbesucher wahrzunehmen. Wegen der Lage der Gaststätte in einem der Hauptreisegebiete für Ausflügler und wegen den mit dem Reisebüro der DDR abgeschlossenen Verträgen, wurde das Lokal bei der Warenzuteilung relativ gut bedacht. Wilhelm Moshake zeigte sich auch kooperativ und half seinerseits der HO beim Absatz von schwer unter die Leute zu bringenden Waren. „Ich erinnere mich an eine 2-Liter-Kognakflasche für 80 Mark, die sich kaum einer damals leisten konnte. In der Gaststätte ließ sich daraus ganz gut einschenken und wir bekamen als Gegenleistung von der HO auch ab und zu mal was Selteneres für unsere Gäste, wie Ananas in Büchsen für die Jugendweihefeiern“, so seine Erinnerung an das Geben und Nehmen zu DDR-Zeiten. Dazu gehörte auch, dass den einheimischen Fischern deren minderwertige Beifänge angenommen wurden, um dann mal Aal oder Zander zu bekommen. Eingefroren kamen die Edelfische später, im Winter, ebenso wie das von einheimischen Jägern abgenommene Wild, wieder auf den Tisch, zumeist der Einheimischen. Im „Grünen Strand“ fanden die regelmäßigen Brigadefeiern der Kraftwerker statt, was Werkdirektor Dieter Albert damals zur Bemerkung verleiten ließ, dass sich die Gaststätte den Ehrennamen „Werk 6“ erarbeitet hat (Werk 1 bis 3 waren Kraftwerksteile in Lübbenau, 4 und 5 in Vetschau). Sommers über war das ganz normale Versorgungsgeschäft zu erledigen, was manchmal angesichts der Besucheranstürme in Unnormalität ausartete. Das Personal musste manchmal Übermenschliches leisten. Wilhelm Moshake: „Und wenn sich dann noch kurzfristig die US-Botschaft mit 60 Leuten zum Pfingstessen anmeldet, ist eine logistische Meisterleistung vom Feinsten angesagt!“ Hinzu kommen noch die Vertragsurlauber und offizielle Besucher aus der Staats- und Parteiführung. Der „Grüne Strand“ war Protokollgaststätte, wie es damals hieß. So ziemlich alle Größen kamen in den Spreewald und fast immer zu Moshake. Wohltuend dagegen der Besuch bundesdeutscher Politiker wie Gustav Heinemann und des Westberliner Bürgermeisters Klaus Schütz. Anders als die Protokollgrößen kamen sie ganz privat und in Familie, kaum erkannt von den anderen Spreewaldbesuchern. „Auch der SPD- und der CDU-Vogel konnten bei uns ungestört speisen und einen entspannten Tag genießen“, erinnert sich Moshake an zwei weitere Prominente.
Der Umsatz stieg stetig: Waren es 1953 lediglich 385 000 Mark, so stieg dieser nach dem Umbau des
Hafens 1970 und der Übernahme der Bewirtschaftung der Ladenstraße durch die HO und noch mehr Besuchern auf über 2,7 Millionen Mark. Tagesumsätze von 33 000 Mark mit 1400 Portionen Mittagessen waren nicht selten. Die beiden Verkaufseinrichtungen in der Ladenstraße förderten die Umsatzentwicklung mit dem täglichen Verkauf von 2000 Imbissartikeln. Heinrich Moshake, der die Gaststätte vor knapp 100 Jahren gegründet hatte, hätte seine Freude daran gehabt. Er hatte von Anfang an, als es noch keiner so richtig voraussehen konnte, darauf gesetzt.
Inzwischen war Sohn Wolfgang Moshake für die Übernahme der Verantwortung herangewachsen. Der 1955 Geborene hatte Koch gelernt und die Gastronomiefachschule absolviert. Nach dem Willen seines Arbeitgebers, der HO, sollte er in Cottbus die gerade fertiggestellte Bowlingbahn übernehmen, wozu er aber keine Ambitionen hatte. Mit einem kleinen Trick lösten Vater und Sohn das Problem: Wilhelm Moshake übergab 1983 die Leitung an seinen Sohn Wolfgang und ernannte sich selbst zum Stellvertreter.
Mit der politischen Wende änderte sich das Besitzverhältnis wieder zu Gunsten der Moshakes: Sie kündigten zum 30.09.1990 den Pachtvertrag mit der HO und gründeten gleichzeitig eine Handelsgesellschaft. Unter „Gasthaus zum grünen Strand der Spree Wilhelm Moshake OHG“ wurden Wilhelm und Wolfgang Moshake ins Register eingetragen. Nun erwies sich die 1953 getroffene Entscheidung richtig, im eigenen Unternehmen angestellt geblieben zu sein. Damals ernteten Moshakes bei ihren Lübbenauer Geschäftsfreunden Kopfschütteln und Unverständnis. Diese verweigerten sich meist der Übernahme oder verließen unter dem Druck die Republik. Die staatlich bestimmten Nachfolger und Inhaber wirtschafteten oft mangels persönlicher Bindung die Objekte herunter und ließen sie verwahrlosen. Anders im „Grünen Strand“: Irgendwie fühlten sich die Geschäftsführer der Familientradition weiterhin verpflichtet, immer ein wenig Hoffnung habend, das sich alles noch einmal ändern kann. Es wurde bewahrt, was unter den damaligen Umständen zu bewahren ging – der Übergang 1990 in die Privatwirtschaft erfolgte dementsprechend nahezu nahtlos.
In den ersten fünf Jahren erfolgten Umbauten im Wert von einer Million DM, darunter neue Küchentechnik, der Umbau der Toilettenanlage, Fliesen in den Veranden, eine neue Bestuhlung des Restaurants, das Haus erhielt den Originalanstrich von 1927 zurück und die Heizung wurde modernisiert.
Erst im Jahr 2004 schied Wilhelm Moshake endgültig aus dem Geschäft aus, zwei Jahre später übergab auch sein Sohn die Traditionsgaststätte, die nun von Jörg Schwerdtner geführt wird.
aus: Becker/Franke; Spreewald kulinarisch-Rezepte und Gasthäuser, Limosa, 2015
Peter Becker, überarbeitet Januar 2017
Sehr idyllisch und anheimelnd geschrieben. Die Realität war manchmal brutaler.
Andreas Moshake
Zweiter Sohn des Wilhelm Moshake