Costa Rica müsste eigentlich Pura Vida heißen …
Das kleine Land in der Mitte des amerikanischen Kontinents steht für Lebensfreude und paradiesische Natur – hier leben die wohl glücklichsten Menschen der Welt, unter ihnen auch einer aus dem Spreewald.
Zahlreiche Institutionen haben immer wieder Untersuchungen angestellt, wo denn eigentlich die glücklichsten Menschen leben. Fast alle kommen zum gleichen Ergebnis: es ist in der Tat Costa Rica (Deutschland Platz 49!). Ist es nun so, dass alle Menschen dort vor Glück platzen könnten? Läuft alles rund im Land, gibt es keine Probleme?
Ich treffe mich mit Thomas Dase bei einem richtig guten costa-ricanischen Kaffee auf seiner Wohnhausterrasse in den Bergen, die von breiten Bananenwedeln beschattet wird. Der ehemalige Spreewälder lebt seit fünf Jahren in Costa Rica – und lächelt bei der Frage still in sich hinein. Eigentlich ist die Antwort schon gar nicht mehr nötig: das milde Wetter, die saubere Luft und der Singsang der tropischen Vögel um uns herum und seine beide in der Sonne dösenden Hunde sprechen für sich. Bananen und Apfelsinen gibt es im Überfluss vorm Haus, eine Kuh, Hühner und mehrere Schafe stehen nebenan. Und da gibt es seine Frau, Ana, eine nicaraguanische Lehrerin die in den Schulen der Umgebung als Vertretungslehrerin arbeitet. Die Karibikschönheit setzt sich zu uns an den Tisch – paradiesischer geht es nicht. Thomas Dase lächelt nun noch mehr, als er sagt: „Ich habe alles richtiggemacht. Ich bin raus aus dem deutschen Hamsterrad, aus dem Zwang immer noch mehr zu haben. Ich habe eine wunderbare Frau gefunden und einen völlig neuen Lebensinhalt.“ Die beiden leben sehr einfach, ein Fernsehgerät haben sie nicht. „Wozu? Es verdirbt mit seinen schlechten Nachrichten nur die Stimmung. Schlechtes mag man nicht in Costa Rica, das spricht gegen das Lebensgefühl, was hier Pura Vida heißt – schönes pralles Leben,“ ergänzt er noch. Thomas Dase hat mit Unterstützung zweier deutscher Freunde in den Bergen bei Quesada, in Dulce Nombre, ein zehn Hektar große Finca erworben. Hier haben die drei eine Ferienlodge mit zwei Wohneinheiten mitten im tropischen Regenwald errichtet. Dem Urlauber fehlt es dort an nichts, es ist gemütlich, hat Strom, Wasser – und Internet. Thomas zeigt den Urlaubern das Land, er fährt sie zu Orten, die kein Tourist üblicherweise zu sehen bekommt. Die Überlandfahrt ist etwas anstrengend, denn es geht immer nur in Serpentinen vorwärts. Dafür bleibt genügend Zeit, in die Dörfer zu schauen. Das schönste und farbigste Gebäude ist stets die Dorfschule. Sie und die vielen Kinder in ihren sauberen Schuluniformen können ganz in Ruhe betrachtet werden, denn Betonschwellen auf der Straße vor der Schule zwingen wirklich jeden Autofahrer zum Abbremsen. „Kinder bekommen kostenlose Schulbildung mit Vollverpflegung, Kinder sind das Wichtigste hier im Land“, erzählt Thomas Dase beim Vorbeituckeln. „Leider fehlt eine anschließende Berufsausbildung, wie wir sie in Europa kennen“, ergänzt er noch. Vor den Blechhütten, die auf mich einen ziemlich armseligen Eindruck machen, steht fast immer ein Auto, meist ein Pickup und fast immer von einem japanischen Hersteller. Durchs offene Fenster leuchtet der Flachbildschirm, die Hausfrau fegt den Flur, der Hausherr ist auf einer der Farmen unterwegs oder ruht sich in der Hängematte aus, in der Hand das ein Smartphon. „Pura Vida“ nennt Thomas Dase das. Die Menschen sind zufrieden, ihnen kommt es nicht auf ein Vorzeigehaus an. Hauptsache gemütlich, Bett und Kochgelegenheit – und viele Kinder. „Ein Kindergeburtstag kann hier schon mal die Ausmaße einer Hochzeit annehmen“, so die Beobachtungen von Thomas Dase. Und er fügt an: „Die Kindheit geht allerdings schnell vorbei, viele der Jungen müssen sich bald mit irgendwelchen Jobs durchs Leben schlagen und die meisten Mädchen sind sehr früh schwanger!“ Damit erklärt sich der schon vorher gewonnene Eindruck von den vielen jungen Mädchen mit einem Baby auf dem Arm. Kinderwagen sind im Straßenbild nicht zu sehen. Der Staat hilft unvermögenden jungen Familien bei der Existenzgründung, denn sie bekommen kostenlos ein Haus ohne weitere Ausstattung.
Es gibt (besser: es gäbe) Stoff zum Aufregen: Der schlechte Straßenzustand (ganz schlimme Schlaglöcher sind mit gelber Farbe umrandet), der für unsere Verhältnisse chaotische Straßenverkehr mit zeitweise völligem Stillstand. Doch die Ticos, wie sich die Costa-Ricaner nennen, bleiben ruhig. Eher winken sie einen Nebenmann in ihre Spur, als dass sie sich aufregen – alles andere widerspräche „Pura Vida“. Verkehrsregeln sind ohnehin nur Empfehlungen, es wird gefahren, wie es die Situation erfordert – aber immer rücksichtsvoll.
In den Ananas- und Zuckerrohrplantagen arbeiten nicaraguanische Gastarbeiter für sehr wenig Geld. Die Plantagen haben riesige Ausmaße, der Ernteerfolg wird mit viel Chemie gesichert. „Es ist eben so, es geht nicht anders“, lautet die allgemeine Auffassung. Neuerdings müssen auch die Kaffeeplantagen mit chemischen Mitteln „gerettet“ werden, denn die globale Erwärmung führt in den sonst kühleren Höhenlagen zum Pilzbefall der Kaffeebohnen.
Zwei Wochen sind viel zu kurz für dieses Land. Doch wer das Glück hat, von Thomas Dase geführt zu werden, erfährt viel mehr, als der Pauschaltourist. Dass der tropische Regenwald vor der Haustür in Dulce Nombre („süßer Name“) mit seiner alles überflutenden Artenvielfalt dem Besucher das Gefühl vermittelt, im Paradies angekommen zu sein, braucht nicht sonderlich erwähnt zu werden. Nach der Heimkehr von der Tagestour werden noch vor der Dunkelheit Bratbananen fürs Abendbrot geerntet, auch Apfelsinen fürs Frühstück. Dann geht es erst mal in die Hängematte, um den von der Kurbelei verqueren Magen etwas Ruhe zu gönnen. Die Nacht bricht herein und mit ihr die Geräusche des Urwalds: Zikadenlärm, nervös flatternde Fledermäuse. Am frühen Morgen tragen Brüllaffen irgendwo in der Nähe ihre Streitereien aus, Tukane und Aras halten sich vor der Finca auf. Sie wissen, dass Urlauber da sind, die sie mit Bananen füttern werden – „Pura Vida“ ist auch in der Vogelwelt angekommen.
Info-Box: Costa Rica (spanisch für „reiche Küste“) ist ein Staat in Zentralamerika, der im Norden an Nicaragua und im Süden an Panama grenzt. Im Osten ist er durch die Karibik und im Westen durch den Pazifik begrenzt. Das Land gilt als eines der fortschrittlichsten Lateinamerikas. So wurde die Armee bereits in den 1950er-Jahren zugunsten der Förderung von Bildungs- und Gesundheitsprogrammen abgeschafft, das Land gewinnt mehr als 90 % seines Energiebedarfs aus regenerativen Quellen und der Ökotourismus wird stark gefördert. Rund 27 % der Landesfläche stehen unter Naturschutz. (Quelle: Wikipedia)
Finca Dulce Nombre: www.finca-dulce-nombre.de
Peb1, 11.12.16
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